Beiträge von Sudhana im Thema „Unterschied zwischen Buddha-Natur und Atman?“

    accinca:
    Sudhana:

    kürzlich auf A.1.10 verwiesen. ()


    Ja und die Lehrrede davon A. 1. 9. nicht vergessen.
    Beim citta "Bewußtsein", handelt es sich nicht um etwas
    statisches sondern um ein schnell wechselnden dynamischer
    Prozess und unterliegt daher der Vergänglichkeit

    Bestreitet doch niemand - mal davon abgesehen, dass hier nicht von Bewusstsein (viññanam) sondern von Geist (cittam) die Rede ist. Genau der "dynamische Prozess" ist die "(falsche) Tätigkeit des Geistes" ("es wird verunreinigt von hinzukommenden Befleckungen", wie es in A.I.10 heisst). Ob man das nun "Tätigkeit des Geistes" oder "Wechsel des Geistes" nennt, macht keinen grundsätzlichen Unterschied. Dass mit "Tätigkeit" nicht etwas postuliert wird, das tätig ist, wird in den zitierten Versen ja verdeutlicht, z.B. hier:

    Zitat

    Wie die Welten überall
    im Raum entstehen und vergehen,
    so ist es auch im ungeformten (asaṃskṛta) Bereich:
    dort vergehen und entstehen die Sinnes-Fähigkeiten (indriya)

    - dass "Welten überall im Raum entstehen und vergehen" impliziert ja auch keinen dafür verantwortlichen Schöpfer.


    Dem "schnellen Wechsel des Geistes" einerseits korrespondiert andererseits der Geist "frei von hinzukommenden Befleckungen" in A.I.10 - der ja dann (so lange keine Befleckungen hinzukommen) offensichtlich nicht "wechselt". Beider Natur - sowohl die des von hinzukommenden Befleckungen verunreinigten wie die des von hinzukommenden Befleckungen freien - wird als pabhassara, "leuchtend" beschrieben. Vgl. dazu Vers 63 :


    Grundsätzlich möchte ich Dir nahelegen, Dich zumindest hier weniger an den Kommentar (Buddhaghosas Manorathapurani) und Subkommentar sondern stattdessen direkt an den Suttentext zu halten.


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    mukti:

    Aber auch auf den ersten Blick finden sich schon Bezüge zu positiven Beschreibungen von Nibbana im PK, etwa in Udana: "Ein Bereich wo die vier Elemente nicht sind"(VIII.1), "Es gibt ein Nichtgeschaffenes, Nichtaufgebautes, Nichtgeborenes, Nichtgewordenes" (VIII.3), "Das Unverwelkliche, das Bleibende, das Unauflösliche, Glück, Frieden," usw. (S.43), und dergleichen mehr. Auch ist mehrfach von Wahrnehmung des Nibbana die Rede, also ein Bewusstseinsvorgang, wozu dann ein Begriff wie "klares Licht des Geistes" nicht abwegig erscheint. Auch in Bezug auf PK-Stellen die handeln vom ursprünglich reinen Geist der befleckt ist, oder strahlendem Bewusstsein das nirgends haftet.

    Ich hatte ja schon kürzlich auf A.1.10 verwiesen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Brahmanimantaṇika Sutta (MN 49), insbesondere Abschnitt 25.


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    mukti:
    Sudhana:

    ...Sie steht damit eindeutig unter dem Anātman-Paradigma.


    Könnte man dann sagen dass der Begriff "Buddhanatur" eher einen Bezug zu Nibbana hat, das im PK als "das Ungeborene, Ungewordene, Ungeschaffene, Unzusammengesetzte" bezeichnet wird?

    Das träfe mE eher auf den Dharmadhātu zu, der allerdings zur 'Buddhanatur' (ich bevorzuge den Begriff Tathāgatagarbha) in enger Beziehung steht. Den Dharmadhātu könnte man als den vollentwickelten Aspekt des Tathāgatagarbha bezeichnen - seinen Zielvektor. In diesem Sinn ist garbha der 'Embryo' des Tathāgata, Tathāgata-Potential. Hinsichtlich des Herkunftsvektors ist garbha die 'Gebärmutter' des Tathāgata - das, was ihn erzeugt (beides sind mögliche Übersetzungen von garbha).


    Leider gibt es auf Deutsch nur sehr wenig brauchbare Literatur zum Thema Buddhanatur. Dazu gehört als Einführung mE Band 6 der Reihe 'Buddhistische Themen und Lehrbegriffe' des Buddhistischen Studienverlags. Hier speziell der Beitrag von Peter Gäng (die Qualität der Beiträge ist leider uneinheitlich). Er übersetzt da u.a. einige kārikā des Ratnagotravibhāga, von denen ich den Abschnitt ausgesucht habe, der die Beziehung zwischen Dharmadhātu und Tathāgatagarbha mit Hilfe einer Analogie von Raum und Elementen veranschaulicht. Wer sich für den gesamten Text interessiert, ist auf englische Sprachkenntnisse angewiesen. Ich benutze Takasaki, Jikido. A Study on the Ratnagotravibhāga (Uttaratantra) Being a Treatise on the Tathāgatagarbha Theory of Mahāyāna Buddhism (Rome Oriental Series 33). Rome: Istituto Italiano per il Medio ed Estremo Oriente (1966), das als PDF im Internet kostenfrei zu finden ist.


