Beiträge von void im Thema „Das „nicht“-Paradoxon in den Koan des Chan/Zen Buddhismus oder es ist nicht ein Ding“

    Whitehead nannte die europäische Philsliophie mal "Fußnoten zu Platon". Es ist schön, das wir uns im Budddhismus in einer so großartigen Situation befinden, von Platons Fehlern frei zu sein und uns nicht auf das Kritzeln von Fussnoten beschränken zu müssen. Mir kommt aber obiges Bid zum Höhlengleichnis wie ein Versuch vor, aus buddhitischen Ideen "Fußnoten zu Plato" zu machen und es so mit den Ideen von Kant und Schopenhauer vergleichbar zu machen. Warum machst du das denn?


    Ist es am Zen nicht so schön, dass "Form und Leere" keinen Abgrund aufweisen und das was der Ursprung ist ( dein "Licht der Leere") nichts ist, was die Objekte und Subjekte alleine lässt. In Platons Bild ist doch alles traurig: Die Subjekte sind verblendet in ihrer Subjektivität eingeschlossen, die Objekte werden zu Materie oder blossem Schein und das Licht hat den Kontakt mit beidem verloren.


    Ein "Schindluder" ist ein krankes, altes oder schon totes Haustier, das man zum Abdecker bringt, so dass er er den Kadaver verwertet. Aus den Knochen konnte er Seife machen und die Häute dem Gerber bringen. Der Ochse aus den zehn Ochsenbildern ist ein fideles, vitales Tier. Macht es Sinn, ihn als Schindluder zum Schinder zu treiben, so dass er ihn zerteilt? Für mich sind die Kategorien in Platons Bild ("Subjekt", "Objekt", "Licht") ja Aufteilung, die die Ganzheit opfern und den Ochsen töten.


    Während Zen von der Ganzheit ausgeht und die Ganzheit sieht, ist das Bild von Platon eines der Zergliederns und Zerschneidens.

    Die Frage ist die, ob es verschiedene Arten gibt, wie Sprache auf etwas deuten kann.


    Eine Ebene ist die sachliche: Ich kann mit Sprache information weitergeben.


    Aber denken wir mal ans Militär: Da gibt ein Ausbilder vielleicht nicht nur Information weiter und der Autist in der letzten Reihe ist eher falsch gewickelt, wenn er das so auffasst.


    Es wird eingeschüchtert, angeschrieben - die Art wie gesprochen wird etabliert Hierarchien und Ordnungen. Wie ein Schäferhund seine Herde durch Bellen zusammen hält und führt, fügen sich die Individuen zum Ganzen und bekommen eine Richtung gedeutet.


    Es ist eine seltsame Form der Sprache. Und genauso verwendeten auch die Brahmanen zu Buddhas Zeiten ihre Sprache nicht-alltäglich sondern im Kontext von Ritualen


    War es jetzt so dass Buddha gegenüber diesen anderen Verwendungen von Sprache kritisch war und schlichte Informationsvermittlung ohne Geheimnisse bevorzugte. Oder stimmt das nicht so?

    Ein Koan gelöst, wirklich ganz gelöst, heißt alle Koan gelöst.


    Ich würde ja wirklich aufhören mit diesen Dingern, die für meine Begriffe offenbar koaner Ahnung entsprungen sind ;)


    Moderation

    Ich möchte daran erinnern, das dies der Forumsbereich fur Diskussionen im Rahmen des Zen ist. Von daher sollte man sich nicht über wichtige Praktiken wie Koans lustig machen. Wenn es euch daran liegt, da eine Diskussion zwischen den Richtungen zu fuhren kann ich das in einen allgemeineren Bereich verschieben.

    Netter Versuch.


    Anstatt "Dinge" kann man auch "dharmas" sagen, dann wird es deutlich, dass auch Prozesse dharmas sind. Der Begriff Verdinglichung bezieht sich auf die marxistische Theorie, in der die lebendigen Arbeitsbeziehungen durch den Kapitalverwertungsprozess zu Sachbeziehungen gemacht werden, verdinglicht werden. Gedanklich kann keiner dieser Verdinglichung entgehen - LOL.

    "Verdinglichung" bei Marx kommt mir eher wie ein Spezialfall von etwas Allgemeineren vor. Bei Marx geht es ja darum, dass ein komplexer sozialer Prozess zwischen Menschen in sowas wie Ware oder Wert verdinglicht wird. Man hält etwas dann für ein Ding, und die ganzen Bedingungen werden unsichtbar.


