Beiträge von Karnataka im Thema „"sich bemühen, jedem jederzeit mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen" - unmöglich ?“

    Nächtliche Überlegungen zum Thema Respekt und Wertschätzung


    Was die Forderung angeht, jedem mit Respekt zu begegnen, denke ich an Standards der Höflichkeit, Achtung, Aufmerksamkeit, Rücksicht, Hilfsbereitschaft. Wird beispielsweise der eigene Gruß von anderen „überhört“, nicht erwidert, kann dies zu Ärger und zum Gefühl der Missachtung führen.


    Weshalb ertragen wir Missachtung so schwer? Richard David Precht meint, dass wir niemals unabhängig vom Urteil anderer Menschen sind. Unser Ich ist eine immerzu laufende Selbstinterpretation, wo wir uns Stärken, Schwächen und Vorstellungen zu unserer Wirkung auf andere zurechnen. Im Austausch und im Vergleich mit anderen entdecken und erkennen wir, was wir sind, schreibt Richard David Precht. Oder besser gesagt: Der Vergleich mit anderen zeigt uns, wer oder was wir nicht sind.


    Bestätigung und genauso Missachtung prägen also unser Selbstbild. Wobei es natürlich von Bedeutung ist, welche Person beispielsweise unseren Gruß missachtet. Das Bild, das nahestehende Menschen von uns haben, ist uns zumeist wichtiger als das Fremder.


    Gibt es Menschen, die vollständig aus dem Vergleich mit anderen ausbrechen können und keinem solchen Ego oder Ich anhängen? Bitte melden! :badgrin:


    Zur philosophischen Sicht: Aus Sicht der Ethik des DL ist Respekt ein Grundprinzip. Dabei geht es um die Anerkennung des gemeinsamen Menschseins und gemeinsamen Strebens nach Glück. Hier sehe ich ein philosophisches Problem: Lässt sich diese grundsätzliche Anerkennung durch das Begreifen der gegenseitigen Abhängigkeit stärken?


    Wo eine reale Gefahr der Missachtung besteht, etwa gegenüber Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, ist der respektvolle Umgang ein besonders wichtiges Thema. Der Nationalsozialismus sah bekanntlich keinen Nutzen im Fortleben beeinträchtigter Menschen, sondern nur Belastung. Reicht das Argument der gegenseitigen Abhängigkeit dennoch aus, um grundsätzliche Wertschätzung für alle Mitmenschen auch zu begründen?


    Ich glaube, dass dieses Argument keine kalte Rechnung meint. Bedenken wir, wie verroht eine Gesellschaft wäre, wo behinderte Kinder nicht das gleiche Lebensrecht besitzen, gefühlvolle Menschen mit Beeinträchtigung nicht geschätzt werden, Menschen sich nicht als Solidargemeinschaft sehen und keine Hilfsbereitschaft empfinden. Welche Auswirkungen hätte dies auf andere Gruppen, etwa demente Menschen?


    Philosophisch gesehen geht es um gesellschaftliche Identität, der wir alle zugehören, glaube ich. Welche Form kollektiven Denkens (und Empfindens!)benötigen wir als Gemeinschaft? Ist es das Ziel von Ethik, das gemeinsame Menschsein im Sinne von Wertschätzung und Respekt schließlich auf alle fühlenden Wesen auszudehnen?

    Überlegungen zum so genannten idiotischen Mitgefühl.


    Es gibt Menschen, die überschütten ihren Hund mit liebevoller Güte. Sicher hat dies Wert für das eigene Wohlbefinden und lässt den Hund profitieren. Sind Hunde aber die optimalen Profiteure herzlicher Zuwendung? Der DL spricht von umfassendem Mitgefühl als Ziel. Der Hund als spiritueller Freund könnte helfen, eine Stimmung Liebevoller Güte zu finden, die dann auch den Mitmenschen gilt. Oder wird der Hund bloß zum Zweck des eigenen Wohlbefindens mit liebevoller Güte gefüttert, die dann woanders fehlt?


    Ist die Stimmung des Mitgefühls für schwierige Situationen des Alltags auch angemessen? Was braucht es für den Umgang mit Konflikten? Der DL äußert sehr deutlich, dass Mitgefühl nicht bedeutet, immer auf Harmonie abzuzielen und alles klaglos über sich ergehen zu lassen.


    Sich der eigenen Werte bewusst zu sein, kann jedoch helfen, die eigene Position ruhig zu vertreten. Um einen Streit konstruktiv werden zu lassen, sollte man versuchen, nicht mit der gleichen destruktiven Emotion zu begegnen und das langfristige Wohl des anderen beachten, schreibt der DL sinngemäß. Besonders weist der DL darauf hin, dass Versöhnlichkeit die Gemeinschaft stärkt.


    Dabei ist klar, dass wir unmöglich allen Menschen helfen können. Aus Mitgefühl handeln kann kein reflexartiges Reagieren meinen. Wird etwa dafür geworben, Clowns in Spitälern zu unterstützen, kann man überlegen, ob diese sympathische Form der Hilfe angezeigt ist oder aber das Spenden für einen anderen Zweck mehr bewirken würde.


    Ich glaube, dass die mitfühlende Haltung vorteilhaft ist, um über Probleme nachzudenken. Denn der Versuch, nicht egoistisch, egozentrisch nachzudenken, sollte zu einem breiteren Blickwinkel verhelfen. Dies gilt übrigens auch für den Optimismus. Da er in schwierigen Situationen kreativ sein lässt, gilt das Bemühen um Optimismus dem DL als realistischer Blickwinkel.

    Was das Reagieren auf schlechtes Verhalten betrifft:


    Ich würde unterscheiden: Schwerwiegendes, strafbares Fehlverhalten, klar zu verurteilende Dinge sowie als ungebührlich empfundenes Verhalten, etwa grobe Worte, Unaufrichtigkeit, Boshaftigkeit, Mobbing…


    Theoretisch sollte man mutig das Gespräch suchen, um zu diskutieren, ob bessere Verhaltensweisen möglich sind. Fruchtet dies nicht, sollte Unterstützung für die Kritik gesucht werden.


    Der DL bezeichnet die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung als besonders wichtig. Sie hilft, sich der emotionalen Gesprächsebene bewusst zu sein. Voraussetzung für eine funktionierende und befriedigende Kritik ist daher, auch die eigene Motivation kritisch hinterfragen zu können.


    Richard David Precht meinte mal, Heilige würden das einsame Leben in der Höhle besonders dafür schätzen, weil man dort perfekt sein könne. :)