Beiträge von Tai im Thema „Jhanas im Zazen?“

    Danke Helmut :) Es beruht aber auf Gegenseitigkeit. Deine Beiträge haben mich schon immer inspiriert; ich antworte nur nicht immer.
    Liebe Grüße
    Tai

    Tychiades:


    Worauf deutet es hin? Kannst du es nicht sagen? Es liegt doch offensichtlich vor der Nase!
    Warum gibt es "nichts zu erreichen"?
    Wenn es dir klar, dann kannst du es auch sagen.


    Ich kann es nicht nicht sagen. Mit allem, was ich tue - und selbst, wenn ich schweige - schreit es sich heraus. Doch wird dir das nichts nützen, solange du's nicht selbst erblickst.

    Hallo Stawrogin,


    Zum Schwerpunktthema deiner hier von dir in letzter Zeit gestellten Fragen möchte ich grundsätzlich anmerken, dass vieles von dem, was bei oberflächlicher Betrachtung ein scheinbarer Widerspruch oder Gegensatz zwischen Vipassana-Lehren und Zen erscheinen mag, aus Zen-Sicht häufig nichts anderes als die konsequente Umsetzung dieser Lehren darstellt.


    Stawrogin:

    Sich der Vergänglichkeit aller Dinge bewusst werden im Zazen so wie in Vipassana, Ergibt sich das automatisch ohne "geistige Gedanken-Kontemplation" oder spielt das fokussieren des Geistes auf die "Vergänglichkeit" im Zazen einfach keine entscheidende Rolle?


    Auf die Vergänglichkeit aller Dinge wird im Zen durchaus auch hingewiesen, zum Beispiel im Sinne der Mahnung, seine Zeit nicht einfach zu vergeuden, indem man seinen Geist nach "der Pfeife der Wünsche tanzen" lässt (Lin-Chi, Lin-Chi Lu 11a). In 11d ebd. sagt er zum Beispiel:


    Zitat

    Zen-Freunde, Zeit ist kostbar. Bis jetzt rennt ihr kreuz und quer hierhin und dorthin, studiert Zen, sucht den Weg mit dem Kopf zu verstehen, jagt Namen und Sätzen nach, sucht nach Buddha, den Patriarchen und guten Lehrern und bemerkt nicht, dass ihr bis zur Halskrause angefühlt seid mit willkürlichen Beurteilungen und Bewertungen. Begeht doch nicht solche Irrtümer! Weggefährten, jeder von euch hat Vater und Mutter. Genügt das nicht? Haltet inne und kommt zu euch.


    Dass im Zen ein gesondertes Fokussieren des Geistes auf Vergänglichkeit nicht unbedingt vorgesehen ist, hat vor allem mit dem Aufgeben eines herkömmlichen Zeitkonzeptes zu tun (den Begriff der Fokussierung hat Sudhana ja schon hinlänglich beleuchtet). Huang Po definiert es so (Huang Po, Geist des Zen, 9):


    Zitat

    Alles unter über und um euch her ist nichts, als augenblicklich aus dem Geist geschaffenes Sein.


    In einem linearen Ablauf von früher zu später ist Vergänglichkeit DAS entscheidende Merkmal. Wenn du aber davon ausgehst, dass die einzige dir gegebene unmittelbare Wahrhaftigkeit der genau jetzige Augenblick ist und dass Vergangenheit und Zukunft nichts anderes als Vorstellungen/Erinnerungen in genau diesem Augenblick sind, verschiebt sich die Perspektive ein wenig.


    Stawrogin:

    Wenn das Sitzen NICHTS bringt, also kein Versprechen vom etwas "bekommen" wie evtl. Gemütsruhe. Springt mich eben jedes mal mein Geist an und sagt: Für was? Für was opferst du 30 Minuten deiner Zeit?


    Klar, wenn dir auf der einen Seite Erleuchtung versprochen wird und auf der anderen 'nichts', dann klingt Erleuchtung natürlich erstmal verlockender. Im Zen sollte aber klar sein, dass die Begriffe 'Erleuchtung' und 'nichts zu erreichen' gleichermaßen nah und fern von der Sache entfernt sind: Weil beide nur begriffliches Verstehen bedeuten können und das, worum es im Zen (und Vipassana) geht, sich im Rahmen dualistischen Denkens nur recht unvollkommen begreifen lässt. Ein Zustand, den du mit 'nichts zu erreichen' beschreiben würdest, kann man ebenso gut 'Weilen im Einen Geist' oder 'das Unbedingte' oder 'Schauen deines wahren Gesichts' u.s.w. nennen. Weil alle diese Begriffe mit verschiedenen Erwartungen und sonstigen Vorstellungen verknüpft sind, sind sie je nach Kontext mal mehr oder weniger gut geeignet, die Zenlehre zum Ausdruck zu bringen. Die Erwartungen sind in diesem Zusammenhang durchaus als eine Art Fallstricke zu betrachten; was du dir unter 'nichts zu erreichen' vorstellen kannst, wird der Sache mit Sicherheit ebenso wenig gerecht wie etwaige bombastische Fantasien über 'Erleuchtung'. Womit ich nicht behaupten will, das 'nichts zu erreichen' nicht bombastisch und 'Erleuchtung' nicht leer sei.


    Mit anderen Worten: Das, worauf die Praxis des Vipassana abzielt und das, worauf im Zen hingewiesen wird, läuft letztlich auf dasselbe bzw. denselben hinaus. Wenn du dich fragst: Wer ist aus meiner Sicht derjenige und einzige, der genau das erleben kann, dann spürst du vielleicht, worauf 'nichts zu erreichen' hindeutet.


    _()_
    Tai