Beiträge von Amdap im Thema „Erfahrungen aus Kursus über Sterben u. Sterbebegleitung aus buddhistischer Sicht“


    Hallo Sherab,


    das ist ganz einfach zu verstehen: die Betonung soll dabei auf "Motivation" liegen, mit der die Tat ausgeführt wird.
    Man muss z. B. "Hobby/Arbeit" nicht zwingend als nicht-spirituell betrachten und von "spirituellen" Taten abgrenzen, das wäre auch zu kompliziert. Äußerlich ist meist nicht erkennbar, von welcher Qualität eine Tat ist. In meinem Fall zum Beispiel bleibt mir nichts anderes übrig, als abzutackern, was zu tun ist. Eine rituelle/meditative Praxis ist zurzeit nicht möglich. Dazu riet mir mein Lehrer, mir den Guru über dem Kopf vorzustellen, so oft es mir nur einfällt, nicht eingegrenzt auf die Lebenslage. Im Normalfall fällt einem das immer viel zu selten ein. Aber durch stetes Üben lässt es sich steigern.


    Liebe Grüße, Amdap


    Liebe Doris,


    ich habe mich noch gar nicht bei Dir bedankt.
    Aus Deinen Zeilen spricht ein großes Mitgefühl, die sicher auch aus langer Lebenserfahrung gewachsen ist.


    Es ist wirklich so. Jeder hat so seine Stärken und Schwächen, und wenn man seine Stärken kennt, dann sollte man sie pflegen und damit andere begleiten und ihnen Trost sein. Wenn es einem nicht liegt, am Sterbebett zu sitzen und Händchen zu halten, dann kann man zum Beispiel die Angehörigen unterstützen, in normalen praktischen Dingen oder wie auch immer. Dann sind sie entspannter und können ihren Sterbenden besser begleiten, und dann hat die eigene Aufgabe dengleichen Wert.


    Es gibt keine unterschiedlichen Wertigkeiten, jede Tat ist gleich wichtig, wenn sie in aufrichtiger Motivation ausgeführt wird. Und die vielen kleinen Teile ergeben ein Ganzes.


    Vielen Dank für Deine Worte.


    Amdap

    @S.Y.:
    Diese "Handlungsmöglichkeiten" (Aromen) haben wir auch durchgeführt. Außerdem das Benetzen der Mundschleimhaut in der Phase des Gefühls von Austrocknung des Sterbenden. Ferner haben wir erfahren, dass man um Himmels Willen trotz Durstgefühl keine Flüssigkeit mehr einflößen soll, da die Organe nicht mehr arbeiten. Die verabreichte Flüssigkeit würde sonst in Form von Ödemen erscheinen und dem Sterbenden nur noch mehr Qual bereiten. Das fand ich sehr nützlich zu wissen. Es waren wie gesagt allein die psychologischen Übungen, die ich überflüssig fand. Beim langsamen Aufeinander-zugehen habe ich nur darauf geachtet, dass ich nicht zu schnell auf mein Gegenüber zugehe, damit sie keine komischen Gefühle bekommt. Umgekehrt dachte ich: warum geht denn sie so langsam auf mich zu, sie kann doch gerne schneller gehen, dann wären wir damit durch...? Es waren also mehr die äußeren Bedingungen, auf die ich meinte achten zu müssen. Das lag nach meinem Empfinden eben daran, dass ich niemand anderen aus der Gruppe vorher gekannt hatte. Mir geht es oft so, dass ich vor Fremden weniger "Hemmungen" habe als vor Bekannten.
    Meine Kursteile waren nicht mit Abschlusszertifikat optioniert. Ich weiß, dass man als Hospizbegleiter eine differenziertere und längere Ausbildung machen muss.


    Naja, ich will Euch nicht langweilen.


