Beiträge von Doris im Thema „Der Bodhisattva“


    Wenn jemand die Bodhisattva-Gelübde genommen hat, dann sind das ja erst mal gute Vorsätze, unterstrichen durch ein Ritual. Dann gibt es noch die beschriebenen Stufen eines Bodhisattva. Das sind Stufen der Verwirklichung. Ich persönlich sehe beides als Bodhisattva, den ständig strauchelnden Anfänger und denjenigen, der schon das eine oder andere verwirklicht hat.


    Das Retreat, also das Zurückziehen aus dem Alltag, ist ein probates Mittel, um "zu sich" zu kommen. Gibt es daher auch in allen spirituellen Traditionen. Ob das jetzt eine Meditation von 20 Minuten, ein Retreat übers Wochenende oder ob es ein paar Jahre dauert, es ist dasselbe. Es ist immer ein Sich-Rausnehmen. Offensichtlich ist das sehr wichtig, um zur Ruhe zu kommen und Ablenkungen zu vermeiden.
    Als Bodhisattva verpflichtest Du Dich ja, dem Allgemeinwohl zu dienen. Um das zu können, selbst ansatzweise, muss man sich erst mal selbst sortieren. Ich sehe so einen Rückzug also als eine Art Ausbildung. Manch einer muss diese Form der Ausbildung absolvieren. Andere machen es anders. Es gibt viele Wege. Aber nie geht es ohne Nabelschau.


    Ich finde es auch schwierig, wenn jemand Familie hat, in einer Partnerschaft lebt, und wenn dieser dann für eine längere Zeit in einen Retreat geht. Aber das muss nicht immer egoistisch sein. Zum einen gibt es Familien, wo das kein Problem darstellt: Die Kinder sind erwachsen, der Partner kommt gut alleine klar und fühlt sich nicht abgewiesen … Zum anderen kann so ein umfangreicher Retreat die Gelegenheit bieten, an den Kern bestimmter Dinge heranzukommen.
    Letztlich muss jeder selbst wissen, was er braucht.


    Wenn sich jemand für ein langes Retreat entscheidet, weil ihm das Leben über den Kopf wächst und er einfach mal Ruhe haben möchte, also um Konflikten auszuweichen, dann wird er im Retreat hoffentlich Klarheit über seine Motivation erhalten. Auch darin sehe ich der Sinn eines langen Retreats.
    Meist ist doch ein Lehrer dabei, und wenn es ein aufmerksamer Lehrer ist, dann wird er schon die richtigen Hinweise geben.


    So weit ich weiß, gibt es auch die Möglichkeit als Bodhisattva in ständigem Retreat zu leben. Ich weiß nicht mehr genau, wie das in Tibet ist, aber es gibt dort viele Einsiedler. Dadurch dass sie in der Bevölkerung bekannt sind und verehrt werden, wirken sie aber auch (abgesehen von dem Glauben, dass sie dies für die künftigen Leben tun, in denen sie eine größere Verwirklichung erreichen). Das ist eine andere Form der Wirkung, also nicht durch das was wir klassisch als Werke der Nächstenliebe betrachten, sondern durch ihre Konsequenz, und weil sie durch ihr Vorbild eine Art Aura schaffen, die positiven Einfluss auf die Menschen hat.