Beiträge von Sudhana im Thema „Bhutan“

    kilaya:

    Danke. Knapp ein Jahr vor diesem im Juli 2015 gehaltenen Vortrag war auf zensplitter ein Artikel zu lesen, aus dem ich den Abschnitt über die angebliche 'Sinisierung' hier zitiere:


    Ergänzend scheinen mir hier noch einige Anmerkungen zur Nationalitätenfrage angebracht. Die tibetische Exilregierung agitiert seit Jahren mit dem Argument eines "kulturellen Völkermordes" (allein dieser Ausdruck ist mE eine Verhöhnung der Opfer tatsächlichen Völkermordes) gegen die Präsenz von Han-Chinesen in Tibet. Statistiken mit mehr oder weniger exakten Angaben über die ethnische Zugehörigkeit der Bevölkerung lassen sich bekanntlich nur mit einigem Aufwand erheben. Die einzige Stelle, die in Tibet dazu die Mittel und Möglichkeiten hat, ist derzeit die Regierung der Volksrepublik China und nach deren Angaben (Volkszählung von 2000) beträgt der Anteil der Tibeter an der Bevölkerung der Autonomen Region Tibet 92,8%. Der Anteil der Han (die vorwiegend in Lhasa konzentriert sind) beträgt 6,1%, der Rest sind (vorwiegend muslimische) Hui, Monba und einige andere. Das ist ein geringerer „Ausländer“anteil, als wir ihn hier in Deutschland haben. Man stelle sich vor, jemand würde auf Grund des Ausländeranteils in Deutschland von einem "kulturellen Genozid" am deutschen Volk sprechen ...


    Es wird seitens wohlmeinender westlicher Tibet-Unterstützer (die bei dem Ausdruck „kultureller Völkermord“ mit überschießendem Eifer schon einmal das „kultureller“ vergessen) häufig gar nicht verstanden, von welchem 'Tibet' seitens der tibetischen Exilregierung eigentlich bei den Klagen wegen einer Überfremdung die Rede ist. Nämlich nicht von der Autonomen Region Tibet, sondern von einem 'historischen Tibet', das auch erhebliche Teile der chinesischen Provinzen Qinghai, Sichuan, Yünnan und Gansu umfasst. Genauer gesagt zusätzlich zur Autonomen Region Tibet die früheren tibetischen Gebiete Amdo und das östliche Kham. Das sind Provinzen, in denen Tibeter in einzelnen (idR kulturell autonomen) Präfekturen die größte ethnische Gruppe bilden, insgesamt jedoch eine ethnische Minorität sind. Dies ist durch die Ausweitung der Proteste 2008 auch in diese Gebiete der Weltöffentlichkeit etwas bewusster geworden. Was dabei allerdings nach wie vor den Wenigsten bekannt ist - diese Gebiete waren seit 1720 auch beim besten Willen nicht irgendeinem wie auch immer gearteten tibetischen Staat mehr zuzurechnen. Damals hatte Kaiser Kangxi nach Vertreibung der dzungarischen Eroberer aus Tibet und Wiedereinsetzung des 7. Dalai Lama diese – übrigens schon damals gemischt besiedelten - Gebiete abgetrennt und sie direkt von Beijing regierten Provinzen zugeschlagen. Der tibetischen Exilregierung geht es also – so der Vorwurf Beijings - nicht nur um eine Revision der 'Annexion' von 1951, sondern um ein Tibet in den Grenzen von 1720. Dieser Vorwurf ist anhand der eigentümlichen Argumentation der tibetischen Exilregierung in der Nationalitätenfrage durchaus nachvollziehbar – und auch aufgrund der Tatsache, dass der Vorgänger des heutigen Dalai Lama nach dem Sturz der Quing-Dynastie versucht hatte, seinen Einfluss auf diese Gebiete mit militärischen Mitteln auszuweiten.


    Nimmt man nun dieses historische 'Großtibet' - fast doppelt so groß wie die nicht gerade kleine Autonome Region Tibet - dann kommt man tatsächlich insgesamt auf einen tibetischen Bevölkerungsanteil (nach offiziellen chinesischen Zahlen) von 49,8%. Die offizielle chinesische Statistik widerspricht also grundsätzlich gar nicht den Angaben (über 50% Nicht-Tibeter) der Exilregierung - diese spricht ja, wohlgemerkt, von dem historischen 'Groß-Tibet'. Mit einer solchen Zahl zu operieren, ist freilich meines Erachtens in etwa so seriös, als wolle man eine 'Überfremdung' Deutschlands mit einer aktuellen ethnographischen Statistik belegen, die jedoch auf den Grenzen Deutschlands von 1939 beruht.



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