    Für mich ist das ein Spezialfall von etwas Allgemeineren, weil es ja eine allgemeine Tendenz unseres Denkens ist, komplexe, verwobene Prozesse zu "Objekten" mit einem Wesen zu reduzieren. Die Bedingtheit und Vergänglichkeit auszublenden ist eng mit Anhaftung verbunden


    Aber gerade im philosophischen Bereich kommt dann noch ein Denken in abstrakten Begriffen wo dann über "das Gute", "den Urgrund" oder "das Sein" geredet wird, als gäbe es das in dem gleichen Sinne wie einen Stein. Die Sprache narrt uns also ganzschön.


    Der Begriff "Dharmas" habe ich so verstanden, dass damit nicht unbedingt Objekte gemeint sind, sondern so etwas wie die grundlegenden Elemente der Welt.


    Was meinst du damit, dass auch Prozesse Dharmas sind? Prozesse sind doch eben gerade Vergänglichkeit. Die Blätter fallen ab und werden zu Erde.

    Ich hätte gerne ein Diagramm mit einer Zwiebel.

    • Wo die zehntausend Dinge die äußerste Schale sind.
    • Und dann häutet man die Zwiebel und gelangt von scheinbaren Dingen zu Platons Idee.
    • Und dann häutet man nochmal und es bleibt nur mehr das Ding an sich übrig - einzeln und wunderbar.
    • Und dann häutet man nochmal und gelangt zum tranzendentalen Subjekt, das alles hervorbringt.
    • Und dann hätet man das transzendentale Subjekt und gelangt zu Gott.
    • Nach einer würdigenden erfürchtigen Phase, in der man Gott die Ehre erweist gelangt man zum heiligen Geist.
    • Nachdem man den heiligen Geist auf den Grund gegangen ist, findet man eine alles druchdringen Urkraft.
    • Einen tiefen Lebenstrieb, ein Wollen und Wabern - wenn man wie Netzsche einen Schnurrbart hat - darf man ihn an dieser Stelle zwirbeln,
    • Aber eiegentlich ist man an dieser Stelle als Philsoph am Ende - weil man von der Ebene des Geistigen und Beschreibbaren zu etwas Körperlichen vorgedrungen ist. Aber es ist noch immer viel Zwiebel übrig.

    Aber da würde ich dann so die Ochsenbilder anschliessen.

    Das Hauptproblem ist "Verdinglichung" - also das wir gewohnt sind, über alles zu reden, als sei es ein Ding.


    Die erste Ebene ist klar: die zehntausend Dinge, die Erscheinungen, die Schattenbilder. Und da werden diese Bilder durch bestimmte Prozesse erzeugt. Prozesse sind keine Dinge sondern eher so etwas wie Verben. Inwieweit schafft man es gedanklich, der Verdinglichung zu entgehen?


    Bei Heidegger wird das ja als ontologische Differenz besprochen. Er sah es als ganz großes Problem der Philsophie an, dass das "Sein" so behandelt wird als sei es ein Seiendes- also wieder so ein Ding. Seine Sprache ist ja deswegen so veknotet und unverständlich, weil er dauernd nach einer neuen Sprache sucht, in der man nicht in die sprachliche Falle tapst. Wie schaffen wir es nicht zu verdinglichen? Wie schaffen wir es bei den Verben zu bleiben, und diese nicht zu einem "Etwas" zu machen?


    Es ist ziemlich hoffnungslos, weil das Gehirn auf Verdinglichung gepolt ist. Wir denken das "Sein" als ein Etwas, den "Urgrund" als ein Etwas, das "Dao" als einem Etwas, "Gott" als einen Typen mit Bart und sogar das Dao und die Leerheit werden uns zu einem Etwas.


    Heideggerbeschritt den Weg, dass er sich da eine eigene Sprache zimmerte, die von der herkömmlichen, verdinglichenden Denkgewohnheiten wehführte. Um den Preis nicht missverstanden zu werden riskierte er es, ganz und gar unverständlich zu werden. Während sein Kollege Wittgenstein lakonischen Spruch „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen" brachte, also die Grenze von Sprache aufzeigte.


    Ich würde da nicht sagen, dass das letzendlich nichts wäre, nur dass es eben nicht zu einem Etwas werden soll und kann.