    Doch zu Gängs deutscher Übersetzung:


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    Marcelao:

    Aber so war es ja gut diesen Fehler zu machen, denn du hast mich korrigiert. Was soll ich machen außer danke sagen und meine Dummheit einsehen? :D

    Mit "Dummheit" hat das nichts zu tun. Nāgārjuna ist nun einmal nicht ganz einfach zu verstehen. Ergänzend: MMK 24.18 ist die Schlüsselstelle für ein korrektes Verständnis von Nāgārjunas śūnyatā-Begriff. Man hat es (zu Recht) als den am meisten zitierten und kommentierten Satz der buddhistischen Philosophie bezeichnet.

    Marcelao:

    prajñapti wird als "abhängiger Begriff" übersetzt

    Also Weber-Brosamer/Back. Sehr gute Übersetzung. Das unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen gängigen Übersetzungen - die verbreitete Übersetzung Garfields (die allerdings aus dem Tibetischen und nicht dem Sanskrit übersetzt) etwa gibt "dependent designation". Dazu eine Anmerkung von mir: streng genommen ist auch dies eine Interpretation (sic!), da prajñapti eigentlich nur "Begriff" oder "Bezeichnung" wäre. Die Interpretation von prajñapti als "abhängiger Begriff" ist alteingeführt und gerechtfertigt durch Nāgārjunas eigenen Kommentar zu den MMK, den Akutobhaya. 'Kommentar' ist da fast schon zu viel gesagt; der Akutobhaya ist kaum mehr als eine Wiedergabe der Verse der MMK in Prosa. An dieser entscheidenden Stelle steht im Akutobhaya allerdings statt einfach prajñapti upādāya-prajñapti - und upādāya bedeutet "abhängig" oder "bedingt". D.h. das prajñapti in MMK 24.18c ist gemäß Nāgārjunas Autokommentar als (verkürzt für) upādāya-prajñapti zu lesen - dem tragen die gängigen Übersetzungen Rechnung.


    Nachdem dies nun geklärt ist (dass also Deine Prämisse falsch war) noch ein Wort direkt zu Buddhanatur - wobei hier richtiger von tathāgatagarbha zu sprechen wäre. Der Begriff 'Buddhanatur' / Fo Xing taucht zuerst in chinesischer Kommentarliteratur auf - übrigens lange, bevor es ein 'Vajrayana' gab. Auch hier ist es wichtig, offenzulegen, worauf man sich bei der Interpretation dieses Begriffs bezieht. Begriffsgeschichtlich ist hier zwischen zwei grundsätzlichen Ansätzen zu trennen - dem des Mahāparinirvāṇa Sūtra einerseits und den anderen (ca. 2 Dutzend) Tathāgatagarbha-Sūtren andererseits. Das Mahāparinirvāṇa Sūtra vertritt (als einziges) die Position, die Anātman-Lehre sei lediglich ein upāya ('geschicktes Mittel') und nimmt damit eine Sonderstellung ein. Die anderen Texte, die im Ratnagotravibhāga zitiert, systematisiert und zu einer konsistenten Doktrin vereinheitlicht werden, legen hingegen Wert darauf, diese Tathāgatagarbha-Doktrin mit der Anātman-Doktrin zu vereinbaren bzw. aufzuzeigen, dass (und warum) der tathāgatagarbha kein ātman ist. Besonders deutlich wird das bei den von mir bereits genannten Texten. Die Weiterentwicklung (Ausformulierung) der Tathāgatagarbha-Lehre in Ostasien (z.B. im Fo Xing Lun oder Dōgens Shōbōgenzō Busshō), wo diese Lehre vor allem mit dem Yogācāra amalgamiert wurde, baut jedenfalls auf dem Ratnagotravibhāga und - als maßgeblichem Sutrentext - dem Śrīmālādevī Siṃhanāda Sūtra auf, nicht auf dem Mahāparinirvāṇa Sūtra. Sie steht damit eindeutig unter dem Anātman-Paradigma.


    Wie das nun im Einzelnen in der tibetischen geisteswissenschaftlichen Tradition ist, weiss ich nicht - aber auch da ist das Ratnagotravibhāga (Uttaratantra Śastra) jedenfalls der maßgebliche Grundlagentext.


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    Marcelao:

    Da Leerheit selbst nicht-bedingt, wie Nagarjuna im MMK selbst aufweist

    Wo soll er das gesagt haben? Bitte Zitat. Und nochmals: schau Dir MMK 24.18 an. Besser das gesamte 24. Kapitel. Da steht genau das Gegenteil von dem, was Du behauptest. Du begehst genau den Fehler, vor dem Nāgārjuna in MMK 24.11 ausdrücklich warnt.


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    Marcelao:

    Also alles eine Frage wie man Atman und Gott versteht/interpretiert

    Natürlich. Alles eine Frage der Interpretation. Wenn man sich bei der Interpretation auf Texte bezieht, gibt es allerdings sinnvolle und unsinnige Interpretationen. Wenn man z.B. Nāgārjunas Mūlamadhyamakakārikā interpretiert, dann beruht die von Dir aufgestellte Prämisse

    Marcelao:

    Dadurch, dass die Leerheit ja selbst nicht-bedingt ist, wie Nagarjuna ja schon erkannte, ist die Buddha-Natur ja dann beständig.

    mE auf einer unsinnigen Interpretation. Vorschlag: schau Dir mal MMK 24.18 genau an und kläre, was prajñapti in Bezug auf Śūnyatā bedeutet.


    Was nun Deine Interpretation von Buddhanatur angeht - was interpretierst Du da eigentlich? Wie kommst Du zu den Aussagen, Die Du da machst? Wenn ich mir z.B. das Ratnagotravibhāga oder andere klassische Literatur zum Thema Tathāgathagarbha / Buddhanatur wie das Śrīmālādevīsiṃhanāda Sūtra oder das Anūnatvāpūrnatva Nirdeśa Parivarta anschaue, dann kann ich Deiner Interpretation nicht so recht folgen.


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