Beiträge von fotost im Thema „Colin Goldner: Hinter dem Lächeln des Dalai Lama“

    Sherab Yönten:
    fotost:

    Auf der anderen Seite ist mir ganz einfach das Gemauschel mit den Mächtigen der Welt suspekt.


    Kann man nicht dieses Gemauschel als Spekulation oder Verschwörung bewerten?
    Dazu gibt es genauso wenig objektive Quellen.


    Natürlich steckt in der Wortwahl Gemauschel schon eine subjektive Betrachtungsebene.
    Wer ganz sicher sein will, daß bei anderen so eine Betrachtung überhaupt nicht aufkommen kann sollte sich einfach konsequent von Diktatoren und Gewaltmachthabern fernhalten. Oder bei gemeinsamen Fernsehauftritten 100% deutlich machen, daß man die Position des anderen vollkommen ablehnt und als Verbrechen gegen die Menschenrechte erlebt,


    Bei gewählten Regierungsmitgliedern ist so etwas manchmal nicht möglich. Der DL hat sich wiederholt als einfachen Mönch ohne politische Funktion bezeichnet, für ihn wäre es einfach, solche Begegnungen zu vermeiden.

    mukti:

    ...
    Die spirituelle Ausrichtung der tibetischen Gesellschaft hat meine ungeteilte Sympathie, während ich dem Feudalismus und allzu ausgeprägter Hierarchie argwöhnisch gegenüberstehe.
    ...


    Hallo mukti,


    magst Du erläutern, was für Dich in diesem Zusammenhang 'spirituelle Ausrichtung' bedeutet?


    Ich habe da sofort einige Assoziationen, aber das hat wahrscheinlich mehr mit meiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Vokabel 'spirituell' zu tun als mit Deinen Gedanken.

    Sherab Yönten:
    void:

    Aber während den meisten Leute im Westen natürlich die wechselhafte und ambivalente Geschichte des Papsttums vor Augen steht, wird ist einem die durchaus oft blutige Geschichte der Dalai Lamas vielen natürlich nicht so bewusst.


    Die sind mir tatsächlich nicht so bewusst. Kannst Du da näher drauf eingehen? Ich weiß, dass es in der tibetischen Geschichte mal einzelne Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Schulen gab. Im Großen und Ganzen waren das aber (nach meinem Kenntnisstand) friedliche Auseinandersetzungen und keine kriegerischen (blutigen). Jedenfalls keine kriegerischen in dem Sinne, dass sich einzelne Armeen gegenüberstanden.


    Blutig muß wohl nicht immer militärische Auseinandersetzung bedeuten.
    Ich fürchte, dies kann ein Sprung zurück im Thread sein vor die Stelle, wo die Frage nach der absoluten Beweisbarkeit einer Geschichtsschreibung angesprochen wurde.


    Wahrscheinlich würden Quellen aus der VR China auf gewaltsame Unterdrückung von Bauern, Tempelsklaverei und angebliche Folterkeller in Klöstern hinweisen und hunderte Fotos, Zeugenaussagen und andere Dokumente bringen.


    Was aber hat das mit dem DL heute zu tun? Der hat als 15Jähriger in Tibet sein Amt verloren. Auch wenn er als 4Jähriger formal Oberhaupt vieler Tibeter wurde, die dem Buddhismus folgten dürfte er kaum je die Chance gehabt haben, davon Gebrauch zu machen. Bis zu seinem endgültigen Exil 1959 war der immer noch sehr junge DL vollkommen vom Wohlwollen der VR chinesischen Machthaber abhängig.


    Der jetzige und vielleicht letzte DL muß ausschließlich unter dem Aspekt betrachtet werden, wie er sich als Mensch in relativer Freiheit verhalten hat und verhält.


    Ich bin in meiner Haltung durchaus gespalten. Einerseits ist seine Bereitschaft zum Dialog mit Vertretern anderer Lehren und zur Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften absolut positiv. Auf der anderen Seite ist mir ganz einfach das Gemauschel mit den Mächtigen der Welt suspekt.


    Wenn er in meiner Nähe eine Wohnung mieten möchte - bitte. Er würde wahrscheinlich ein netter Nachbar sein. Wenn vor seiner Tür ein paar Autos mit Mitarbeitern des CIA, der chinesischen Sicherheitsorgane und vielleicht der deutschen Polizei parken sorgt das vielleicht dafür, daß die Zahl der Einbrüche hier in der Gegend etwas geringer wird.. :grinsen:

    mkha':

    Hallo fotost,

    Zitat

    Wir haben eigentlich nur die Chance, das tatsächliche Verhalten von Personen (oder im Fall der jetzigen Machthaber in Tibet, von Regierungen) heute zu betrachten und mit unseren Vorstellungen zu vergleichen.


    Haben ich nicht auch ein Bild im Kopf, wenn ich das, was ist, mit meinen Vorstellungen vergleichen?


    Eigentlich sollte ich wenigstens 1000 Km in den Schuhen eines Einheimischen marschiert sein, in seinem Umfeld unter genau denselben Bedingungen gelebt und mich zudem mit den unterschiedlichsten Menschen des Landes unterhalten haben, bevor ich versuche, das Denken, die Lebensweise, das ganze Sein eines anderen Kulturraumes nachzuvollziehen.


    Ich würde das jetzt nicht so poetisch ausdrücken, aber in der Sache ist es richtig. Wahrscheinlich niemand hier im Forum dürfte nach Deinen Lriterien qualifiziert sein eine fundierte Meinung zur Situation in Tibet abzugeben.

    Wenn man ehrlich ist sollte man eingestehen, daß praktisch alle Aussagen zu den Verhältnissen in Tibet vor 70 Jahren oder noch früher sehr kritisch gesehen werden sollten. Zuviel der Deutungshoheit liegt bei Gruppen, die offensichtlich eigene Interessen haben.


    Die wenigen Berichte von fremden Reisenden aus dieser Zeit dürften auch nicht ganz neutral gewesen sein. Wer vor 100 Jahren eine Reise nach Tibet unternommen hat, ist diese Reise mit einem Bild im Kopf angetreten.


    Wir haben eigentlich nur die Chance, das tatsächliche Verhalten von Personen (oder im Fall der jetzigen Machthaber in Tibet, von Regierungen) heute zu betrachten und mit unseren Vorstellungen zu vergleichen.