Beiträge von Sudhana im Thema „Westliche Geistesphilosophie und die Stellung des Buddhismus.“

    Stawrogin:

    Mich würde interessieren, welche Position, der Buddhismus einnehmen würde (Oder überhaupt eine) von diesem Bild


    Da Du bei Deiner Fragestellung schon auf den Wikipedia-Artikel zurückgreifst, ist Dir doch sicherlich dieser Satz nicht entgangen: "Das Leib-Seele-Problem gilt heute als ein spezifisches Problem der europäischen Geistesgeschichte. Insbesondere die Philosophietraditionen in Asien (siehe Östliche Philosophie) gehen von grundsätzlich anderen metaphysischen Annahmen aus, wodurch diese Trennung in Geist und Körper als illusionär oder bedeutungslos erscheint."


    Insbesondere gilt dies für den Buddhismus, der mit seiner anatman-Doktrin explizit der Existenz einer Seele (wenn auch nicht der eines Geistes) widerspricht. In der buddhistischen Erkenntnistheorie ist zwar von 'namarupa' (insbesondere im Zusammenhang bedingten Entstehens pratityasamutpada als 4. Glied / nidana) die Rede, einer Bezeichnung für die fünf skandhah, die sich in etwa mit 'Geistigkeit und Körperlichkeit' übersetzen lässt. Allerdings lässt sich 'rupa' nicht ohne weiteres mit 'Materie' oder 'Körper' gleichsetzen, worauf schon die häufig ebenfalls anzutreffende Übersetzung 'Form' hindeutet. Ist im skandha-Modell der rupaskandha noch eine Funktion für sich, d.h. von den vier geistigen Funktionen (sensorische Empfindung bis hin zum Objektbewusstsein) getrennt, so verschwimmt diese Scheidung, wenn man sich dem Erkenntnisproblem über die Bewusstseinsinhalte bzw. Bewusstseinselemente (dhatu) annähert. Da finden wir in der buddhistischen Theorie als 'Grundlage' (ayatana) keinen Wahrnehmenden und Wahrgenommenes, sondern sechs paarweise aufeinander bezogene Funktionen. Diese Funktionen haben jeweils einen rezeptiven Aspekt und einen diesem entsprechenden affizierenden Aspekt. In Bezug auf die rezeptiven Aspekte (visuell, akustisch, oleofaktorisch, geschmacklich, taktil, mental) spricht man von indriya-ayatana, in Bezug auf die affizierenden Aspekte einfach von ayatana.


    Interpretiert wird diese Wechselbeziehung nach buddhistischer Auffassung vom verblendeten Geist als Beziehung zwischen einem für sich bestehenden Subjekt ('Ich' oder atman) und Objekten - die indriya-ayatana mithin als interne 'Grundlagen' der Erkenntnis (adyamata-ayatana), als 'Organe' einer res cogitans, und deren 'Objekte' werden externalisiert, als externe 'Grundlagen' (bahya-ayatana). Zwar kann man hier zwischen 'rupa-Funktionen' (= den sinnlichen Funktionen) und der mentalen Funktion (dem '6. Sinn') differenzieren; im Ergebnis jedoch unterscheiden sich diese Funktionen insofern nicht, als sie alle in ihrer und durch ihre Wechselwirkung Elemente eines Bewusstseins (dhatu) sind, das dann diese Elemente emotional besetzt und einander zuordnet (Subjekt und Objekt ist solch eine - grundlegende - Zuordnung). Die dhatu wiederum entsprechen wohl noch am ehesten dem, was in der westlichen Philosophie unter Qualia firmiert.


    Diese hier grob umrissene Theorie lässt sich nun in das aus Wikipedia zitierte Schema des Leib-Seele-Problems (das, um nochmals darauf hinzuweisen, ein Schema abendländischer Theorieansätze ist) auf zweierlei Arten (mit erheblichen Vorbehalten) einordnen: entweder als (funktionalistischer) materialistischer Monismus, für den vor allem die Vaibhāṣika-Schule steht oder als idealistischer Monismus, für den insbesondere die Yogācāra-Schule mit ihrem Vijñaptimātra-Konzept ('Nur Bewusstsein') steht. Ich halte dies jedoch für wenig sinnvoll, da, wie schon angedeutet, sich im Buddhismus das Leib-Seele-Problem gar nicht als solches dargestellt hat. Das hat vor allem damit zu tun, dass die westliche Philosophietradition ganz wesentlich in der christlichen Theologie gründet, die eine scharfe Trennung von Körper und Seele postuliert. Die Trennung ergibt sich aus der Inkongruenz von Vergänglichkeit (Körper) und Ewigkeit (Seele) - damit wurde es notwendig, das Verhältnis beider zueinander näher zu bestimmen, was dann der Philosophie als ancilla theologiae (Magd der Theologie) als Aufgabe zugewiesen wurde. Die unterschiedlichen Gewichtungen von Vaibhāṣika (deren Lehre ohnehin eher als direkter Realismus denn als Materialismus zu charakterisieren wäre) und Yogācāra (deren radikaler Idealismus wiederum besser als nondual denn als monistisch zu charakterisieren wäre) resultieren mE eher aus unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Ansätzen - einem synthetischen einerseits und einem analytischen andererseits.


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