Beiträge von Sudhana im Thema „Yoga - Körperscann (Achtsamkeit auf den Körper)“

    Sherab Yönten:

    Gestern wurde in einem Kurs behauptet, dass die Yoga Praktizierenden die Technik des Körperscannens vom Theravada Buddhismus abgeschaut hätten. Zuerst hätte der Buddhismus diese Technik entwickelt, später hat die Yoga Bewegung diese Technik übernommen.
    Yoga ist meines Wissens doch eigentlich eine Methode, die älter ist wie der Buddhismus.
    Ob diese spezielle Übung zuerst im Yoga oder zuerst im Buddhismus praktiziert wurde kann wohl keiner wirklich nachvollziehen.


    Yoga ist eigentlich keine spezielle "Methode", sondern eher ein Gattungsbegriff. In dieser Hinsicht - als Bezeichnung eines die gesamte Person umfassenden geistig-körperlichen Schulungsweges - passt Yoga als Beschreibung auch durchaus auf den Buddhismus. Jedenfalls besser als der durch die Antike und dann die mediterranen Monotheismen geprägte Begriff 'Religion'.


    Im Westen wird Yoga meist lediglich auf die spezielle Form des Haṭha-Yoga bezogen, ein System von körperlichen Übungen (āsana), Atemübungen (prāṇāyāma) und Reinigungsübungen (shatkriyā), wobei letztere bei westlichen Praktizierenden eher unpopulär sind. Dieses Haṭha-Yoga fand seine klassische Form im 16. - 17. Jahrhundert, ist also noch recht jung. Das im Westen ebenfalls etwas bekanntere Rāja-Yoga ist sehr viel stärker in Richtung Geistesschulung ausgerichtet als Haṭha-Yoga, āsana und prāṇāyāma bilden hier zusammen mit Verhaltensregeln (yama und niyama) die Grundlage der Geistesschulung (pratyahara und saṃyama). Rāja-Yoga wiederum geht auf die schon erwähnten Sutren Patanjalis zurück, ist also deutlich älter als Haṭha-Yoga und etwas jünger als der Buddhismus. Die mW ältesten konkreten Hinweise auf verschiedene Praktiken, die als Yoga bezeichnet werden (u.a. das durch die 'Krishna People' im Westen etwas bekannter gewordene Bhakti-Yoga, Karma-Yoga sowie die im 6. Gesang geschilderte Meditationspraxis) finden sich in der Bhagavadgītā, die von den meisten Indologen in das 2. Jahrhundert v.d.Z. datiert wird. Andere (vor allem indische) Schätzungen gehen bis in das 5. Jahrhundert v.d.Z. zurück, womit die Gītā und die buddhistische Lehrüberlieferung etwa gleich alt wären. Etwas, das mit der buddhistischen Achtsamkeitspraxis vergleichbar wäre, wird man in der Gītā allerdings nicht finden. Was davor liegt - darüber kann man nur spekulieren.


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    Sherab Yönten:

    Wenn beim Yoga vom "Dritten Auge" die Rede ist, kommt diese Idee sicher aus dem Hinduismus, oder?
    Ich dachte immer, dass damit das Stirnchakra gemeint ist.


    "Drittes Auge" ist eher ein Begriff aus der westlichen Esoterik. Im Yoga ist damit i.d.R. Trikuṭī ('Zusammenfluss der drei [nadis]') gemeint und damit wiederum häufig das sog. 'Stirnchakra', obwobwohl es sich nicht eigentlich um ein Chakra handelt, sondern um ein Kshetra (Feld) - eine energetische Resonanz des Ajñāchakra ('regierendes / befehlendes Chakra'), das nicht im Bereich der Stirn sondern im Gehirn etwa am Ort der Zirbeldrüse (Epiphyse) zu lokalisieren ist. Diese war tatsächlich entwicklungsgeschichtlich ein photoreaktives Organ (wie die Augen) und ist es bei Fischen und Amphibien immer noch. Darauf weist z.B. die Rolle der Epiphyse bei der Melatonin-Produktion noch hin.


    Das System der Chakren wurde in den Patanjali zugeschriebenen Sutren ausgebaut und systematisiert - tatsächlich stammen diese nicht von einer Person (Patanjali) sondern von verschiedenen Autoren etwa in der Zeit zwischen 200 v.d.Z. und 200 n.d.Z. Das fällt mit der vorklassischen Phase des Hinduismus zusammen - d.h. diese Ideen kommen nicht aus dem Hinduismus, sondern sie haben sich gleichzeitig und parrallel dazu entwickelt. Wie beim Hinduismus auch liegen die historischen Wurzeln z.T. noch sehr viel früher.


    Interessant ist, dass es in China ein sehr ähnliches Konzept gibt, das ebenfalls deutlich ältere Wurzeln als der Hinduismus hat. Trikuṭī entspricht hier dem Yintang ('Siegelhalle') bzw. shang dantian ('oberes Zinnoberfeld'), das mit dem 'regierenden / befehlenden Meridian' du mai in Verbindung steht, aber nicht direkt zu ihm gehört. Sicher hat es da im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Buddhismus nach Ostasien einen Einfluss indischer (nicht jedoch hinduistischer) Ideen gegeben - wie auch generell hinsichtlich Yoga und Qigong.


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