Beiträge von Sudhana im Thema „Off Topic: Bardo des Leben ( war Kammatthana Leichenbetrachtung)“

    Moosgarten:

    Was heisst "argumentativ auflösen"?

    Per Diskurs eine Einsicht provozieren. Maieutik.

    Moosgarten:

    Ich gehe nicht davon aus, dass bei unserem Gesabbel irgendjemand erwacht.

    Ich auch nicht. Aber darum geht es ja hier nicht, sondern nur um die erste der saṃyojanāni. Und wenn es da an einer Grundlage im samādhi-Aspekt des marga fehlt, kannst Du Dir den Mund fusselig reden, das bringt sammādiṭṭhi nicht voran.

    Moosgarten:

    Wenn es aber dazu führt, dass jemand das als Anlass nimmt, da selbst etwas genauer nachzuforschen, sehe ich keine Energie verschwendet.

    Okay, so macht es vielleicht Sinn. In dem Fall Danke für die Energieverschwendung. :)


    ()

    accinca:

    Und nachdem der nun tot ist, merkt er denn noch was
    von den Ursachen. Oder merkt der eine das und der andere nicht?
    (jetzt mal ohne ausweichen bitte)

    Bei aller Achtung vor der Geduld und Beharrlichkeit der beiden Diskutanten - für mich zeigt sich hier (zum wiederholten Mal) die Unmöglichkeit, ātmadṛṣṭi argumentativ aufzulösen. Insofern schade um die aufgebrachte Energie.


    ()

    mukti:

    Ich sehe es so dass eine Flamme, die vom Wind angeblasen "weit geht", nicht mehr mit ihrem ursprünglichen ernährenden Träger in Verbindung ist, sondern vom Wind getragen wird. Ebenso wie ein Wesen das den Körper ablegt und noch keinen anderen angelegt hat, von Durst getragen wird.

    Okay, danke - so kann ich das mit dem Zwischenzustand als mögliche Interpretation nachvollziehen. War da etwas schwer von Begriff. Es wäre dann ein Zustand ohne 'Nahrung', an deren Stelle der 'Durst' (in der Metapher der Wind) tritt.

    mukti:

    Ich denke dass es dazu Erklärungen gibt, nur sind sie nicht so leicht einsehbar.

    Ja. Das Problem ist halt, dass man da versucht ist, sich ersatzweise unter "Wiedergeburt" im Buddhismus selbst etwas zusammenzureimen, das die atta-Sicht verfestigt, statt sie aufzulösen. Das macht mir diesen Begriff so unsympathisch. Jedenfalls - mit einer solchen Formulierung

    mukti:

    eine immer wieder neu erscheinende Ich-Vorstellung in verschiedenen Daseinsbereichen [...], verbunden durch kamma-vipaka.

    habe ich kein Problem.


    ()

    Zunächst einmal Danke mukti für die Quellenangabe. Einen Verweis auf eine 'Zwischenexistenz' kann ich da allerdings nicht entdecken. Ansonsten halte ich es für müßig, die ewige Wiedergeburtsdebatte ein weiteres Mal aufzurollen. Ich kann dazu nur wie schon früher anmerken, dass es unumgänglich ist zu klären, was da unter der Prämisse anatta eigentlich "wiedergeboren" wird. Dann wird auch deutlich, dass das mit dem, was sich Hindus oder westliche Esoteriker unter Wiedergeburt vorstellen, nicht viel zu tun haben kann. Und (zumindest mE) auch, dass es im Interesse der Vermeidung von Missverständnissen besser ist, auch diesen Begriff zu vermeiden. Die Auffassung des orthodoxen Theravada zu dieser Frage - nach der @nylaana konkret gefragt hatte - habe ich versucht, in Kürze darzustellen.


    Apropos 'den Begriff Wiedergeburt als missverständlich vermeiden': ergänzend nur die kurze philologische Anmerkung, dass auch in SN 44.9 nicht wirklich punarjāti (Wiedergeburt) steht, sondern upapatti (Erlangung / Ereichung) - ein terminus technicus für den Eintritt eines Lebewesens (satta) in einen der gati oder loka (Existenzbereiche fühlender Wesen).


    ()

    accinca:

    Kommt darauf an wie man es versteht bzw. meint.
    D.h. es kommt auf die Frage an ob wir jetzt zu Lebzeiten
    einen kontinuierlichen Bewusstseinsstrom haben oder nicht.
    Je nachdem kann die Antwort verschieden sein.