    Ich möchte noch mal die Geschichte hervorheben, die vor gut 20 Jahren eine Krankenschwester berichtete: dass ein Patient sie barsch aus dem Zimmer schickte, und er, bei späterer Kontrolle, dann verstorben war (jedenfalls nach äußeren Anzeichen, wir Buddhisten wissen, dass das dann noch nicht der endgültige Tod ist).
    Meiner Meinung nach wollte er bei klarem Bewusstsein gehen und dabei nicht gestört werden. Darüber habe ich oft sinniert und dachte, das könnte mir auch mal so gehen, falls ich dabei noch klar bin. Da würde mich eine Begleitung auch stören. Aber man weiß ja nie, wie es kommt. Der Tod kann langsam, aber auch schnell eintreten (ohne dabei an einen gewaltsamen Unfall zu denken).


    Doris RB und S.Y.:
    Ich war schon mal bei "Dialog im Dunkeln" in Hamburg. Mir hat es hervorragend gefallen! Das mag wohl daran liegen, dass ich auch im Alltag überdurchschnittlich viel auf noch andere Sinneseindrücke achte als nur auf den Sehsinn. Auch hier wurde die Gruppe von einer Blinden geführt, die sich vorstellte und aus ihrem Leben erzählte. Sie fragte auch alle Teilnehmer durch und stellte zu meinem Erstaunen fest, dass sie mich als die Älteste in der Gruppe erkannte, sie hat es also nur an meiner Stimme erkannt. Angst, im Dunkeln voranzuschreiten, hatte ich überhaupt nicht (es wurde durch verschiedene Alltagssituationen geführt).


    Noch mal etwas ganz anderes:
    Es existiert die Überlegung, dass man aufgrund von extremem Pflegekräftemangel Pflegeroboter einsetzt, Vorversuche laufen schon. Ich selbst hätte kein Problem damit, von einem Roboter gewindelt zu werden. Ich finde, solche ekligen Arbeiten kann man gern Maschinen überlassen. Dabei denke ich gern an das Melk-Karussel für Kühe, die während des Melkens sogar massiert werden und Musik hören. So könnte man auch einen Pflegeroboter programmieren (Purcell, Albinoni oder Brahms beim Windeln wäre toll!)


    LG - Amdap

    Sherab Yönten:
    Amdap:

    Aber nun weiß ich, dass so etwas nicht das Richtige für mich ist.


    Ach, das ist aber schade, dass Du aufgrund dieser kurzen Erfahrungen in einem Kurs solche Rückschlüsse ziehst!
    Zur Erinnerung: Seit 01.04.2016 mache ich auch eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Wir haben seitdem viele solcher Übungen gemacht! Besonders wertvoll waren für mich die praktischen Anleitungen zur "basalen Stimulation", aber auch die Besuche im Bestattungsinstitut und in den Hospizen selbst sowie die beiden Praktika, die ich gemacht habe (auch wenn es dabei Haken und Ösen gab). Allerdings ist die Kursleiterin sowohl Psychologin als auch Buddhistin (und arbeitete auch länger ehrenamtlich im Hospiz) und hat den Kurs super geleitet.


    Mein persönlicher Eindruck ist, dass es bei Deinem Kurs eher Defizite bei der Kursleitung gibt. Denn diese sollte den Sinn und Zweck der Übungen für jeden Teilnehmer so vermitteln, dass sie/ er die Übung auch versteht und wozu sie gut ist. Vielleicht überlegst Du es Dir ja noch mal...


