Beiträge von Karnataka im Thema „Drogensucht und Buddhismus“

    Losang Lamo:

    Um es kurz zu machen, mir sind gute und schlechte Therapeuten begegnet. Die guten haben irgendwie Empathie. Dadurch werden sie zu Betroffenen und können mitreden anstatt von außen zu be-urteilen.


    Der Blick durch die arrogante hochgebildete Therapeutenbrille auf das arme Würstchen von Patienten ist ziemlich gemein und kontraproduktiv. Der Mensch wird behandelt wie ein Schuldiger, der zu doof ist, clean zu bleiben.


    Aber es gibt glücklicherweise verschiedene Therapeuten und Therapien. Sehr kompetent und hilfreich finde ich auch oft Betroffene selbst in den Selbsthilfegruppen.


    Anregungen zum Thema Therapie der Sucht entnahm ich vor allem: Wilhelm Burian: Rituale der Enttäuschung. Burian war Leiter einer Therapiestation und Präsident der Psychoanalytischen Vereinigung. In einem Thread, wo es vor allem um eigene Erfahrungen geht, mag mein sehr theoretischer Beitrag arrogant erscheinen. Dafür bitte ich um Verständnis.


    Empathie, das Verständnis vom eigenen Erleben her, ist mit Sicherheit sehr wichtig. Manche erfahrene Therapeuten in der Drogentherapieszene vertreten jedoch die Ansicht gegenüber bestimmten Störungen, die praktisch keine Krankheitseinsicht besitzen, dass es keine Hilfe bringt, diese Menschen wie rohe Eier zu behandeln.


    Auf Therapiestationen kommt es von Seiten mancher Patienten etwa zum Idealisieren bestimmter Therapeuten und Mitpatienten, besonders aber zum vehementen Entwerten von anderen. Hier ist kein „sein-lassendes“ Verstehen gefordert, sondern die Konfrontation mit schwerwiegenden Konflikten. Schließlich gilt es, eine realitätstaugliche Wahrnehmung zu ermöglichen.


    Seltene Fälle echter Kriminalität können eine Station sogar aufmischen. Hier muss der Schutz anderer Patienten bedacht werden und ein striktes Gewaltverbot durchgesetzt werden, Konsequenzen müssen angedroht und ausgeführt werden. Dass der Kampf mit dieser im Verhältnis kleinen Gruppe auf die Haltung in der Praxis tätiger Drogentherapeuten abfärbt, scheint verständlich.


    Mag sein, dass diese Situation einer möglichen Idealisierung aufgrund der Bedürftigkeit manche Therapeuten zur Arroganz ("arrogante Therapeutenbrille") verführt. Die Theorie zur Drogensucht unterscheidet sich aber nicht von der Sprache der allgemeinen Psychotherapie, die auf die Behandlung von Übertragungsbeziehungen setzt.

    Nach meiner Ansicht kann man an der Sucht verschiedene Aspekte unterscheiden: Selbstmedikation, süchtige Beziehung und süchtige Fantasie, hinzu kommt die Eigendynamik von Drogen: Gönnt sich der Alkoholkranke ein Gläschen, entsteht der Wunsch nach einem Rausch. Gönnt er sich einen Rausch, wiederholt sich der Wunsch danach spätestens am folgenden Abend.


    Selbstmedikation kann beispielsweise die innere Versöhnung meinen, die ein Rausch vorgaukelt.
    Dennoch wird die Eigendynamik der Droge überschätzt. Drogensucht ist eher keine Krankheit, die befällt, weil man Drogen konsumiert hat. Therapeuten sprechen für die überwiegende Zahl der Erkrankten von Störungen der Persönlichkeit, die in die Sucht führen. Dass Süchtige primär wegen der Sucht Hilfe suchen, ändert nichts daran.


    Trifft die Vermutung einer Persönlichkeitsstörung zu, dann drücken sich Süchte auch in süchtigen Beziehungen aus. Während die Lust am Rausch ebenso wie die Beziehungsstörung prinzipiell behandelbar ist, scheint mir der dritte Aspekt der süchtigen Fantasie eine noch tiefer liegende Ursache zu besitzen.


    Das aus meiner Sicht schwerwiegendste Problem betrifft die süchtige Fantasie. Der süchtige Raucher greift nicht zur x-ten Zigarette, weil er noch mehr Nikotin braucht. Der Opiatsüchtige ist nicht geheilt, nachdem er den Entzug vielleicht sogar im künstlichen Tiefschlaf erfahren hat.


    Dazu eine Überlegung aus der Psychoanalyse: Kleinstkinder besitzen häufig Übergangsobjekte. Das Baby nuckelt an seinem Teddy und beruhigt sich, wenn die Mutter nicht verfügbar ist. Psychoanalytiker meinen, diese Objekte würden helfen, eine innere Repräsentanz einer versorgenden Mutter zu bewahren. Im Säuglingsalter zeigt sich also bereits eine Strategie des Bewusstseins, um das Gefühl von Geborgenheit gegenüber einer feindlichen Umwelt zu sichern.


    Die Funktion von Geborgenheit, die von der süchtigen Fantasie ausgeht, scheint mir verständlich zu machen, weshalb Süchtige in der Regel große und diffuse Ängste damit verbinden, von ihrer Droge zu lassen.