Beiträge von Sudhana im Thema „Wiedergeburt im Zen“

    Zitat

    Was sind die tausend Milliarden Nirmāṇakāyas? Wenn ihr die Myridaden von dharmas nicht denkt, ist die Natur von Grund auf wie leerer Raum. Ein einziger Gedankenmoment wird Transformation genannt. Schlechtes Denken bedeutet Transformation in die Höllen. Gutes Denken bedeutet Transformation in die Himmel. Gift und Verletzung werden in Drachen und Schlangen transformiert. Mitgefühl wird in Bodhisattvas transformiert. Weisheit wird in die oberen Reiche transformiert. Dummheit wird in die niederen Reiche transformiert. Die Transformationen der Selbstnatur sind extrem zahlreich. Die verblendete Person kann dies nicht verstehen und aktiviert in jedem Moment des Denkens Übel, fortgesetzt die üblen Wege praktizierend. Doch wenn sie einen einzigen Gedanken der Güte hat, wird Weisheit erzeugt: dies nennt man den Nirmāṇakāya-Buddha der Selbstnatur.


    Zur Erläuterung: Die "Wiedergeburt" (hier weniger irreführend mit "Transformation" bezeichnet) ist etwas, das nur mittelbar mit Sterben oder Geburt zu tun hat. Transformation bezeichnet die Dynamik des gegenwärtigen (Gedanken-)Moments, der zum einen Zeit und zum anderen einen 'Eigner' des Gedankenmoments (die "verblendete Person") konstituiert. Anders gesagt: einen der "tausend Milliarden nirmāṇakāyas", der sich permanent (in einen anderen nirmāṇakāya) transformiert. Die Dynamik der nirmāṇakāyas (ihr 'Merkmal' anitya) zeigt sich der "verblendeten Person" in dualistischer Form als Leben-und-Tod, saṃsāra. In diesem saṃsāra "wandert" nichts - es wandelt sich lediglich. Das Wandeln, die Transformation, personal zu interpretieren ist ātmadṛșṭi - falsche, verblendete Sicht.


    Anmerkung: grundsätzlich gibt es eine gewisse Verwandtschaft mit Meister Eckarts etliche Jahrhunderte jüngerem Begriff der 'ewigen Geburt' im 'ewigen Nun'. Deutlich ist aber auch der Unterschied, vor allem der radikale Dualismus Mensch-Gott im Gegensatz zur Identität dharmakāya / nirmāṇakāya, wobei letzterer lediglich durch hinzukommende 'Befleckungen' (kleśa, das "Denken der Myriaden von dharmas") der Selbstwahrnehmung entzogen ist.


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    Djuvec:

    Da fällt mir grad noch eine Geschichte aus dem Sutra des Sechsten Patriarchen ein,


    Und da dachte ich, ich würde das Plattform-Sutra kennen ... Wärest Du so freundlich, anzugeben, wo genau sich diese Geschichte findet?


    Was auch immer Huineng irgendwelchen Hofschranzen erzählte, seinen Mönchen erzählte er so etwas:

    Zitat

    Was sind die tausend Milliarden Nirmāṇakāyas? Wenn ihr die Myridaden von dharmas nicht denkt, ist die Natur von Grund auf wie leerer Raum. Ein einziger Gedankenmoment wird Transformation genannt. Schlechtes Denken bedeutet Transformation in die Höllen. Gutes Denken bedeutet Transformation in die Himmel. Gift und Verletzung werden in Drachen und Schlangen transformiert. Mitgefühl wird in Bodhisattvas transformiert. Weisheit wird in die oberen Reiche transformiert. Dummheit wird in die niederen Reiche transformiert. Die Transformationen der Selbstnatur sind extrem zahlreich. Die verblendete Person kann dies nicht verstehen und aktiviert in jedem Moment des Denkens Übel, fortgesetzt die üblen Wege praktizierend. Doch wenn sie einen einzigen Gedanken der Güte hat, wird Weisheit erzeugt: dies nennt man den Nirmāṇakāya-Buddha der Selbstnatur.


    Findet sich im 'Reue'-Abschnitt, Seite 52 der Übersetzung McRaes von T.48.2008


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    jianwang:

    Und gerade beim Konditionalnexus gibt es starke Auslegungsunterschiede zw "kleinem und grossen Fahrzeug" ... bis heute

    Nicht nur da. "Rad der zwanghaften Wiedergeburt" habe ich gerade bei den Kollegen vom Dach der Welt gelesen. In Bezug auf das Aśokacakra, das wiederum mit seinen 24 Speichen den Konditionalnexus Pratītyasamutpāda (die 12 nidāna einmal 'vorwärts' und einmal 'rückwärts') symbolisiert. Mit anderen Worten: Pratītyasamutpāda = "zwanghafte Wiedergeburt". Das erscheint mir schon etwas fixiert - um nicht zu sagen, selbst ein wenig zwanghaft ...


