Beiträge von Sudhana im Thema „Mitgefühl mit Tätern? Nur wie??“

    Menschen sind vor allem ein Produkt der Ursachen und Bedingungen, die ihnen ihren Weg weitestgehend vorgeben. Die Gelegenheit, diesen Weg in eine andere Richtung zu lenken, ergibt sich zwar in jedem einzelnen Moment. Aber die Entscheidungen, mit denen wir unseren Weg beeinflussen können, sind nur zu einem sehr geringen Grad frei. Beschränkt wird diese Freiheit durch Gewohnheiten, Konditionierungen und die Unfähigkeit, die weitreichenden Konsequenzen unserer Entscheidungen zu sehen.


    Unsere Übung hat nicht zuletzt den Sinn, den Freiraum unserer Entscheidungen zu vergößern, indem sie uns Gier, Angst und den daraus resultierenden Hass, sowie die Unwissenheit über die Folgen unseres Handelns - also die Ursachen und Bedingungen, die unseren Weg zu einem leidhaften Weg machen - bewusst macht. Dass wir überhaupt auf diese Möglichkeit gestoßen sind und die Entscheidung getroffen haben, sie wahrzunehmen, hat vor allem etwas mit Zufall und Glück zu tun. Nichts mit Verdienst und schon gar nichts damit, dass wir irgendwie "besser" (ob nun moralisch oder sonstwie) sind als Andere. Wenn ich auf meinen eigenen Weg zurückblicke, kann ich es nur als glücklichen Zufall empfinden, dass ich aus Frustration, Hass, Wut und Verbitterung nicht als Spätpubertierender in der terroristischen Szene gelandet bin oder kriminell wurde. Ich habe keinen Grund, mich als etwas Besseres zu fühlen als der junge Amokläufer - nur Grund zur Dankbarkeit, dass mich mein Weg woanders hin geführt hat. Und sei es auch nur Dankbarkeit dem Zufall gegenüber.


    Dankbarkeit hat den Sinn, das Positive, dass man empfindet, wenn man seinen eigenen Weg mit dem Anderer wie z.B. dem von Nicolas C. vergleicht, zu vergelten. Aber das Vergelten wiederum ist eine andere Geschichte. Mitgefühl (auch) mit dem Täter bedeutet jedenfalls nicht diese Art Dankbarkeit. Es beruht vielmehr auf der Einsicht "auch ich bin so".


    Natürlich ist es schwierig, da wirklich eine mitfühlende, emotionale Verbindung, eine Brücke zu bauen. Das Hindernis dabei ist die Angst und der Hass, der immer noch in uns selbst steckt und den wir unwillkürlich auf geeignete Objekte richten, wenn wir nicht auf unsere Gefühle achten. Und wer ist da geeigneter, hat es mehr verdient, gefürchtet und gehasst zu werden, als ein 'Täter'? Aber man kann sich an das Mitgefühl mit 'Tätern' heranarbeiten - und da hat Tychiades schon einen Zugang aufgezeigt. Einige der scheußlichsten Kriegsverbrechen wurden und werden von Kindern begangen - und daher kann es gerade hinsichtlich 'Mitgefühl mit Tätern' sehr lohnend sein, sich etwas mit dieser Problematik zu befassen (übrigens war am Montag Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldaten). Das macht es vielleicht etwas einfacher, auch einen Zugang zu Mitgefühl nicht nur mit Kindern, sondern allgemein mit 'Tätern' zu entwickeln.


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    P.S.: um nicht nur auf Afrika oder die schießwütigen Yankees zu verweisen hier noch ein Link auf einen Pressebericht vom letzten Monat.