    Der Kursus selbst war nicht kurz. Er bestand aus vier Teilen, das war jedes Mal ein verlängertes Wochenende. Da habe ich den vorherigen Kurs, gesponsert von meinem Arbeitgeber, der vor gut 20 Jahren stattfand, noch gar nicht mitgezählt.
    Ich bin mir nicht sicher, ob man hier wirklich von Defiziten bei den Kursleitern sprechen kann. Es gab ja auch Teile, die ich gut fand. Es wurde über die verschiedenen Stadien des Sterbens gesprochen, wie es aus buddhistischer Sicht vor sich geht. So etwas habe ich in dem früheren Kurz-Kursus in den Neunziger Jahren natürlich nicht erfahren, denn mein damaliger Arbeitgeber war ein katholisches Krankenhaus und es war eine Kurzfassung aus christlicher Sicht, außerdem kamen die teilnehmenden Pflegekräfte sehr viel zu Wort, und ich fand ihre Erfahrungen mit Sterbenden sehr interessant. Es gab nicht allzu viele psychologische Übungen damals, aber es war ja auch nicht genug Zeit dazu vorhanden.
    In dem aktuellen vierteiligen Kurs konnten wir kein Bestattungsinstitut besuchen, und Praktika waren nicht die Voraussetzung, sondern wurden nur als hilfreich angesehen. Einige hatten ja auch praktische Erfahrungen in Hospizarbeit.
    Die Übung, kreuz und quer durch den Raum zu laufen und Vokale zu summen, kannte ich schon aus einem buddhistischen Kurs, nur sollten wir dort stattdessen Bija-Mantras summen. Im Prinzip aber dasgleiche. Es tut sicher ganz gut, wenn man so viel sitzen muss, dass man mal aufstehen und herumlaufen kann - doch ich fand das in dieser Form blöd und künstlich, zumal für mich da nur im Vordergrund stand, aufzupassen, beim Herumlaufen nicht mit anderen zusammenzustoßen.
    Genauso künstlich empfand ich die Übung, die Besuchs-Situation zu simulieren, anschließend mit vertauschten Rollen. Und gleichzeitig anstrengend, siehe ganz oben.
    Am besten gefiel mir letztendlich mein Besuch beim Mahakala. Ich mag zornvolle Formen, und da konnte ich endlich meinem "Ärger" über diese Übungen ein wenig Luft machen. Es war toll, in Verbindung mit Mahakala an einem heiligen Ort doch fluchen zu dürfen. Wenn ich auch nach außen hin "artig" wirke, so mag ich es doch, alles, was in eingefahrenen Bahnen läuft, in gewisser Weise zu provozieren und auf den Kopf zu stellen. Somit Verkalktes auf die Probe zu stellen. Das übt immer wieder einen besonderen Reiz auf mich aus.
    Ich mag es nicht, etwas Starrem zu folgen und dann zu glauben, es habe etwas gebracht oder es habe sich etwas gelöst. Meistens ist das Einbildung, da es nach meiner Beobachtung nicht wirklich Fuß fasst, wie man langfristig beobachten kann. Psychologischen Übungen zu folgen, betrachte ich als ein Spiel zum Zeitvertreib, wenn man nichts anderes zu tun und Langeweile hat.


    Man kann aber den Kursleitern keinen Vorwurf machen. Sie haben sich bestimmt viel Mühe gemacht und haben klassische psychologische Übungen, die vermutlich auch autorisierte Übungen sind, ausgewählt und sie passend gemacht. Das hat sie bestimmt viel Zeit gekostet, das alles auszuarbeiten. Ich mag die beiden auch, jedenfalls so weit ich es nach den bisherigen Kontakten beurteilen kann.
    Die Kursleiterin ist Fachkrankenschwester (und Buddhistin tibetischer Richtung) und leitet, zusammen mit einer anderen, ein Hospiz. Der Kursleiter ist ein jahrzehntelang erfahrener Buddhist und Lehrer, der früher zu einem längeren Teil seines buddhistischen Lebens sogar Mönch gewesen, aber jetzt verheiratet ist.


    LG - Amdap

    void:
    Ja, die Gefahr des Helfersyndroms auszuleben besteht immer, besonders bei Frauen. So besteht auch die Gefahr, dass man Sterbebegleiter wird, weil es einem selbst "gut tut" und der Sterbende dabei leider mehr in das Rahmengeschehen rückt, in die dazu notwendige Kulisse, sozusagen. Als ich noch zur Schule ging, in die Mittelstufe, da wollten viele nach der 10. Klasse in die Fachoberschule für Sozialpädagogik wechseln. Es war aktuell geworden, dass man über seine persönlichen Probleme sprach und diese auch auslebte: "Urschrei-Therapie", Antiautoritäre Erziehung usw. Das fanden viele faszinierend, waren aber noch zu unreif um zu erkennen, dass die Beschäftigung mit Psychologie nichts anderes war als der Spiegel der eigenen persönlichen Probleme. Nebenbei bemerkt, war die Folge dann, dass es schließlich viele arbeitslose Sozialpädagogen gab.


