Beiträge von Doris im Thema „Was ist authentischer Buddhismus?“

    Ach, Gott, hedin!
    Wir sind einer Meinung.


    Zitat

    Genau, ich wiederhole mich, weil es so wichtig ist: deshalb ist es notwendig dass man auf die eine ursprüngliche, authentische Buddha-Lehre zurückgreifen kann.


    Vielleicht könnten wir uns da ein wenig näherkommen?
    Ich formuliere das um, einverstanden?


    Deshalb ist es notwendig dass man auf eine gemeinsame Überlieferung zurückgreifen kann, die wir als die ältesten Quellen anerkennen.


    Es ist Stille Post, also mündliche Weitergabe, von Person zu Person.
    Hätten wir Tonaufnahmen der Reden und würden diese niederschreiben, dann würde es sich um Transkription handeln. Das ist es aber nicht.
    Und da die mündliche Überlieferung nicht einfach eine Weitergabe von auswendig gelernten Sätzen ist, sondern durch eigene Erfahrungen verifiziert wurde, ist sie wohl inhaltlich korrekt. Sollte der Buddha – im Falle, dass es tatsächlich seine Reden waren – ein paar andere Formulierungen verwendet haben, so würde das keine Rolle spielen, da der Inhalt durch die Verifizierung der Überlieferer und derjenigen, die an der Kanonisierung beteiligt waren, korrekt wiedergegeben wurde. Und das können wir bis heute verifizieren. Durch unsere "Nachfolge".


    Im Mahayana bezieht man sich ebenso auf die Sutren. Ich kenne nicht viele Kommentare aus dem Vajrayana, aber diejenigen, die ich kenne, also alte Schriften, beziehen sich auf den Kanon und verweisen auf ihn, belegen ihre Kommentare mit Stellen aus den Sutren. So wie wir hier auch verfahren.


    So wie ich die Begriffe "Hinayana" und "Mahayana" gelehrt bekommen habe, gibt es keine Herabsetzung. Ganz im Gegenteil: ohne Hinayana, kein Mahayana. Es gilt als schwerer Verstoss gegen die Gelübde, den Hinayana herabzusetzen und auch andere Traditionen sind unbedingt zu achten und zu respektieren. Theravada ist für uns nicht Hinayana.
    Im übrigen denke ich, dass wir unter "Hinayana" und "Mahayana" was anderes verstehen. Das wurde schon öfter im Forum diskutiert. Ich denke, es könnte einer Neuauflage dieser Diskussion bedürfen.

    jianwang:

    Nun werd ich Korinthenkakker :grinsen:


    Immer noch besser als Dünnbrettbohrer … (: (Ist nur ein Kalauer, weil mir danach ist.)


    Lieber hedin, der Vergleich hinkt.
    Rein samsarisch gesehen: Es wird nie Bretter gleicher Länge geben. Das müsste dann auf subatomarer Ebene so sein. Bisher gelingt das nicht.


    In Bezug auf den Buddhismus (bleiben wir bei dieser konventionellen Bezeichnung), passt das gar nicht. Die Schriften sind keine Gebrauchsanleitung für den Bau eines Computers, sie sind kein Handbuch. Menschen sind keine Computer und niemals baugleich. Der Kanon ist keine Software für baugleiche Computer. Mir scheint, Du suchst nach einem Quellcode – an der falschen Stelle.


    Der Kanon ist eine Sammlung von Überlieferungen, die 500 Jahre nach dem Tod des vorgeblichen Sprechers rein aus der Erinnerung der Nachfahren der Nachfahren der Nachfahren … also als Stille Post niedergeschrieben wurden. Von daher schon mal keine "Authentizität".
    Der Inhalt des Kanons, also der niedergeschriebenen Überlieferungen, kann durch Erfahrung verifiziert werden. Das ist möglich, weil diejenigen, die den Kanon zusammengestellt haben, den Inhalt selbst verifiziert haben. Dadurch ist aber naturgemäß gefiltert und verändert worden, fand schon Interpretation statt.
    Alle folgenden Interpreten des durch Interpretation zusammengestellten Kanons haben wiederum weiter interpretiert und damit verifiziert, auf ihre genuine Weise. So entstanden die verschiedenen Richtungen. Und sie entstehen täglich neu, mit jeder Interpretation, mit jeder Erfahrung. Dem kann man nicht entkommen.


    Es gibt nichts zum Festhalten. Ein Orientierung bestenfalls.

    jianwang:

    Doris
    Irgendwie steh ich auf dem Schlauch. :?
    Schöne Geschichte, doch ich verstehe den Zusammenhang nicht zu Sinnesgefühl versus Bewusstheit.
    _()_


    Die Geschichte fiel mir zum Thema "Was ist authentischer Buddhismus ein?".

