Beiträge von void im Thema „Ohrfeigen im Zen“

    Sudhana:

    Übrigens - so etwas (was bei Kindern und Jugendlichen gelegentlich vorkam)

    void:

    da hat man sich auch häufiger mal einfach so gegenseitig ein Bein gestellt, einfach nur um Reflexe und Fallschule zu testen

    führte zu einer Verwarnung und im Wiederholungsfall zu einem kürzeren oder auch längeren Ausschluss vom Training.


    Ich kann mich jetzt leider nicht gut erinnern, weil da bei mir ja auch schon 25 her ist. Aber mir kommt vor, als war das auch bei usn einerseits verboten (allein aus rechtlichen Gründen) aber in so einem double bind gleichzeitig auch augenzwinkernd geduldet. Das man, wenn man sich beim Fallen verletzt, selber schuld ist, hat ja so was sozialdarwinistisches Arschloch-mässiges ("Ein Gute hält es aus, und um einen Schlechten ist es nicht schad.")


    Müsste man also voll moralisch verurteilen. Aber so ganz anders als Zazen is es auch nicht: Es gibt da so eine Gemeinsamkeit. Nämlich, dass einem beigebracht wird, nicht so die äußeren Umständen anzuklagen, sondern an seinem Eigenanteil zu feilen. Wenn ich mit Wut und leichten Schmerzen rumsitzte, kann ich ja auch rumjammern oder versuche, etwas mit der Bewegungsernergie zu machen. Wenn zu jedem Störgefühl, das mich aus der Bahn werfen will, die Fallschule passt, ist alles gut. Und nur wenn ich mich kalt erwischen lasse, trifft mich der zweite Pfeil.


    Klar, eigentlich braucht es im Zazen nur eine Wand, die einen lehrt, dass es weh tut, wenn man man sich gegen die Realität stellt. Während im Kampfsport der Trainigspartner die "Wand" ist. Und man eben eine reinkriegt, wenn man unachtsam war. Die Realität ist leidhaft, die Wand ist leidhaft, der Traingspartner ist leidhaft. Und alles sind sie irgendwie Arschlöcher. Es ist alles ziemlich schemerzhaft, aber ab wo wird es problematisch?

    Doris Rasevic-Benz:

    Auch sehe ich da eine Umgangsform, die eher "Kerle" haben. So wie das feste Schulterklopfen oder ein kleiner Schlag auf den Hinterkopf nicht feindselig, sondern eine Form der Zärtlichkeit sind. Ich habe Männer im Umgang miteinander schon oft so erlebt.


    Ja, normalerweise ist die Beziehungsebene ja eine sprachliche und dann ist Gewalt etwas, was diese Beziehungsebene (grob!) stört. Während ja im Kampfsport körperliche Auseinandersetzung selber so ne Beziehungsebene ist. In unserer Kultur ist ja alles sehr distanziert und man geht nicht so sehr "auf Tuchfühlung". Ich hab im Alter von 15 bis 20 Kampfsport gemacht, und da hat man sich auch häufiger mal einfach so gegeseitig ein Bein gestellt, einfach nur um Reflexe und Fallschule zu testen. Das hatt wirklich was von einem freundlichen Necken, während das ja in allen anderen Kontexten so eher als fiese Niederträchtigkeit gesehen würde. Einige sind dann vom Kampfsport zu Buddhismus und Daosimus gekommen, weil es so als eine Folgerichtigkeit erschien, von der Bändigung des Köpers zu der von Emotion und Geist überzugehen ( wobei man natürlich auch leicht in so eine Samurai/Jedi Ideologie der köperlichen und spirituellen Fitness reinrutscht) Und wenn man vom ringenden Köper kommt, sind Zugänge die eher vom Intellekt kommen fern.

    Holzklotz:

    Leider hat IkkyuSan keine konkreten Beispiele genannt, wo genau das Zen seiner Meinung nach heute unnötigerweise aufgeweicht wird.


    Also für mich ist IkkyuSan primär ein Kampfsportler. Und da ist ja eben der raue Umgangston nichts was einem einander entfremdet oder wo man sich seelisch verletzt. Im Gegenteil: Man kann sich noch so körperlich verletzten und hilft sich im nächsten Moment wieder auf. Selbst wenn Blut fließt ist das nicht im geringsten tragisch. Es ist wunderschön mal nicht unter Mimosen zu sein, die dauernd ihre Befindlichkeit getriggert sehen.


    Kampfsport ist eine sehr körperliche Art zum Zen zu kommen.

    Jenseits persönlicher Differenzen scheint es auf folgende Fragestellung rauszulaufen:


    Zen ist ja älter und hat alle möglichen politischen und sozialen Systeme begleitet. Inwieweit muss sich also die Zenpraxis modernen, demokratischen, humanistischen Gegebenheiten anpassen? Wo eben die "schwarze Pädagogik" ausgediehnt hat.


    Oder ist es im Hinblick auf die Tradition genauso ok, ein Zen in einer reaktionäreren, traditionalistischen Geschmacksrichtung zu praktizieren,?


    Wäre das nur gesellschaftlich problematisch ( weil es eben antihumabistisch ist) oder würde man damit wirklich der Zen Tradition untreu? Oder ist die Frage wie authentisch eine Praxis ist, nicht so von gesellschaftlichen Umständen abhängig?

    Cfant:

    Einem Vorgesetzten "unterwerfe" ich mich ja auch, d.h. ich führe die Anweisungen aus, soweit sie eine Grenze nicht überschreiten. Wenn der Tischlermeister sagt: "Mach einen Tisch", mache ich als Lehrling den Tisch.


    Im Schreierhandwerk wird der Tisch gehobelt aber nicht der Lehrling. Dieser sollte idealerweise alle seine Finger behalten. Aber ist im "Buddistenhandwerk" nicht ein wenig der Schüler das Werkstück? Geht es da nicht darum, alle Arten von Verblendungen, Anhaftungen und Dünkel wegzuhobeln? Krass ausgedrückt kann man es ja als eine Veranstaltung sehen, wo das Ego - das Anhaften an ich und mein- gemeuchelt werden soll. Und auch weil man das selber ja leicht Skurpel haben kann, unterstützt einen ein weniger skupelbehafteter Lehrer. Eben auch dabei, über die eigen Grenzen zu gehen und die sind ja schnell erreicht. Sind nicht auch Niederwerfungen Formen der Demütigung, wo man sich in den Staub wirft? Und Meditieren erst: Sich studenlang nicht bewegen ist ja auch nicht unbedingt artgerechte Haltung (Wenn die Leute in Gefägnis zu sowas gezwungen würden, würde sich bestimmt ein NGO finden, der das als eine Art der Folter verurteilt) Es gibt ja auch die Metapher von der Zähmung eines Wasserbüffels oder eines wilden Elefanten. Da scheinen sich doch Stockschläge oder Ohrfeigen geradezu anzubieten, oder?


    Ist dann das Das Problem an den Ohrfeigen vielleicht nicht so, dass sie Genzen überschreiten. Auch Ärzte und Psychologen müssen ja bestimmte Grenzen überschreiten, um dem Problem nahezukommen. Die Sache scheint mir eher, dass es kein so besonders subtiles Mittel ist. Auch wenn man ein Tier zähmt ist es ja eher so dass es ein Armutszeugnis ist, wenn man das nicht mit Feingefühl hinkriegt, sondern brachial werden muss.


    Aber was ist dann mit all den Stöcken in den Zen Koans? Waren die entsprechenden Lehrer alle rohe Gesellen, die es nicht subtiler hinkriegten? Lauter schwarze Pädagogen in dunklen Roben?