    Ich möchte noch hinzufügen, dass ich viele Jahre vorher (es mag jetzt gut 20 Jahre zurückliegen) schon bereits an einem Hospiz-Schnupperkurs teilgenommen hatte. Dieser wurde von meiner damaligen Arbeitsstelle angeboten, kostenlos mit Unterkunft, es waren nach meiner Erinnerung drei Übernachtungen. Naturgemäß nahmen fast nur Pflegekräfte an diesem Kursus teil. Ich selbst bin keine Pflege-Fachkraft, sondern Medizinisch-Technische Assistentin, Fachrichtung Labor, so dass ich mit Patienten überhaupt nicht in Berührung komme, sondern nur mit ihrem Material. Damals jedoch hatten wir etwas Kontakt mit Patienten, indem wir täglich eine kurze Runde über die Stationen drehten, um bei Diabetespatienten zwecks Blutzucker-Tagesprofil Kapillarblut abzunehmen. Bei manchen wohlbekannten Patienten konnte man so über ein paar Jahre ihren langsamen Verfall beobachten.
    Nun, ich will aber nicht abschweifen. Jedenfalls berichtete eine Krankenschwester in diesem damaligen Kurs, dass eines Tages ein Patient in einem Einzelzimmer sie barsch hinauswies. Nach einiger Zeit (es mag wohl eine Stunde gewesen sein) kehrte sie zurück und versuchte vorsichtig nach seinem Befinden zu schauen - da war er verstorben. Es war klar, dass er merkte, dass er versterben würde, und er wollte allein sterben. Sowas gibt es auch. Ich kann mir vorstellen, dass es mir ähnlich gehen könnte.
    Allerdings habe ich in meinem jüngsten Kurs, aus dem ich die Erfahrungsberichte postete, gehört, dass es in einem richtigen Hospiz zu solchen Fällen eher nicht kommt, denn die meisten gehen ins Hospiz, wenn sie noch einigermaßen klar im Kopf sind und eine langfristige Begleitung wünschen. Das ist natürlich etwas anderes, da lernt man seinen Betreuer längerfristig kennen und wünscht das auch.


    Doris RB:
    Du hast ein gutes Gedächtnis! Ja, ich pflege noch meine Mutter, und sie ist jetzt 92 Jahre alt (doch kam sie ja auch in meinem Erfahrungsbericht vor).


    LG - Amdap

    Jedenfalls habe ich mich vor vielen Jahren mal für Hospizarbeit interessiert und dachte, das mache ich mal, wenn ich viel Zeit habe, zum Beispiel wenn ich in Rente bin. Aber nun weiß ich, dass so etwas nicht das Richtige für mich ist.
    Eine frühere Kollegin, die seit über 10 Jahren in Rente ist, ist in ihrer Freizeit in der Hospizarbeit tätig. Sie war immer sehr laut und aufdringlich, dazu fühlte sie sich bei einfachen Äußerungen, ahnungslos ausgesprochen und allgemein gemeint, sehr angegriffen und "haute zurück", wo es doch gar nichts zu hauen gab. Das kam mir immer etwas grobschlächtig vor. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie bei Einsätzen "gut ankommt", und möchte auch selbst nicht von den falschen Leuten betreut werden, wenn ich mal sterbe.
    Genauso könnte es anderen gehen, dass ihnen meine Anwesenheit nicht behagt, aber im ungünstigen Fall können sie es nicht mehr aussprechen.
    Darüberhinaus haben mir diese psychologischen Übungen in dem Kursus gar nichts gebracht.
    Gut, dass ich dort teilgenommen habe, denn nun habe ich Klarheit. Es war lustig, dass ich mich am Mahakala abreagieren konnte.
    Allerdings, die Bardo-Belehrungen durch einen Lama, die interessieren mich sehr. Es wurde dort empfohlen, den Kursus damit zu ergänzen.


