Beiträge von Sudhana im Thema „Karlfried Graf Dürckheim“

    Um auf den oben eher beiläufig erwähnten Bieber etwas deutlicher hinzuweisen: einen lesenswerten biographischen Abriss Dürckheims bis zum Jahr 1938 findet man in:


    Hans Joachim Bieber
    SS und Samurai
    Deutsch-japanische Kulturbeziehungen 1933 - 1945
    Hrsgb. Deutsches Institut für Japanstudien der Max Weber Stiftung,
    Monographien Band 55
    IUDICIUM Verlag GmbH München 2014
    ISBN 978-3-86205-043-7


    - speziell in Kap. VIII, Abschnitt 3.5. Exkurs: Der Weg Dürckheims nach Japan (S. 597 - 610). Der freiwilligen Kriegsmeldung wird dort allerdings nicht mehr als ein Halbsatz gewidmet; sie war in der Tat nichts Besonderes (vielmehr der Normalfall) und daher weniger von Interesse als die nachfolgende akademische Karriere des SA-Mitglieds mit nichtarischer Großmutter. Da wäre es durchaus interessanter gewesen, Herrn Dürckheim nach seinen Motiven zu befragen.


    Die nationalsozialistische Propagandatätigkeit Dürckheims in Japan behandelt insbesondere Abschnitt 5.1. des Kapitels X (S. 738 - 744). Einige Hinweise zur Nachkriegszeit (und auch zu Maria Hippius, allerdings insbesondere zu deren erstem Ehemann) finden sich im Epilog, Abschnitt 6. Exkurs: Gundert und Dürckheim / 6.2. Dürckheim (S. 1150 - 1164).


    Bedenklich ist weniger die verhältnismäßig zeit- und sozialtypische Verstrickung Dürckheims in den Faschismus; vielmehr deren Ausblendung in der Legende nach 1945, an der auch Dürckheim selbst fleißig mitgestrickt hat. Anders als Gundert schien Dürckheim nach 1945 merkwürdig lernresistent. Statt einer eigenen Beurteilung hier ein längeres Zitat von Bieber (ohne die - reichlichen - Fußnoten), das meine Empfindungen nach der Lektüre recht gut zusammenfasst:

    Zitat

    Mit der Aufhellung dieser biographischen Hintergründe soll keineswegs insinuiert werden, Rütte sei ein Ort gewesen, an dem nationalsozialistisches Gedankengut in neuer Verpackung oder Mixtur verbreitet worden sei. Dürckheim war es gewiss ernst mit Zen-Buddhismus und Spiritualität, und er hätte schwerlich eine große Zahl von Schülern, denen es ebenfalls ernst hiermit war, um sich gesammelt, wenn er nicht ein überzeugender Lehrer gewesen wäre. Entsprechendes dürfte für Maria Hippius gelten. Nur konnten Lehren und Exerzitien der Ich-Losigkeit und der Überwindung der Grenzen des individuellen Bewusstseins nach den Erfahrungen zwischen 1933 und 1945 nicht mehr als politisch unschuldig gelten, selbst der Zen-Buddhismus nicht. Japanische Zen-Buddhisten haben sich für die Rechtfertigung der Invasion Japans in China und den pazifischen Krieg durch buddhistische Organisationen Japans vor 1945 später entschuldigt, allerdings erst vierzig Jahre nach Kriegsende. Von Dürckheim ist ähnliches in Bezug auf seine Wirksamkeit vor 1945 nicht bekannt geworden. Es mag durchaus sein, dass er während seiner Zeit in Japan neben seiner Propagandatätigkeit intensive Erfahrungen mit Zen-Meditation gemacht hat und dass sie die politischen Überzeugungen, mit denen er nach Japan gekommen war, allmählich überlagerten, zumal nach dem katastrophalen Ende erst des Nationalsozialismus, dann des japanischen Imperialismus. Umso glaubwürdiger hätte er über die Gefahren politischen Missbrauchs der Ich-Losigkeit , die ideologischen und politischen Fallstricke der Ganzheitspsychologie und über "Wandlung" sprechen können, umso mehr, als die 50er und 60er Jahre nicht zuletzt daran litten, dass die meisten Mittäter und Mitläufer der Jahre 1933-45 schwiegen und weder sich noch der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegten. Auch dies hätte eine "zweite Geburt" bedeuten können und einen Schritt zur Reife und zur "Haltung", die er predigte.


    Doch dies geschah nicht. Vielmehr spaltete Dürckheim, während er in hohem Ton von Wahrheit und Ganzheit auch im Sinne persönlicher Integrität sprach, einen Teil der eigenen Biographie ab, verdrängte ihn und brachte in eigener Sache den Mut zur ganzen Wahrheit nicht auf. Kritische Nachfragen scheinen ausgeblieben zu sein, auch Recherchen zu seiner Vergangenheit, obwohl sie leicht möglich gewesen wären und rasch hätten fündig werden können. Auch dass Dürckheim noch immer Sympathien für Julius Evola zeigte, der mittlerweile bei italienischen Neofaschisten und deutschen Rechtsradikalen hoch im Kurs stand, und ihn sogar in Rom besuchte, erweckte anscheinend keinen Anstoß, obwohl es kein Geheimnis war. Ob es unter seinen Anhängern eine Tendenz gab, sich als Elite und geistige Aristokratie, gar als Orden zu verstehen und die Demokratie als politisches System abzulehnen, wie es unter Evolas Anhängern der Fall war, muss offen bleiben. Deutlich ist nur, dass sie eher eine Glaubens- als eine Diskursgemeinschaft bildeten. Bezeichnend hierfür ist, dass einer von Dürckheims ältesten und namhaftesten Schülern, als Dürckheims erster Biograph Spuren von dessen politischer und publizistischer Tätigkeit im Dritten Reich entdeckte, apodiktisch befand, beim Verhältnis Dürckheims zum Nationalsozialismus könne es sich nur "um ein Nicht-Verhältnis" handeln. Nur der nüchterne Seckel, der Dürckheim in Japan erlebt hatte und in den 60er Jahren zu einer international geachteten Autorität auf dem Gebiet der ostasiatischen Kunstgeschichte aufstieg, scheint ein Gespür dafür gehabt zu haben, wes Geistes Kind Dürckheim nach wie vor war, vielleicht weil er wusste, welch braunen Hintergrund dessen Spiritualität hatte. Er mied jeden Kontakt mit ihm und erinnerte noch Jahre nach Dürckheims Tod in einem Interview an dessen nationalsozialistische Propagandatätigkeit während des Krieges. Bis an sein Lebensende konnte er in Rage geraten, wenn er auf den Grafen angesprochen wurde.
    (a.a.O. S. 1163 f.)


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