Beiträge von Schroedinger im Thema „Eine Bitte an die "Gesetzeseifrigen": Pali-Kanon für Halberleuchtete. Wo und wie anfangen?“

    Der Palikanon im Netz hat auch eine Übersicht zu jedem Sutta, mit Kurzform zum Inhalt. Das ist die alte Webseite mit der Übersetzung von Neumann. Es gibt auch auf der Hauptseite eine Einführung.
    http://www.palikanon.de/majjhima/majjhima1.htm


    Die Seite, die alle Übersetzungen aufzeigt:
    http://www.palikanon.com/index.html
    http://www.palikanon.com/majjhima/majjhima1.htm


    Und dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sich da durch zu arbeiten.

    Sudhana:
    Tychiades:

    Deshan kam auf den Trichter, aber nicht von selbst. Es bedarf immer eines Anstoßes, wie auch beim 6. Patriarchen. Wie du ja selbst mal hier schriebst, durch das Studium, das Lesen von Schriften, erwacht einer nicht.


    Ich denke, die Problematik lässt sich sehr gut als map–territory relation beschreiben. Inklusive des psychologischen Aspekts, dass Menschen dazu neigen, die 'map' für das 'territory' zu halten.


    Korzybski hat ja auch gesagt: the word is not the thing. Wir haben es mit Fakten und ihren Repräsentationen im Geist zu tun. Die Landkarte ist ein Fakt (Ding) aber sie bildet ein anderes Faktum ab. Das Wort ist ein Faktum, bildet aber auch ein anderes Faktum (Ding) ab. Es gibt dazu eine Reihe von Beispielen im Zen, wie die Frage von Pai-chang Huai-hai mit der Wasserflasche (Fall 40 Mumonkan). Genau darum geht es mit dem "Anstoß" - weil das Diamantsutra sowohl Faktum als auch Repräsentation der Erleuchtung ist - also eine Realisierung - kann es in dieser Weise ein Anstoß sein, wenn sich die Ebene des Faktum öffnet. Hui-neng hat sich da wieder erkannt, bzw. der Ausdruck den er hörte, entsprach seinem Geist, repräsentierte diesen Zustand. Das versetzte ihn wahrscheinlich in großes Erstaunen, sowie einem die Augen aufgehen.


    Zitat


    Das Paradigma 'the map is not the territory' entwertet natürlich nicht die 'map' - nur ist deren entscheidendes Kriterium 'usability', Nützlichkeit, und nicht Wahrheit (was hier, um im Bild zu bleiben, absolute Genauigkeit wäre).


    Eine Landkarte ist nichts anderes als eine Datenübertragung und es entspricht genau dem heutigen Problem von Datensammlungen und wirklicher Abbildung. Das ist wohl auch der Punkt bei der Sprache. Dabei geht es immer um Wahrheit - denn die Nützlichkeit hängt davon ab, wie meine Abbildung der Wahrheit (=Wirklichkeit) entspricht. Dabei gibt es Grenzen - ich kann Wirklichkeit nicht wirklich ( :) ) abbilden, ich muss immer eine Reduktion machen. Aber diese Reduktion kann wahr sein. Und da ist eben genau die Landkarte das Beispiel - sie ist nämlich dann nützlich, wenn sie wahr ist.


    Zitat


    In diese Richtung geht natürlich auch Nāgārjunas Konzept der zwei Wahrheiten (saṃvṛti-satya und paramārtha-satya) - die Wahrheit, die sich in Sprache fassen lässt, repräsentiert nicht Wirklichkeit; sie ist notwendig lediglich intentional. Notwendig, weil es keine Strukturgleichheit von Wirklichkeit (Śūnyatā / Pratītyasamutpāda) und Sprache gibt. Eben die Begrenztheit der Sprache zu überwinden ist ja der Grund, warum im Chan / Zen eine Didaktik nonverbaler Unterweisung entwickelt wurde.


    Die Wahrheit, die sich in Sprache fassen lässt, ist nicht die ganze Wahrheit. Für mich gibt es keine zwei Wahrheiten, aber es gibt eben Wahrheit und Lüge. Und das hängt eben mit Gedanken zusammen. Wilfred Bion meinte dazu - wahre Gedanken, brauchen keinen Denker. Das Faktum - der Schlag mit dem Stock - ist wahr, ist evident. Und nur deshalb gibt es im Zen diese Art der Unterweisung - nicht bloß aus didaktischen Gründen - sondern spontan als eine Realisierung.


    Zitat


    Wobei man sich bei Deshan schon fragen kann, ob da jemand nicht einfach von einem Extrem ins andere gefallen ist - ob es wirklich hilfreicher ist, sein Publikum mit dem Stock zu verprügeln als ihm das Diamantsutra auszulegen.


    Ja - es ist hilfreicher, dem anderen einen Schlag zu versetzen, als das Diamantsutra auszulegen. Letzteres kann man immer machen, erstes ist eine einmalige Sache, das berühmte "Kehrwort" im Zen.
    Das setzt die unmittelbare Begegnung voraus - und das ist m.E. wesentlich. Wenn das Sutra die Kraft hat, dich zu wenden - dann ist es natürlich ein gleichwertiges Faktum, wie das Lächeln.