    LG - Amdap.

    Hallo Ihr, heute möchte ich mal meine Erfahrungen aus dem Kursus über Sterben und Sterbebegleitung aus buddhistischer Sicht mit Euch teilen. Der größte Teil des folgenden Textes stammt aus einem Brief an eine Freundin, damit ich das alles nicht erneut schreiben muss.


    "Also, zum Beispiel sollte die Gruppe sich in zwei Teile teilen und jeder Teil sich in einer Reihe (an der langen Leite des Raums) gegenüber stellen. Die eine Seite sollte die Gruppe der "Noch Lebenden" und die andere die der "Verstorbenen" bilden. Dann wurde angesagt: "Tod ist...", und dann mussten die "Verstorbenen" schlagwortartig, und wie in einer Art Brainstorming, Worte in den Raum setzen. Zum Beispiel: ("Tod ist...") "Befreiung", "dunkel", "bedrückend", "erleichternd" undsoweiter. Dann wurde angesagt: "Leben ist..." und die andere Gruppe musste in ähnlicher Weise Schlagworte in den Raum setzen. Markant war ja dabei die Gegenüberstellung der Begriffe, die sich teilweise nicht widersprachen, sondern sich glichen. Außerdem gab es dazu auch noch die Übung, dass die beiden sich gegenüberstehenden Reihen in langsamen kleinen Schritten aufeinander zugehen sollten. Hier dann aber nicht als ganze Reihe, sondern jeder individuell und nach Gefühl (so dass man zum Schluss natürlich eine ganz bestimmte Person vor sich stehen hatte). Auch sollte zwischendurch gewechselt werden, das heißt die Reihe der Lebenden wurde zu Toten und umgekehrt.


    Was mich ungemein gestört hat, das ist, dass immer der oder die eine oder andere dabei geheult hat. Man fühlt sich dann dabei als Therapiewerkzeug missbraucht und benutzt, dieses durch eine Person, die heult, aber die man doch nicht wirklich kennt. Ich finde es nicht richtig, dass jemand seine privaten Gefühle in einer Gruppe von fast fremden Menschen auslebt. Das ist doch so, als ob er auf die Toilette geht und man beobachtet ihn dabei.


    Dann sollten wir auch noch "erfühlen", wo die gesummten Vokale im Körper sitzen. Dazu mussten wir "Aaaa", "Eeee", "Iiii", "Oooo" und "Uuuu" laut summen (die Umlaute aber nicht), und währenddessen kreuz und quer durch den ganzen Raum laufen. Dabei kam ich mir ziemlich bekloppt und albern vor, aber ich dachte, ich lasse mir nichts anmerken und mache das einfach mit. Man musste dabei einfach nur aufpassen, dass man nicht mit irgend jemandem zusammenstößt, denn die Gruppe war sehr groß und dadurch der Raum sehr voll, wir waren letztes Mal mehr als 30 Leute.