    Mir fällt zu dem Thema folgende kleine Geschichte* ein, die der eine oder andere sicher kennt:


    Ein großer Gelehrter und Meister hörte von einem alten Fischer, der eine hohe Verwirklichung und Weisheit erlangt haben soll. Voller Neugier machte er sich auf den Weg um diesen zu besuchen und sich das mal anzusehen. Der alte Fischer wohnte auf der Insel inmitten eines Sees. Also ruderte der Meister mit einem Boot über den See auf die Insel. Der Fischer war hocherfreut über den Besuch eines so berühmten Meisters, verneigte sich und bewirtete ihn, mit dem Wenigen, das er hatte. Der Meister und der Fischer verbrachten einige Zeit miteinander und führten lange Gespräche miteinander. Am Ende fragte der Meister den Fischer, wie er denn meditieren und rezitieren würde und der Fischer zeigte es ihm. Da sagte der Meister: "Guter Freund, das geht aber so und so." Der Fischer war bestürzt, weil er all die Jahre falsch praktiziert hatte und bat den Meister ihm die richtige Weise zu zeigen. Der tat das, und der Fischer bedankte sich überschwänglich dafür. Bald wurde es Zeit und der Meister verabschiedete sich, bestieg sein Boot und ruderte ans Ufer des Sees hinüber. Als er sich auf halbem Weg befand, hörte er ein lautes Rufen: "Meister, Meister! Warte! Ich habe schon wieder vergessen wie ich richtig praktizieren soll. Bitte, warte und zeige es mir noch einmal" Da drehte sich der Meister um und sah den Fischer heftig mit den Armen winkend über das Wasser auf das Boot zulaufen. Als dieser bei ihm angelangt war und seine Bitte wiederholte, verneigte sich der Meister vor dem Fischer und sagte zu ihm: "Mach nur so, wie du es bisher gemacht hast."


    * von mir aus der Erinnerung nacherzählt

    hedin02:

    Was ist authentisch?

    Authentisches bezieht sich immer auf „Vergangenes“ und sucht in der Gegenwart „Gleiches“


    Wie passt das mit der alten Weisheit zusammen, dass man nie in denselben Fluss springen kann?


    Wenn ich selbst schon nicht dieselbe bin wie zu Anfang dieses Posts, wie könnte ich dann an die Existenz von etwas Gleichem glauben? Ich meine, es gibt höchstens etwas "Vergleichbares", "Ähnliches" …


    Beispiel Musik: Nicht einmal die Historische Aufführungspraxis bringt was Gleiches hervor. Selbst wenn es eine CD mit dem Original-Klavierspiel Beethovens der Mondscheinsonate gäbe (ist das nicht ein hübsches Zen-Beispiel 8) ), dann wäre es nichts Gleiches, nur Töne, erzeugt von einer Konserve plus Abspielgerät.


    Kurz und gut: Ich bin nicht überzeugt. Aber nur zu, ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Vielleicht ist der Knoten in meinem Kopf.

    void:
    kal:

    was gibt es authentischeres als eine tiefgründige Erfahrung?


    Auch eine Entführung durch Aliens kann ja für jemand betroffenen als unendlich tief und bedeutsam erlebt werden. Es muss nichts oberflächliches sein sondern kann das ganze Leben verändern.


    Aber all dieses tiefe Empfinden hindert einen nicht, sich zu irren. Auch Illusionen gründen ja tief in uns.


    Sicher.
    Die Erfahrung ist aber authentisch. Auch wenn man meint, von Aliens entführt worden zu sein.

    Das sind aber keine Denksysteme, die sich dann rational und mit Logik aufdröseln und erklären lassen.


    Es geht um Mythen, um Metaphern, Symbole, Allegorien usw. Wer diese mit "weltlicher" Logik erklären möchte, muss unweigerlich scheitern. Niemand versucht die griechische Götter- und Sagenwelt auf diese Weise zu erklären. Dennoch ist sie wahrhaftig. Es geht also nicht um Wahrheit, sondern um Wahrhaftigkeit. So erschließen sich diese Systeme.


    Vieles gehört sicher auch in den Bereich der Phantasie.


    Letztendlich stellt sich für mich immer nur eine Frage: Was ändert das an meiner Praxis?

    Für mich stellt sich diese Frage nicht.


    Wissenschaftlich gesehen ist sie nicht zu beantworten. Streng genommen hört "authentischer Buddhismus" mit dem Tod Buddhas auf.
    Genau gesehen, haben nicht einmal die Zeitgenossen und Jünger des Buddha "authentischen Buddhismus" praktiziert. Das konnte eben nur Herr Gautama selbst.


    Für mich geht es eher um ein "in Sinne von". Und da gibt es eine riesige Bandbreite. Jeder einzelne Mensch, jeder Lehrer, jeder Begründer eine Linie, hat seinen eigenen Buddhismus. Das ist gut so. Der Mensch ist anders, jede Epoche ist anders, jede Kultur ist anders, jede Situation ist anders …


    Der wichtigste Teil der Lehren des Buddhas besteht für mich darin, dass alles im Geist entsteht. Das ist die Grundlage für alles, darauf fußt alles weitere. Der Rest ist rein pragmatisch: "Wie gehe ich mit dieser Erkenntnis in positiver Weise für mich und meiner Umwelt um."
    Also gibt es eine Vielzahl von Rezepten. Man kann sich was aussuchen, was einem behagt und dann muss man einen Weg finden, dies in sein Leben zu integrieren. Das wird immer individuell sein, egal wie nah man sich an einer Tradition orientiert.
    Es könnte sein, dass man das als "authentischen Buddhismus" bezeichnen könnte. Aber ist ohnehin egal.
    Einziges Kriterium für den Buddhismus-TÜV ist: "An ihren Werken sollt ihr sie erkennen."


    Ehrlich gesagt, finde ich es befremdlich, wenn jemand nach "authentischem Buddhismus" strebt. Als ob es darum ginge …