    Da ist ein Denkfehler drin.

    Das also ist des Pudels Kern - Goethe in Faust I , dabei an Schopenhauers Pudel denkend.

    Der ja "Atman" hiess_was sehr gut passt, da viele Denkfehler auf einen Atman herauslaufen.

    Doch nun also noch, wie versprochen, zu des „Pudels Kern“, wie Goethe sagen würde. Da entpuppt sich Schopenhauer als kauziger Ironiker, denn des Hundes Wesen ist eben das ‘Atman’, der triebgesteuerte Lebenswille, den Schopenhauer als das zu Überwindende ansah, und ihm doch immer verhaftet blieb. So wurde nach dem Tode jeden Hundes sogleich der nächste angeschafft, natürlich ein ‘baugleicher’ weißer Pudel namens ‘Atman’. Und wenns der Hund dann arg zu viehisch trieb, scholt er ihn schon mal „Du Mensch!“

    Koans so "auseinander zu nehmen" mag bis zu einem gewissen Grad hilfreich sein. Ab einem bestimmten Punkt könnte ich mir vorstellen, dass man nur noch die Ratio sprechen lässt. Und - so wie ich das Thema Koan verstanden habe - erfüllt das nicht den "Sinn" eines Koans.

    Könnte es dann nicht besser sein, stattdessen über das Koan zu Schweigen bzw. die Übung des Koans unter einem entsprechenden Lehrer auf sich zu nehmen?

    Das eine ist ja das "Koan als Praxis". Da hast du vollkommen recht, dass da ein Lehrer sinnvoll ist und ein "darüber reden" nicht sehr. Das andere ist ein Austausch darüber ,was ein Koan überhaupt ist und in welcher Beziehung es zu anderen Formen von "paradoxen Aussagen" steht. Bei letzterem ist ein "spiritueller Fortschritt" nicht das Ziel sondern es kann nur eine Begriffsklärung bewirkt werden: Das man weiss was ein Koan ist und was sein Funktion ist und es nicht mit anderen Sachen verwechselt die zwar auch paradox klingen aber eine andere Funktion haben.

    Aber geht es denn da, wirklich drum, ein Paradoxon zu verhindern, um nicht in eine Iterationeschleifen zu geraten?


    In der westlchen Philopshiegeht es ja häufig um Wahtheit - d.h. darum möglichst allegemeingültige Aussagen über die Wirklichkeit zu finden. Solche Aussagen sind natürlich immer sehr abstrakt und dadurch wird natürlich etwas wegabstrahiert. In einer Koan-Situation geht es nahezu um das Gegenteil geht, nämlich darum, in einen direkten, unvermittelten Kontakt zur Wirklichkeit zu kommen und dann aus diesem direkten Kontakt heraus heraus zu sprechen - also nicht "partikular" zu werden und sich an Einseitigkeiten und Abstraktionen zu hängen sondern in direktem Kontakt mit dem zu treten, auf was sich die Begriffe beziehen.


    Weil Long-ya da noch nicht angelangt ist, kommen Cui-wei und Lin-ji mit sehr konkretem Zeug wie Stützbrett, Sitzkissen und Schläge an. Aber es hilft nichts. Die Iteration - also das Drängende an der Situation - ergibt sich daraus, dass Cui-wei , Lin-ji Long-ya von der Ebene der Begriff auf das hinführen wollen, worauf sich die Begriffe beziehen. Es sind keine Philosophen sondern eher so ein Schlägertrupp von Philophoben, die einen daran hindern, die Wirklichkeit zu Wahrheiten zu reduzieren.


    Im Daosimus gibt es ja die Sage von Hundun:

    Der Herrscher Hun Dun bekam regelmäßig Besuch von den Herren des Südmeeres, Shu, und des Nordmeeres, Hu. Da er diesen immer große Gastfreundschaft gewährte, beschlossen diese beiden eines Tages, ihm seine Güte zu vergelten. Lange überlegten sie, was sie ihm Gutes tun konnten, und hatten endlich folgende Lösung:

    Alle Menschen verfügen über sieben Körperöffnungen - zum Sehen, Hören, Essen und Atmen. Doch der große Hun Dun verfügt über keine einzige Öffnung, deshalb wollen wir ihm welche zufügen.
    Sie traten vor Hun Duns Thron und schlugen ihm dies vor, Hun Dun nahm den Vorschlag begeistert an. So bohrten sie ihm Tag für Tag eine Öffnung in den Körper. Am siebten Tag aber, als sie die siebte Körperöffnung zu Ende gebohrt hatten, verstarb Hun Dun.

