Beiträge von void im Thema „Bhutan“

    kilaya:

    Darum geht es nicht. Es geht mir nur darum, dass es in der Bewertung der Geschehnisse bei den Dimensionen über die wir hier reden, schlicht egal ist ob irgendwo diese oder jene Zahlen stehen. Sicher ist, es waren zu viele Tote. Viel zu viele.


    Ursprünglich ging es ja um ein Zahl. Nämlich um die Aussage, dass in Tibet mehr Chinesen als Tibeter leben, wofür pamokkha einfach nur eine Quelle wollte .


    Worauf wir darauf kamen, dass es für die Ermittlung der Zahl wichtig ist das Leid der Tibeter angemessen zu würdigen. Und jetzt verstehe ich dich so, dass Angesichts des Leids wiederum die Zahl irrelevant ist. Wohl weil dir nicht bewusst ist, dass es pamokkha noch immer darum geht, ob die Aussage jetzt Quatsch ist oder nicht.


    Und es ist doch keine Herabwürdigung des Leids der Tibeter, wenn sie trotzdem noch mehr sind als die Han Chinesen.

    Axel:

    Da bin ich ganz Deiner Meinung. Wenn man aber die Idee eines Buddhismus als 'Staatsreligion' verfolgt, sieht das vielleicht ganz anders aus... ;)


    Auch in Japan gab es ja mal eine Zeit, wo der Vajrayana quasi als die Grundlage der Gesellschaft angesehen wurde: Die Idee war da die eines Mandalas: In der Mitte thront der Herrscher, der für Friede, Wohlstand und Ordnung steht. Und die "harmonische Ordnung" gegen alle Formen von Chaos verteidigt, sein es Naturkatastrophen, Seuchen oder User19823baren. Und so waren der vier Toren Kyotos ja auch wirklich die einzelnen tantrische Gottheiten zugeordnet und es wurden komplizierte Staatrituale durchgeführt, um den Sieg der heilsamen über die unheilsamen Kräfte sicherzustellen.


    Es hat ja was ganzheitliches und ästhetisch befriedigendes, religiöse Konzepte zusammen mit politischen und ästhetischen Ideen als eine Einheit zu sehen. Wo dann eben auch Spiritualität, Politik und Alltag zusammengefasst sind.


    Chravartin-Herrschaftkonzepte waren ja in vielen Ländern ( sagen wir mal Japan, Java, Sumatra, Kambodscha ) üblich und Bhutan war da ja noch eines der letzten Länder, die Reste einer Mahayana-Staatreligion hatte.


    Aber wenn Gesellschaften komplexer werden, differenzieren sich die Institutionen und ihre Eigenlogik immer mehr und sind nicht mehr unter einen Hut zu bringen. Es fächert sich in ganz unterschiedliche Bereiche auf: Politik, Wirtschaft, Privatleben, Religion, Justiz. (Und dort wo man versuchte, daraus eine künstlich eine Einheit zu schmieden, brauchte das so viel an Gewalt dass man es nicht mehr als ganzheitlich sondern als totalitär bezeichnet)


    Während Bhutan ja bis vor einiger Zeit noch wirklich ein sehr traditionelles Land war, wo sich das alles nicht so auseinanderbewegt und verkompliziert hat.

    kilaya:

    Ich meine es wäre vom "Bruttosozialglück" die Rede gewesen, als Gegenentwurf zum "Bruttosozialprodukt". Dass also der Staat nicht das Wachstum der Wirtschaft sondern das Wachstum des Glücks der Bevölkerung zum obersten Prinzip machen wollte. Was man meint wie das zu erreichen sei ist eine andere Frage.


    Es geht nicht so sehr um das Erreichen, sondern um die Definitionshoheit darüber was Glück so ist.


    Glück ist ein sehr vetrackter Begriff, weil Glück ja eben nicht nur Zufriedenheit und Wohlbefinden bedeutet, sondern eben auch ausdrückt, ob einem das "glückt", was man sich vornimmt. Und da kann es ja z.B bei einem Chinesen das höchste Ziel sein, sein Kindern eine höhere Bildung zu ermöglichen. Wofür man selber dann in Kauf nimmt zu schuften, sich keinen Urlaub nimmt. Aber wenn man sein Ziel erreicht hat, hat einen all die Entbehrung glücklich gemacht.


    Aber gerade so ein Erreichen selbstbestimmter Ziele ist in Bhutan nicht gemeint. Wenn man sich den Fragekatalog ansieht, so misst der eher so eine Gedeihen in den verschiedenen Bereichen: Wie sieht es mit der Gesundheit, wie mit der Spiritualität, wie mit der Teilnahme am kulturellen Leben. Die Untertanen sind wie Pflänzchen im Garten die nach Bedarf gedüngt und gegossen worden. Es wird nachgefragt, ob Sonne und Wasser vorhanden sind, aber eben nicht was man will.