    Ein anderes Mal war es so, dass zwei Personen sich zusammentun sollten, und die eine sollte den Sterbenden und die andere den Betreuer spielen. Auf mich kam da eine gewisse Claudia, die zu dem Zeitpunkt nicht das erste Mal im Kursus war und auch schon praktische Hospizerfahrung gehabt hatte. Zuerst sollte ich die Sterbende spielen. Claudia kam also herein, "stellte sich vor" (so musste man es machen) und machte furchtbar viel mit mir und bettete mich um, was mir alles ein wenig auf die Nerven ging. Sie erzählte zuerst, dass sie aus ihrem Garten kam, und was sie dort alles beobachtet hatte, und dass sie Gummistiefel anziehen musste, weil es zuvor geregnet hatte. Dann fing sie an, an mir herumzufummeln, indem sie mit irgendwelchen Stoffstücken auf meinen Händen undsoweiter herumstrich, und redete dabei sehr viel, versuchte dann auch noch, meinen Mund zu benetzen undsoweiter. Ich hätte viel lieber meine Ruhe gehabt. Aber es ist ja auch schwierig für den "Betreuer", die Zeit auszufüllen, wenn der "Sterbende" dabei nicht reden darf, weil er so tun muss, als ob er nicht mehr reden kann. Dann mussten wir die Rollen wechseln und nun spielte Claudia die Sterbende. Das war der Horror für mich, denn nun wusste ich überhaupt nicht mehr, was ich noch zu ihr sagen sollte, denn Claudia hatte so viel zu mir geredet, dass wir alle Themen schon durch hatten und mir gar nichts mehr einfiel. Also beschloss ich, fast nichts zu reden, höchstens mal: "Jetzt mache ich dies, jetzt mache ich das". Ich war froh, als die Zeit um war, und war schon ganz verspannt. Anschließend sollten wir uns dann setzen und darüber sprechen. Ich erklärte Claudia natürlich, dass ihre vielen Aktionen mich ganz nervös gemacht hatten. Claudia entgegnete zu meinem Erstaunen nicht, dass sie sich über meine Schweigsamkeit gewundert hatte, sondern dass ich sie aus Versehen falsch gebettet hatte und ihr das unangenehm war, und mir das nicht aufgefallen war."


    Das Verrückteste aber war folgende Aufgabe:
    Wir sollten an eine Person denken, mit der wir uns normalerweise noch einmal aussprechen müssten, was aber aus allen erdenklichen Gründen nicht mehr möglich war. Sei es, dass die Person den Kontakt strikt mit einem abgebrochen hat, dass sie verstorben war, dass sie im Koma lag oder ausgewandert war, ohne die Adresse zu hinterlassen - egal. Dazu sollten wir stichpunktartig die einzelnen Themen auf einem DINA4-Zettel auflisten. Dann sollte jede/r von uns in die freie Natur hinausgehen an einen Ort, wo man von keinem anderen gehört wird, und laut, nach den Posten, wie man sie auf den Zettel geschrieben hatte, die einzelnen Themen in einem fiktiven Gespräch mit der ausgewählten Person durchsprechen, und ihr "sagen", wie es einem damit geht. Das laute Sprechen war wichtig.
    Komischerweise hatte ich die Aufgabe aber zuerst gar nicht begriffen. Musste immer wieder die beiden Kursleiter fragen: "Wie war das noch mal - was soll ich machen? Aufschreiben für wen, und wo soll ich dann damit hingehen?" .... usw. Ich hatte ein richtiges Brett vorm Kopf. - So stand ich immer noch mit den beiden Kursleitern im Türrahmen und fragte und diskutierte, während die anderen sich überall herum schon ihre Plätzchen gesucht hatten, um laut ihren Text herunterzubeten. Als ich es endlich begriffen hatte, was ich machen soll, da war in der umgebenden Natur "kein Platz mehr frei", alle hatten sich schon irgendwo platziert. Mist, dachte ich, wo soll ich nun hingehen!? - Da kam mir eine geniale Idee: wie wäre es denn, wenn ich gucken würde, ob im Tempelraum alles frei ist? Dann hätte ich dort freie Bahn! - Gesagt, getan. Der Lakhang war frei! Und ich war sehr wütend. Hatte mir als Gegenüber meine Mutter ausgedacht, weil ich eigentlich noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen hätte, doch andererseits sie mir in ihrer Gebrechlichkeit und Demenz nur noch leid tut. Ich war wütend auf diese komische Übung. So ging ich mit dem Zettel zu Mahakala rechts am Schrein und schimpfte wie ein Rohrspatz. "Findest du nicht auch, dass das hier eine Scheiß-Übung ist... so ein Blödsinn und so ein Schrott!!!" - undsoweiter, beklagte ich mich bei ihm, und zerriss "vor seinen Augen" den Zettel.
    Damit war meine Übung beendet.


    Viel Spaß beim Nachdenken wünscht Euch Amdap.