    Sudhana:
    Tychiades:

    Ich hab' es mir inzwischen auch angesehen. M.E. entspricht es dem Begriff des Pharisäers im jüdisch-christlichen, d.h. Leute, die eben die Lehre auslegen und den anderen sagen, was Sache ist.


    Gute Parallele - auf die, die auf die jhāyī bhikkhū herabblicken und ihnen "sagen, was Sache ist", passt das sicher. Eine entsprechende Bezeichnung für umgekehrt jhāyī bhikkhū, die auf die dhammayogā bhikkhū herabblicken, fällt mir jetzt nicht ein.


    Vielleicht fällt es dir später noch ein. :)
    Mir kommt da einfach der Mönch Luther in den Sinn. Und klar doch - der säkulare Buddhist Batchelor.



    Ja - Deshan kam auf den Trichter, aber nicht von selbst. Es bedarf immer eines Anstoßes, wie auch beim 6. Patriarchen. Wie du ja selbst mal hier schriebst, durch das Studium, das Lesen von Schriften, erwacht einer nicht. Und gerade der 6. Patriarch ist dann zum 5. P. gewandert und ist ihm auf Augenhöhe begegnet - allein dessen Größe hat dem merkwürdigen Typen aus dem Süden stand gehalten. Das macht m.E. auch Zen aus: die Bereitschaft zur spontanen Aktion, ganz gleich, was andere darüber denken und sagen.
    So wie es heißt: Dein Leben zu bewahren ist eben das, was du töten musst!
    Es vollständig zu töten ist der Anfang eines Lebens in Frieden. (Zen Sand 10.171)

    Sudhana:


    "Der Lehrdarlegung verbundene Mönche" oder "sich der Lehrdarlegung widmende / hingebende Mönche" gibt den Sinn also mE besser wieder als das für meinen Geschmack künstlich archaisierende "gesetzeseifrig".


    ()


    Ich hab' es mir inzwischen auch angesehen. M.E. entspricht es dem Begriff des Pharisäers im jüdisch-christlichen, d.h. Leute, die eben die Lehre auslegen und den anderen sagen, was Sache ist.
    Dabei fehlt dann oftmals die Erfahrung, die der Lehre zugrunde liegt - als Beispiel finde ich da diesen Kommentartor vom Diamantsutra, Deshan Xuanjian, der auf eine "einfache" Frage einer Reiskuchenverkäuferin nicht antworten konnte.

    Andreas:

    Zu 2) Ich habe also offenbar mein "Wissensbein" zu lange nicht bewegt und der resultierende Spagat gelingt mir nicht. Ich laufe also Gefahr, auf's Maul zu fallen, weil ich möglicherweise meine eigene Buddhismus-Interpretations-Verblendung für Buddhismus halte.


    So beginnt es. Man spürt, dass was fehlt. Mir jedenfalls ist es so ergangen. Nach einigen Jahren der Praxis - kam ich zum DBU-Forum und meine Lücken wurden mir - und ganz sicher auch den anderen - sichtbar. Da hilft dann nur mit hängender Zunge Studium, Studium, Studim.

    Zitat


    Aber nun zu meiner Bitte an Euch: ich möchte gern mein "Wissens-Bein" nachziehen, und weiß nicht, wo anfangen? Klar, ich habe im Pali-Kanon gelesen, mal hier, mal dort, mir was daraus zusammengesucht, was gerade interessant war und auf der Oberfläche trieb. Aber wie nähert man sich dem systematisch? Verstehen-wollend? Lernen-wollend? Anfänger-geistig?


    Ich habe mich unsystematisch dem gewidmet. Das ist aber auch meine persönliche Art der Herangehensweise, wenn ich nicht gerade damit einen Abschluss "Dr. Buddhist" anstrebe. Ich vergleiche das mit Angeln. Das Netz bietet da jede Menge Möglichkeiten. Und Sudhana hat ja schon Beispiele erwähnt.
    Auf den Textstil der Sutten muss man sich natürlich einlassen. Das ist wie mit dem Shobogenzo. Die Sutten haben eine recht einfache Struktur und ich sehe mir diese zunächst an, was mir sehr hilfreich ist. Dann schrumpfen die Texte ziemlich zusammen. Die Begriffe sind schwieriger, aber mit der Zeit baut sich Verständnis auf.

    Zitat


    Es hat jetzt auch keine fürchterliche Eile, ich hab' hier noch ein Shobogenzo-Projekt laufen, das mich sicher noch ein paar Monate beschäftigen wird.


    Das begleitet dich von nun an und hat keine Ende. Das Studium ist ja eine Form der Vertiefung.


    Zitat


    Aber wenn das durch ist, würde ich gern mal "richtig" an die buddhistischen Grundlagentexte gehen, und weiß nicht, wie. Einführungsbücher? Die sind ja direkt schon wieder interpretatorisch geprägt, fürchte ich. Oder 'rein ins Vergnügen und den PK direkt angehen? Aber wo und welchen? Der Reihe nach? Von kurz nach lang? Von früh nach spät? Der Nase nach? Oder...?


    Die ersten 100 Sutten der Mittleren Sammlung sollte man schon gelesen haben.