    Also ein wenig so wie bei Eltern, immer nur das Beste für ihr Kind wollen, dabei dem Kind nicht zutrauen selber zu entschieden. Wenn das Kind selber entscheiden dürfte - so sagen sie- will der veblendete Fratz ganz viel Zuckerwatte oder ganz viel Party oder einen Irokesenschnitt. Während man selber natürlich besser als das Kind weis, was das Beste ist: Wenig Zuckerwatte, keine Zigaretten, früh ins Bett, vielleicht ein Instrument lernen, ein ordentlicher Haarschnitt und vielleicht ein Job bei der Bank.


    Ich kann mir vorstellen, dass sich der König von Bhutan als so ein Landesvater sieht. Un villeicht blickt man mit grauen auf die westlichen Gesellschaften und sieht sie als eine an, in der die Kinder uund ihre infantielen Wünsche an der Macht sind: Wo man raucht und miese Filme schaut bis spät in der Nacht. Wo man sinnlos mit dem dem Auto rumknattert, das Geld für bunten Firelfanz rauswirft und die Umwelt verkommen lässt und die prächtige Tracht im Schrank vergammelt. Und ist nicht der kapialistische Markt der johlend um die Welt zieht und ausbeutet und auslaugt nicht so eine Bünderlung kindlicher, unreifer Wünsche?


    Dem setzt man ein Konzeption von Glück entgegen, wo jedes Pflänzchen korrekt gegossen und gedüngt wird, so das es gedeiht.

    mukti:

    Vielleicht hat diese Volksgruppe das Streben nach dem Nationalglück nicht mitgetragen und irgendwie gestört? Selbstschutz wäre ja legitim, sogar im Orden des Buddha wurde man bei bestimmten Vergehen ausgestoßen.


    Nun ist es ja erstmal so, dass die Vertreibungen in den 90ziger Jahren erfolgte, während die Idee vom Bruttosozialglück erst 2009 aufkam.


    Aber du hast insofern recht, als die Tendenz sich einer Assimilerungspolitik zu entziehen, wohl als ein Nicht-Mittragen empfunden wurde.


      Eine Volkszählung im Jahr 1980 ergab ein Anwachsen des nepalesischen Bevölkerungsanteils auf über 50 Prozent. Dies löste in der herrschenden Schicht Bhutans die Befürchtung aus, dass die traditionelle tibeto-buddhistische Kultur des Landes überfremdet und die Monarchie durch eine von der nepalesischen Bevölkerungsgruppe getragene Demokratie gefährdet werde.
      Bhutan


    Die Idee eines "Nationalglücks" klingt unschuldig, aber es geht da ja nicht um ein Individualglück ( wie im amerikanischen "pursuit of happiness" ) sondern um ein "Kollektivglück", in dem die Abgrenzung des Kollektivs deswegen implizit enthalten ist. Während beim "pursuit of happiness" jeder für sich definiert, welches Glück er so sucht, wird hier die Idee was Glück zu sein hat von der Regierung vorgegeben und die Bewahrung des Glücks ist eng mit der Bewahrung des Kollektivs und der Kultur verbunden.


    Dass "Tabak" und "Fersehen" als schädlich definiert und verboten wurden können ja viel noch nachvollziehen. Aber die Leute wurden natürlich auch gezwungen in der Öffentlichkeit eine traditionelle Tracht zu tragen, um ihre traditionelle Identität zu betonen. Und so wurden auch die Nepalesischen-Bhutaner gezwungen die Bhutan-Tracht zu tragen und sie wurden in der Ausübung des Hinduismus behindert.


    Insofern versucht wurde homogenes Bhutan-Volk mit einheitlicher Tracht und Religion zu schaffen, wurde natürlich alles was dem entgegenstand, sei es das beharren darauf sich anders zu kleiden, Demokratie einzufordern oder eine andere Religion zu praktizieren ( sei es Hinduismus oder Christentum) als ein "nicht mitragen" gesehen, dass dann den Entzug der Staatbürgerschaft und dem damit verbundenen Glücksversprechen nach sich zog.

    Axel:

    Ich glaube nicht, dass das so einfach ist und möchte deshalb noch einmal auf den Link von Void verweisen:


    Hier noch der Wikipedia Eintrag:
    Lhotshampa

    kilaya:

    Aber in Bhutan reden wir von einem Anteil von 20-25% der Bevölkerung, die einfach so über die Grenzen gekommen sind und sich angesiedelt haben.


    Die Migration geht ja schon seit Ende des 19.Jahrhunderts, auch weil es in Nepal so viel Armut gibt. Mir ging es auch nicht darum Bhutan speziell zu verurteilen. Sondern eher darum zu zeigen, dass Bhutan eben kein "Glückshort" ist, sondern es da konkrete Vorstellungen gibt, wer teilhaben soll und wer nicht.

    Das Glück der einen ist das Unglück der anderen.


      In Bhutan, einem winzigen Königreich im Himalaya, steht das Glück der Menschen in der Verfassung. Doch das Land hat eine dunkle Vergangenheit. 100 000 Menschen hat der König vertrieben, noch heute leben Tausende in Lagern in Nepal.
      Vertrieben aus dem Land des Glücks