    Im Kontext dieses Threads kommt es nicht darauf an, wie "man" es versteht oder meint, sondern darauf, was Auffassung des Theravada ist - genau danach hatte nyalaana nämlich gefragt. Hier wird man konkret im Patthāna und im Pañcappakaraṇaṭṭhakathā fündig - also im 7. Buch des Abhidhamma als (pali-)kanonischer Quelle und dem klassischen, Buddhaghosa zugeschriebenen Kommentar aus dem 4. oder 5. Jahrhundert bzw. in Buddhaghosas Kompendium Visuddhimagga.


    Der bhavaṅga-sota gilt dort als Substrat, als tiefste Schicht des Bewusstseins, das auch durch Ereignisse wie tiefe Bewusstlosigkeit oder traumlosen Tiefschlaf nicht unterbrochen wird. Bei solchen Ereignissen wird lediglich der viññāṇakkhanda vorübergehend auf eben dieses Substrat reduziert. Aus diesem Grund empfindet sich die Person (der pudgala) nach dem Ereignis als dieselbe wie die vor dem Ereignis und sie verliert durch das Ereignis idR auch nicht 'ihre' Erinnerungen. D.h. dieser bhavaṅga-sota ist Grundlage für die Selbstwahrnehmung der Kontinuität der empirischen Person bzw. das Kontinuum bhavaṅga-sota von patisandhi-viññāṇa ('Wiederverknüpfungs-Bewusstsein') als erstem Bewusstseinsmoment des bhavaṅga-sota bis zum cuti-viññāṇa ('Sterbe-Bewusstsein') als dessen letztem Bewusstseinsmoment definiert eine empirische Person.


    Der entscheidende Unterschied zu 'tibetischen' Vorstellungen ist die, dass dieser Bewusstseinsstrom bhavaṅga-sota mit dem Tod (genauer: dem letzten Bewusstseinsmoment cuti-viññāṇa) versiegt und lediglich das (karmisch geprägte) Bewusstseinsobjekt des cuti-viññāṇa zum Bewusstseinsobjekt eines patisandhi-viññāṇa wird und damit einen neuen, anderen Bewusstseinsstrom initialisiert. Da gibt es kein "subtiles" Bewusstsein, das über den Tod hinaus existiert und erst einmal irgendwelche Unter- und Überwelten durchwandert. Nur dieses Bewusstseinsobjekt als Frucht (vipāka) des erlöschenden Bewusstseinsstroms, das gleichzeitig Same eines neu entstehenden Bewusstseinsstroms ist. Was hier also von Existenz zu Existenz "weitergegeben" wird, ist lediglich vipāka der früheren Existenz. Insofern ist die neue Existenz nicht ohne Ursachen und Bedingungen entstanden, sondern 'karmisch produziert', kamma-samutthāna.


    Zwischen zwei derart karmisch verknüpften, aufeinander folgenden Existenzen besteht jedoch keinerlei Identität, da wird nichts "wiedergeboren". Es besteht lediglich die "Verknüpfung" (patisandhi), dass das momentane Objekt des cuti-viññāṇa der einen Existenz zum momentanen Objekt des patisandhi-viññāṇa der anderen Existenz wird - also der Endpunkt eines individuellen Bewusstseinsstroms zum Anfangspunkt eines neuen Bewusstseinsstroms wird. Dazu bedarf es keiner "Zwischenexistenz" und daher gibt es so etwas im orthodoxen Theravada auch nicht.


    ()

    mukti:
    nyalaana:


    Frage an die Theravadis: wie nennt man nach theravadischer Auslegung/Lehrmeinung den Abschnitt ziwschen 2 Wiedergeburten? Also Ein Mensch ist gestorben, und der Mensch wird geboren, wie nennt man das was da dazwischen passiert, wenn es das nicht gibt, dann müßte man praktisch direkt nach den Tode sofort ohne Zeitverzögerung wiedergeboren werden, oder wo liegt da mein Denkfehler? Im tibetischen wird das mit "Bardo des Todes" bezeichnet.


    Meistens wird im Theravada angenommen dass Tod und Geburt ohne Zwischenzustand stattfinden. Es gibt aber auch Diskussionen darüber. Z.B. in einer Lehrrede vom Buddha heißt es sinngemäß, wenn ein Wesen gestorben und noch nicht wieder geboren ist, wird es von Begehren getragen.
    Persönlich kann ich der Bardo Lehre viel abgewinnen. Das Erreichen dieses Zwischenzustandes kann ja auch als eine neue Geburt aufgefasst werden.