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    Sherab Yönten:
    Sudhana:

    und in dieser Leere weder Entstehen noch Vergehen existieren.


    Könnte man hier Leere nicht mit dem Begriff Unendlichkeit verwechseln? In der Unendlichkeit oder im unendlichen Raum gibt es tatsächlich weder Entstehen noch vergehen.

    Zunächst: warum sollte man das verwechseln? Im Herzsutra ist da doch eindeutig von (Śūnyatā) die Rede und nicht von muhen bzw. kū muhen sho (ākāśânantyâyatana), dem 'Bereich der Unendlichkeit des Raumes'. Letzteres ist das erste der vier formlosen Samādhi und natürlich gibt es da Entstehen und Vergehen, weil lediglich der rūpaskandha aufgehoben ist, nicht jedoch die sonstigen skandhah.

    Sherab Yönten:

    Doch man muss beim Leerheits Begriff wissen, wie er gemeint ist. Denn Leerheit gibt es nur im Zusammenhang von "leer von irgendetwas" also von einer Eigennatur oder leer von inhärenter Existenz u.s.w..

    Geschenkt. Dass Śūnyatā eine Kurzform für Svabhavaśūnyatā und dies wiederum ein Wechselbegriff für Pratītyasamutpāda ist, weiss man auch im Zen. Nāgārjunas MMK wurden bereits Anfang des 5. Jahrhunderts von Kumārajīva ins Chinesische übersetzt (also eine ganze Weile, bevor man in Tibet von Nāgārjuna auch nur gehört hatte) und das darauf (sowie auf weitere Texte von ihm und Kanadeva / Aryadeva) aufbauende Sanlun (Jap. Sanron, Madhyamaka) ist eine der Wurzeln des Chan / Zen.

    Sherab Yönten:

    Und der Zusammenhang leer von inhärenter Existenz ist eigentlich der philosophische "Beweis" der Wiedergeburt, nämlich das kein Phänomen in der Zeit unveränderlich bleibt, sondern immer wieder neu entsteht (also "wieder" geboren wird). Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausdrücken können?

    Zunächst einmal - was verstehst Du eigentlich unter "inhärenter Existenz". Ich höre den aus der abendländischen Philosophie entlehnten Begriff "Inhärenz" in diesem Zusammenhang immer wieder - aber ich habe ein wenig den Eindruck, dass dass die Wenigsten, die diesen Begriff verwenden, eine halbwegs klare Vorstellung von dessen Bedeutung haben.


    Sodann: "dass kein Phänomen in der Zeit unveränderlich bleibt" ist das lakṣaṇa anitya und hat nur bedingt etwas mit Nāgārjunas Śūnyatā-Begriff etwas zu tun. Ein ""Beweis" der Wiedergeburt, nämlich dass kein Phänomen in der Zeit unveränderlich bleibt, sondern immer wieder neu entsteht (also "wieder" geboren wird)" ist das gewiss nicht. Es besagt lediglich, dass "kein Phänomen in der Zeit unveränderlich bleibt". Der Rest - dass ein Phänomen "immer wieder neu entsteht (also "wieder" geboren wird)"" entspringt nur Deiner Phantasie. Phänomene (dharmas) entstehen aus einem komplexen Muster von Ursachen und Bedingungen (hetupratyaya) - und dieser Konditionalnexus ist ebenso anitya wie die durch ihn bedingten dharmas. Genauer: die dharmas sind anitya, weil es der Konditionalnexus ist. Dieser Nexus ist dynamisch, nicht statisch. Dass es da eine "Wiederkehr" oder gar "Wiedergeburt" identischer dharmas gäbe, ist reine Spekulation. Zu der hinter dieser Spekulation stehenden Motivation habe ich mich ja bereits geäußert.


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    Sherab Yönten:

    Kann man das so pauschal sagen, dass "Wiedergeburt im Zen keine Rolle spielt"???

    Zumindest wird diese nervige obsessive Beschäftigung mit "Wiedergeburt" nicht ermutigt. Das ist Anhaften an Sichtweisen, mit denen sich die (Todes-)Ängstlichen trösten und beschwichtigen, die aber nicht wirklich hilfreich sind, weil sie nur Erscheinungsformen von Persönlichkeitssicht (身見, shinken, ātma-dṛṣṭi) sind. Diesen Hinweis findet man übrigens auch schon im Palikanon, z.B. MN 2, Sabbāsava Sutta.


    Es gibt einen Zustand in der Zeit, den wir Entstehen (shō) nennen und einen Zustand in der Zeit, den wir Vergehen (metsu) nennen. Wenn man genau hinschaut, was vergeht und was entsteht und wie Vergehen vergeht und Entstehen entsteht, dann zeigt sich, dass beides leer ist und in dieser Leere weder Entstehen noch Vergehen existieren. So steht es auch im Herzsutra: Sharishi ze sho hō kū sō fu shō fu metsu (iha śāriputra sarvadharmāḥ śūnyatālakṣaṇā anutpannā aniruddhā).


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