Beiträge von Sudhana im Thema „Der ganze Mond und der ganze Himmel spiegeln sich in einem einzigen Tautropfen“

    Man kommt aus der Zwickmühle nicht heraus, wenn man Glaube durch Überzeugung ersetzt. Me gerade dann nicht. Das Äquivalent zum theistischen Konzept 'Glaube' ist Śraddhā, was mE zutreffender mit 'Vertrauen' übersetzt wird. Was es allerdings auch nicht so ganz trifft.


    Dieser mit Śraddhā bezeichnete "Glaube" steht unter dem Vorbehalt empirischer Bestätigung. Er ist also nicht dogmatisch fixiert, sondern entwickelt und verändert sich mit der fortschreitenden Erfahrung, die man, dem "Glauben" in seiner jeweils momentanen Gestalt folgend, damit macht. Nun kann man das als 'Vertiefung' des Glaubens bezeichnen, aber ich halte das für eine allenfalls temporär hilfreiche Wertung - was wiederum heisst, für einen Glauben, den man irgendwann nicht mehr braucht und dann auch nicht mehr "hat". Śraddhā ist anitya, beständig im Fluss.


    Das christliche Konzept von Glaube ist in dieser Hinsicht deutlich anders. Dieser Glaube ist (oder soll es zumindest sein) statisch und bedingungslos. Credo quia absurdum est - dies drückt gemäß der christlich-theologischen Tradition den Gegensatz zwischen Glaube und Vernunfterkenntnis aus. Was historisch aufgrund der höheren Bewertung des Glaubens zu äußerst unschönen Ergebnissen geführt hat und der entscheidende Grund dafür war, dass die Religion (insbesondere die christliche) durch die Aufklärung entmachtet wurde. Und das ist gut so, möchte ich hinzufügen.


    Hier kann man dann auch tatsächlich von einer 'Vertiefung' sprechen, weil hier ein 'Kern' postuliert wird, dem sich der Praktizierende bis zur Verschmelzung annähert. In dieser Hinsicht ist Glaube statisch. Man vertieft ihn oder, wenn man den Widerspruch zwischen Glaube und Vernunfterkenntnis nicht aushält, "verliert" ihn. Śraddhā wiederum steht nicht im Gegensatz zur Vernunft, Śraddhā übersteigt sie allenfalls. Und zwar da, wo die Erfahrung die Vernunfterkenntnis übersteigt. Aber vor allem ist Śraddhā nicht statisch, sondern dynamisch, anitya. Und Śraddhā hat keinen Kern, dem man sich durch Vertiefung annähern (oder den man "freilegen") könnte - Śraddhā ist leer.


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    Holzklotz:
    Sudhana:

    Jesus hingegen kann man bestenfalls nachfolgen. Ist nicht so mein Ding. Don't follow leaders, watch your parking meters.


    Da gibt es auch Unterschiede im Verständnis.

    Sicher, die gibt es immer. Jede Menge. 100 Narren, 100 Unterschiede im Verständnis. 10.000 Narren, 10.000 Unterschiede im Verständnis.


    Nun kann man Verständnisse nach allen möglichen Kriterien sortieren - das ergibt dann die verschiedenen Label, die sich verschiedene Leute mit verschiedenem Verständnis ans Revers heften - weil sie sich mit Anderen zumindest partiell im Einverständnis glauben und mit ihnen auf ein solches Label einigen. Oder auch nicht - was dann häufig zu Gezänk führt, wer welches Label zu recht tragen darf und wer nicht. Gibt's auch unter Buddhisten (bekommt man hier fast täglich vorgeführt), nicht nur bei Christen oder Moslems. Letztere sind nur erfahrungsgemäß häufig (wenn man sie denn lässt) ein wenig rabiater in solchen Auseinandersetzungen. Wenn sie nicht gar handgreiflich werden. Was für eine erbärmliche Art, sich ein Ego zusammenzubasteln und bestätigen zu lassen.


    Wobei dummerweise nicht auszuschließen ist, dass dieser Glaube (mit Anderen zumindest partiell im Einverständnis zu sein) auf einem Missverständnis beruht (und noch weniger kann man ausschließen, dass das eigene Verständnis oder das derer, mit denen man sich im Einverständnis glaubt, ebenfalls keines ist). Das ist so eine Sache mit dem Verständnis - vor allem, wenn man meint, Andere von seinem Verständnis überzeugen zu müssen. Das - also ein Missionierungsgebot - ist jetzt z.B. eine von den 'Entfaltungen', die ich im Vektor meiner entfalteten Einfalt nicht finde. Dazu traue ich mir zu wenig und deswegen dies nicht zu.

