Beiträge von Doris im Thema „Askese, Kasteiung und der mittlere Pfad“

    Meine Gedanken zum Thema "Askese":


    Askese von materiellen Dingen, ist ein Hilfsmittel.
    Für mich bedeutet diese Form der Askese, dass ich mir meine Bedürfnisse bewusst mache und abwäge, ob ich etwas benötige, wie ich das erwerbe, wie ich das konsumiere.
    Das ist hilfreich, weil Völlerei, Konsumrausch, eben ein Rausch ist und den Kopf vernebelt. Abgesehen von den ökonomischen und ökologischen Folgen usw. Jeder Form von Rausch, also Vernebelung stellt ein Hindernis dar, sich zu erkennen und zur Ruhe zu kommen.


    Das bedeutet nicht, dass man auf Genuss verzichten muss. Im Gegenteil. Genuss entsteht aus bewusster Erfahrung. Dann kann eine Olive eine Sensation sein, und eine Familienpizza ist nicht nötig. Genuss ist was Feines und steht keiner Erkenntnis im Wege. Weil wir Menschen auf Genuss angelegt sind. Wir haben Rezeptoren dafür: Augen, Nase, Geschmackssinn, Gefühl. Das ist naturgegeben und gehört zu einem gesunden und erfüllten Menschenleben. Ich zitiere den Dalai Lama: "Auch nach der Erleuchtung wird Scheiße nach Scheiße schmecken."


    Mit geübtem Bewusstsein erkennt man, wie auch das Kleine Schönheit und Freude schenken kann, immer und überall. Und man erkennt, dass das nichts Dauerhaftes ist. Beides führt zu Gelassenheit, weil aus dieser Erfahrung das Wissen resultiert, dass man nichts hinterherjagen muss, es kommt von alleine, es ist sogar schon da. Sobald dieses Bewusstsein vorhanden und eingeübt ist, vergehen die großen Gelüste zum Teil von selbst, der Rest wird einfach nicht mehr so wichtig genommen. Entsagung entsteht automatisch. Man kann an einem Schaufenster mit den schönsten Dingen vorübergehen, sie bewundern, entzückt sein, aber es entsteht kein Bedürfnis, sich die Dinge einzuverleiben, sich dauerhaft mit ihnen zu verbinden oder nach dem Entzücken zu suchen. Wenn es keine Schaufenster mit schönen Dingen gibt, dann ist der Geist offen für den Löwenzahn, der zwischen den Pflastersteinen wächst und staunt über Schönheit, Kraft und Lebenswillen dieser Pflanze. Die Suche nach Schönheit halt ich für angeboren. Liebe ist die Bereitschaft das Schöne zu finden. Das unterscheidet sie von der Gier. Letztere ist die Suche nach Erfüllung einer Vorstellung.


    Bei suchtartigem Verhalten, ist es natürlich gut, auch ohne diese Praxis, den Suchtmitteln zu entsagen, bzw. sie einzuschränken. Manchmal muss der Kopf erst ein bisschen frei werden, damit man Heilung erfahren kann.
    Wenn man mal wieder über die Stränge schlägt, ist das auch in Ordnung. Das passiert halt. Ist auch vergänglich. Einfach von vorne anfangen.


    Was mir aber wesentlicher erscheint, ist die Entsagung von der Ich-Illusion. Das halt ich auch für die wirkliche Herausforderung. Denn auch ein Extrem-Asket kann noch furchtbar an dieser Illusion hängen, ja sie sogar durch Kasteiung nähren. Nichts anders als ein verkappter Magersüchtiger, Extrem-Sportler oder ähnliches. Askese kann durchaus ein Kick sein. Ein Kick mit perfektem ideologischen Überbau. Sie kann viele Bedürfnisse stillen: das Bedürfnis sich schlecht zu fühlen, das Bedürfnis sich gut zu fühlen, das Bedürfnis nach Kontrolle, nach Erfolg, nach Anerkennung usw. Alles nicht wirklich schlimm per se, aber es bedeutet Stillstand und womöglich Verfestigung.
    Ich habe schon oft in den alten Beschreibungen gelesen, dass Hochmut dazu führt, dass die Befreiung auch nicht in Äonen stattfindet würde, und das schlimmste aller Hindernisse sei. Diese Form der Askese ordne ich der Hochmut zu, halte sie die ärgste Form des Schlendrians. Ich denke also, dass man sehr vorsichtig und achtsam mit asketischen Bestrebungen sein sollte und sich genauestens beobachten sollte, vor allem sich entspannen.