Beiträge von Karnataka im Thema „Mythen“

    void:

    Eine Funktion, die Mythologien haben ist, dass sie prototypisch Verahaltensmuster für die Leute hergeben. So orientiert sich dann der Wikingerhäuptling an den alten Sagas. Und zwar sowohl bei den für uns nachvollziehbaren Sachen, wo es um Grosszügigkeit und Ehrfurcht gegenüber den Göttern geht hin zu den für uns unmenschlich anmutenden Sachen, wo es darum geht die Feinde zu dezimieren und ihre Frauen zu rauben. Oder eben Homosexuelle im Moor zu versenken. Das ist alles aus einem Guss: Auf der einen Seite ist das was erhaben und göttlich ist ( und um diese Erfahrung etwas "Erhabenes" zu haben, beneiden wir Bewohner einer entzauberten Welt die Alten) aber dieser steht auf der anderen Seite das Anti-Erhabene Verachtete gegenüber.


    Selbst bei der Quellnymphe ist es ja so, dass die ihr entgegengebrachte Verehrung nicht umsonst zu haben ist. Einen "heiligen reinen Bereich" zu etablieren, bedeutet die Heiligkeit zu schützen und eben den Frevler zu bestrafen. Einmal an den falschen Baum gepinkelt und das Leben ist verwirkt.


    Besonders der Missbrauch durch totalitäre Propaganda brachte die erhabene Empfindung und den Mythos in Verruf. Wie sehr sich die Empfindung des Erhabenen und der Ehrfurcht, der Glaube an einen heiligen Willen und das beglückende Gefühl, Teil einer größeren Kraft zu sein, zur Manipulation eignen, machen beispielsweise die Propagandafilme von Leni Riefenstahl deutlich. Der Mythos von der arischen Lichtgestalt und dem jüdischen Bazillus wurde von der damaligen Wissenschaft mitgetragen.


    Dabei sollte nicht unterschlagen werden, dass der Nationalsozialismus echte Begeisterung und immense Kraft schuf. Thomas Mann äußerte im Rückblick zu den frühen 30ern: Man soll nicht vergessen und sich nicht ausreden lassen, dass der Nationalsozialismus eine enthusiastische, funkensprühende Revolution, eine deutsche Volksbewegung mit einer ungeheuren seelischen Investierung von Glauben und Begeisterung war.
    Österreich sieht sich ja als besondere Kulturnation. Kann man auch hier von einem Mythos sprechen? In Wahrheit ging viel an gerechtfertigter Bedeutung mit der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung dahin.


    Zu Mythen im Sinne von gemeinschaftsstiftenden Erzählungen und Bildern fällt mir auch Mutter Teresa ein. Heiliggesprochen gilt sie und ihr Handeln vielen Gläubigen als bewundertes Vorbild. Kritiker ihrer Person würden allerdings von einem zweifelhaften Mythos sprechen. Wie dem auch sei, hilft dieser Mythos Gläubigen, sich für das Wohl ihrer Mitmenschen zu engagieren. Hier könnte man also von der positiven Wirkung eines Mythos sprechen - sofern man der katholischen Kirche nicht feindschaftlich gegenübersteht.


    Gibt es auch einen Mythos um die Person des Dalai Lama? Verlässt auch einen Tenzin Gyatso mitunter mal die Geduld und eine Kleinigkeit lässt ihn kurz ausrasten – ganz im Gegensatz zum Mythos des Erleuchteten? Ist es aber wichtig, darüber so genau Bescheid zu wissen? Seine Lehre und sein Lebenswerk drücken tiefe Weisheit aus und helfen, Mitgefühl und Glück zu finden.


    Die identitätsstiftende Wirkung eines bewunderten Vorbilds scheint mir nicht nur in spiritueller Hinsicht, sondern auch für die Politik, für Europa und die UNO, notwendig.

    void:

    Wir verwenden den Begriff Mythos für die Mythen der anderen, weil uns unsere eigenen Mythen ja als selbst-evidente Wahrheiten erscheinen.


    Wäre es ein solch moderner Mythos, beispielsweise "Buddhaland" als etwas zu nehmen, das tatsächlich existiert? So wie die Yanomami einen Geist im Baum sehen, sehen wir einen Geist hinter den elektronischen Daten?


    Ich glaube aber, dass wir solche Abstraktionen nur gemeinsam benutzen, dabei aber genau wissen, dass es Buddhaland (Wien, den Euro, McDonalds, Gesetze, Gebote usw.) nirgendwo so ganz im physikalischen Sinn gibt. Was wir mit den Yanomami möglicherweise teilen, ist das Bewusstsein, dass die greifbare und beobachtbare Welt ohne geistige Qualitäten eigentlich gar nichts ist.

    Gedanken zum Mythos...


    Der Mythos als gültige Erklärung von sich und Welt findet sich bei Jäger- und Sammlerkulturen. Etwa betrachten die Yanomami den Wald als eine Art Lebewesen mit eigenem Willen, mit Atem und Fruchtbarkeit, dem sich der Wille des Menschen nicht aufdrängen darf. Die Yanomami essen die Asche ihrer verstorbenen Angehörigen, um deren Geister aufzunehmen. In diesem Sinn meint Mythos, dass jeder Baum, jeder Fluss und ebenso das eigene Denken und Fühlen als magisch verstanden wird.


    Dagegen findet in landwirtschaftlichen Kulturen die Unterscheidung zwischen einer gewöhnlichen Welt und der Götterwelt statt. Denn mit dem Entstehen landwirtschaftlicher Kulturen wird die Natur technischer gesehen. Die von der gewöhnlichen Natur unterschiedenen Götter können um Beistand - etwa für die Ernte - gebeten werden.


    Einige landwirtschaftliche Kulturen fanden zur Kooperation in größerem Maßstab, für die es Schrift und Zahl braucht. In Zusammenhang mit Schrift entwickelte sich eine als Logos bezeichnete Form des begründenden Denkens.