    Holzklotz:

    Wenn alle Menschen Söhne und Töchter Gottes sind, dann müssen sie nicht Jesus folgen, sondern sich auf das Gleiche einlassen auf das er sich eingelassen hat. Da wird dann auch nichts auf einen Sockel gestellt.

    Da gibt es als mystisches Handbuch Thomas a Kempis' 'Imitatio Christi'. Das ist dann aber schon keine theologia negativa mehr ... In etwas jüngerer Zeit hat die heilige Mutter Teresa das auch ganz gerne praktisch durchexerziert. Bzw. in ihren Hospizen durchexerzieren lassen - sie selbst ging bei Bedarf in die USA in eine Mayo-Klinik. Jedenfalls - imitatio bringt's ganz gut auf den Nenner. Der Buddhadharma jedoch (und schon gar nicht in der von der Zen-Tradition überlieferten Form) ist keine 'Imitatio Buddha'. Allenfalls gibt es im Amidismus einen geringen Überschneidungsbereich - hinsichtlich Vergegenwärtigung Amidas und der Hingabe an tariki. Zazen hingegen (in seiner shikantaza-Form) könnte man in gewissem Sinn als imitatio begreifen - aber es ist keine von Buddha, sondern von Bodhi, Buddhas Erwachen. Das ist 頓教 dunjiao / tongyō, Subitismus. Und vor allem ist das anātman. Das sind jedenfalls mal zwei Label, die zumindest ich mir zusätzlich zu dem eines christlichen Mystikers nicht ruhigen Gewissens ans Revers heften würde. Aber womöglich bin ich auch einfach nur zu skrupulös ...


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    IkkyuSan:

    Nein, denn der auferstandene Christus ist immer noch in Verbindung mit dem Vater, "sitzt zu seiner Rechten" und ist mit ihm verbunden - er ist seine Stütze. Ein auferstandener Christus wäre undenkbar, ohne den Vater, der ihn auferstehen ließ. Ein erwachter Buddha hingegen ist denkbar, ohne jemanden, der dies "zugelassen hat".

    Nun ja. Um meine Metapher von der Entfaltung der Einfältigkeit aufzugreifen - der erste Schritt ist da dreifaltig. Auch da kann man durchaus Schnittmengen zur trikāya-Doktrin sehen (die drei kāya sind ebenso untrennbar eins wie pater, filius und spiritus sanctus und nicht gegenseitige Stützen und Zulassungsbehörden). Wobei ich persönlich diese Saṃbhogakāya-Geschichte jetzt nicht sooo hilfreich finde und mir die 'Zweifaltigkeit' des Lotos-Sutra schon Hinweis genug ist. Jedenfalls - die Sache mit der Trinitätsdoktrin hast Du mE ausweislich Deines Postings nicht so recht verstanden. Aber damit haben dem Vernehmen nach selbst Theologiestudenten so ihre Probleme. Wobei ich einräumen muss, dass da mein Verständnis aus buddhistischer Perspektive heraus vielleicht auch nicht ganz das ist, was nach den Kriterien der Fundamentaltheologie noch als orthodox oder gar kirchenkompatibel gälte (und nicht zufällig entkam Eckart nur dem Scheiterhaufen, weil er rechtzeitig starb). Die Entfaltung der Vorstellung (prapañca - was selbstredend immer eine Sache des Glaubens ist) hat nun mal einen Vektor. Und der unterscheidet Christentum und Buddhismus.


    Wenn die Stützen wegfallen, fällt damit auch die Stütze 'Unterscheidung'. Aber die Frage ist doch - wie und wohin kehrst Du zurück? Anders gesagt: wie schaut der Nirmāṇakāya aus. Schaut er wie Buddha aus, dann schaut er aus wie Du und Ich. Jesus hingegen kann man bestenfalls nachfolgen. Ist nicht so mein Ding. Don't follow leaders, watch your parking meters.


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    Du bist schon auf der richtigen Spur. Kläre "nur". Vielleicht hilfreich als Unterhaltungslektüre: der Präzedenzfall Wumenguan 10 - falls der Kontext des Zitats zusätzlicher Hinweise bedarf. Spassigerweise weist Roloff in seiner Übersetzung auf die Parallele in Eckarts 52. Deutscher Predigt (ich empfehle da Landauer statt Qint als Übersetzer) hin. Kann ich schon nachvollziehen - Schnittmengen mit den mystischen Sinnhubern gibt es schon. Wobei man meiner Meinung aber außer der christlichen Einfalt auch deren Entfaltung nicht aus dem Auge verlieren sollte. Und da sind die Schnittmengen ja dann doch recht geringfügig.


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