Beiträge von Sudhana im Thema „Hingabe - Vertrauen - Glaube“

    Sherab Yönten:

    Besonders im Tibetischen Buddhismus ist viel von Hingabe und Vertrauen die Rede.


    Ich habe manchmal Schwierigkeiten, diese Begriffe abzugrenzen.


    Was bedeuten für Euch Hingabe - Vertrauen - Glaube ?
    Wie würdet Ihr diese Begriffe definieren?

    Fangen wir mal mit "Vertrauen - Glaube" an. Im Kontext des Buddhadharma geht es da nicht um zwei verschiedene Dinge, sondern um eines: śraddhā (yid ches pa, mngon par dad pa). Weder 'Vertrauen' noch 'Glaube' sind da 100%ige Entsprechungen, wobei mE 'Vertrauen' das deutlich besser abdeckt als 'Glaube'. Ich habe zu dem Unterschied zwischen 'Glaube' und śraddhā schon wiederholt geschrieben und möchte mich hier nicht wiederholen. Die Wiedergabe mit 'Glaube' ist mE hauptsächlich einer ziemlich bemühten Analogie zur christlichen Religion geschuldet. Ob so etwas notwendig ist, um Menschen, die in einer durch das Christentum geprägten Kultur aufgewachsen sind, nahezubringen, was śraddhā bedeutet oder ob es sie (zumindest ein Stück weit) irreführt, lässt sich pauschal nicht beantworten - das hängt vom einzelnen Menschen ab. Jedenfalls sind christlicher 'Glaube' und śraddhā zwar beides Stiefel, aber doch unterschiedliche Paare. 'Vertrauen' ist, wie schon angedeutet, meines Erachtens etwas passender und vor allem erschwert es eine Verwechslung mit dem christlichen Glaubensbegriff.


    Grundsätzlich sind solche Übersetzungen nur Übergangslösungen, die an ein Verständnis von śraddhā heranführen können. Ein tatsächliches Verständnis von śraddhā entwickelt sich mit śraddhā selbst - durch das Gehen des achtfachen Pfades. Man spricht hier von śraddhābala (dad pa'istobs), der 'Kraft von śraddhā (mngon par dad pa)', die sich durch die Praxis des achtfachen Pfades entwickelt. Hinreichend durch Übung entfaltet ist śraddhā weder 'Glaube' noch 'Vertrauen' sondern 'Überzeugung' - und zwar eine auf Überprüfung durch eigene Erfahrung beruhende.


    Das hängt damit zusammen, dass śraddhābala zusammen mit vier weiteren 'Kräften' entwickelt wird: vīrya (brtson 'grus - das wiederum dürfte mit 'Hingabe' gemeint sein), smṛti (dran pa), samādhi (ting nge 'dzin) und prajñā (shes rab). Zusammengefasst nennt man dies die pañcabalāni. Die pañcabalāni sind ein grundlegendes buddhistisches Konzept, man findet beispielsweise hier etwas darüber. Speziell śraddhā ist in seiner entfalteten Form Kennzeichen des sotāpanna ('Stromeingetretenen'). Aus mir unerfindlichen Gründen hielt Wilhelm Geiger in seiner Übersetzung des Samyutta Nikaya den 6. Abschnitt des Mahāvagga für "entbehrlich". Daher hier nur eine englische Übersetzung. Im nördlichen Kanon ist die Parallelstelle Saṃyuktāgama 673ff. (mW nur in chinesischer Übersetzung überliefert).


    Eine Anmerkung noch zu vīrya: 'Hingabe' als Übersetzung vermittelt nach meinem Verständnis ein zu passives Bild. Es geht nicht um Hingabe an etwas getrennt vom Praktizierenden Existierendes, sondern um aktive, 'tatkräftige' und energische Praxis des achtfachen Pfades. Dazu möchte ich mir den Hinweis nicht verkneifen, dass dies mit Hingabe an einen Guru nur dann gleichgesetzt werden kann (nicht muss), wenn dessen Praxis des achtfachen Pfades wirklich perfekt ist. Das ist dann leider nur allzu häufig eine Sache, die dann wirklich nur auf 'Glauben' beruht.


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    P.S.: da ich hier im tibetischen Unterforum schreibe, habe ich mich bemüht, auch entsprechende tibetische Begriffe zu den Sanskrit-Begriffen zu nennen. Da tibetischer Buddhismus nun nicht wirklich mein Beritt ist, kann ich da Irrtümer nicht ausschließen. Im Zweifelsfall gelten die Sanskritbegriffe. Ansonsten handelt es sich natürlich nicht um ein speziell 'tibetisches' Thema. Die Frage wäre passender im allgemeinen Forum gestellt worden. ()