    Das wird nicht nur "meistens" angenommen (und die genannte Lehrrede hätte ich gerne genauer bezeichnet, würde ich mir gerne anschauen). Die Position des Theravada zu dieser Frage ist in Buddhaghosas Visuddhimagga (insbesondere im Abschnitt XVII) zusammengefasst und umfassend dargestellt. Da gibt es keine "Zwischenexistenz" zwischen dem letzten Bewusstseinsmoment eines sterbenden Wesens (cuti-viññāṇa, 'Sterbe-Bewusstsein') und dem ersten Bewusstseinsmoment (patisandhi-viññāṇa, 'Wiederverknüpfungs-Bewusstsein') eines neu entstehenden Wesens. Von patisandhi / Wiederverknüpfung wird hier gesprochen, weil das Bewusstseinsobjekt dieses 'Wiederverknüpfungs-Bewusstsein' identisch ist mit dem Bewusstseinsobjekt eines 'Sterbe-Bewusstseins', mithin also einen beendeten Bewusstseinsstrom (bhavaṅga-sota) mit einem neu entstehenden Bewusstseinsstrom verknüpft. Ein kontinuierlicher Bewusstseinsstrom, der also den Tod eines individuellen Wesens überdauert und reinkarniert (wörtlich: 'wieder Fleisch wird') ist das selbstredend nicht - das stünde nach Theravada-Auffassung (und nicht nur der) in eindeutigem Widerspruch zur anatta-Lehre.


    Eine Zwischenexistenz (antarabhāva) zwischen Tod und Wieder-Werden (punarbhava, häufig falsch mit "Wiedergeburt" übersetzt), postulierten hingegen andere frühe buddhistische Schulen, insbesondere die Sarvāstivāda-Schule und (natürlich) die personalistischen Vātsīputrīyas. Die Mahāsāṃghika (wichtigste Vorläufer des Mahāyāna) akzeptierten übrigens ebenso wenig eine solche Zwischenexistenz wie die Vibhajyavādin (Vorläufer des Theravada).


    Über die Sarvāstivādin (speziell durch Vasubandhus Abhidharmakośa, das für die Sarvāstivādin eine ähnliche Rolle spielt wie das Visuddhimagga für die Theravadin) kam diese Theorie auch nach Tibet, wo sie mit einheimischen schamanistischen (Bön-)Vorstellungen verschmolz, was dann schließlich zu so bunten und fantasievollen Werken wie dem Bardo Thodol führte, das man problemlos als 'Reiseführer' einer schamanistischen Reise lesen kann. Das ich übrigens durchaus schätze, jedoch als metaphorische Beschreibung des sidpa bardo, was wiederum für mich schlicht 'karmisch bedingtes Werden' ist, das von 'karmisch bedingtem Vergehen' nur theoretisch getrennt werden kann und auch kein 'Zwischenzustand' zwischen Tod und Leben, sondern ein Aspekt von Tod-und-Leben ist. Das ist natürlich keine traditionelle tibetische Lesart.


    Zum eigentlichen Thema scheint mir ein Hinweis sinnvoll. Im Theravada-Vinaya, Bhikkuvibhanga, Parajika 3 wird im ersten Bericht (Vorgeschichte) der Fall einiger Bhikkus von Vesali erörtert, die asubha-bhavana geübt und aus Weltekel Selbstmord begangen bzw. einander getötet hatten oder den Einsiedler Migalandika veranlasst hatten, sie gegen Überlassung ihrer Gewänder und Schalen zu töten. Buddha legte in der dadurch veranlassten Beratung zunächst (auf Bitte Anandas) ausführlich die Methode der Achtsamkeit auf den Atem (offensichtlich als weniger 'gefährliche' Methode) dar, woraus man schließen kann, dass er damit implizit die Methode asubha-bhavana als für Viele zu gefährlich verwarf.


    Zumindest lässt sich dem entnehmen, dass die 40 kammaṭṭhāna (die asubha bilden deren zweite Zehnergruppe) nach Auffassung Buddhas nicht alle geübt werden müssen, sondern dass es sich um ein 'Arsenal' von Methoden handelt, unter denen die für die speziellen Ausgangsbedingungen / psychologische Disposition des Übenden geeignete(n) auszuwählen sind. Und die ungeeigneten zu meiden.


    ()