    Die Herren des Südmeeres und des Nordmeeres denken, sie tun dem amorphen Gesellen Hundun etwas Gutes, indem sie den Kontakt zu Wirklichkeit von etwas Amorphen, Unvermittelten zu etwas Definiertem und Vermittelten machen - zu klaren Input- Ouput-Kanälen sortiert nach Inhalt - aber genau dadurch töten sie ihn.


    Insofern es auch in der Koanpraxis um den unmedierten, unmittelbaren Kontakt geht,wird da Hundun beschützt: Long-ya muss dran gehindert werden in der Tradition der beiden Meeresherren einen Zugang zu legen, der das Indrekte durch das Direkte und das Amorphe durch das Konkrete ersetzt. Und nur insofern, seine Versuche nicht zugelassen werde, ergibt sich das iterative Kreisen.

    Lieber Rupert Reiger,


    ich verstehe nicht ganz, auf was du hinauswillst. Ich verstehe es so, dass du eine Zusammenhang zwischen dem in der Logik (Lügner-Paradoxon und Russel) und in Koans untersuchst. Dir fällt auf, dass da das Pardoxon auf ähnliche Weise konstruiert wird, nämlich indem sowohl Bejahung als auch Verneingung ausgeschlossen werden.


    Gerade wegen dieser ähnlichen Struktur, nimmst du wohl an, dass Pardaoxa in Koans eine ähnliche Funktion haben, wie Prdoxa in der Logik. Hier klingt es so, als würde in Koans auf ein logisches Problem Bezug genommen und dabei eine Lösung gefunden (Schranke) die aber nicht an eine klare Lösung wie die von Kurt Gödel heranreicht:

    Kurt Gödel hat nun in seinem Unvollständigkeits-Theorem (gutes dazu findet man) bewiesen, dass ein widerspruchsfreies, vollständiges formales System aus Axiomen abgeleitet prinzipiell nicht möglich ist! Das gilt prinzipiell, unabhängig davon ob man nun so ein Beispiel, wie das Beispiel von Russel oder die aus den Koan, kennt oder nicht. Es kann also prinzipiell beides nicht bewiesen werden: Dass so ein System widerspruchsfrei ist (unabhängig davon ob man dazu Beispiele wie oben kennt oder nicht, dann kann man sie suchen) und dass so ein System vollständig ist (unabhängig davon ob man dazu Beispiele kennt oder nicht, dann kann man sie suchen). Natürlich haben die alten Chinesen Gödels Beweis nicht gekannt. Aber sie haben zumindest das Paradoxe der Beispiele klar gesehen und sie haben es gelöst durch: Schranke!

    Wobei es ja nicht so ist , dass es bei Koans um Axiomsysteme, Vollständigkeit oder Logik geht. Natürlich gibt es eine strukturelle Ähnlichkeit insofern, als auch im Koan das Paradoxe verwendet wird, um ein System durch inneren Widerspruch auszuhebeln.


    Bei logischen Pardoxa geht es um logische Axiomsysteme geht, die da "ad absurdum" geführt werden. Gödel zertrümmerte das Hilbertprogramm  - die Hoffnung der formalen Logik auf eine ebenso vollständiges wie widerspruchsfreies Axiomensystem. Gödel zeigt die Logik des formalen Folgerns und Beweisen auf und damit dann natürlich auch bei Turing die Grenzen der Berechenbarkeit.


    Darum geht es bei Koans nicht. Koans sind eine religiöse Praxis, bei der es auch darum geht, die Grenzen aufzuzeigen. Aber s geht um die Überwindung unserer ganzen alltäglichen Denkungsart in Ich und Mein, Subjekt und Objekt. Das ist ja eine sehr andere Funktion, die nur durch eine Methode - nämlich die alles hin auf einen inneren Widepruch zu kulmulieren - eine strukturelle Ähnlichkeit erhält. Eine der grossen Unterschiede ist, dass dabei die Person selbst ( der Schüler) im Mittelpunkt steht, und er auf inneren Widerpruch gestossen wird, den er darstellt. Das geht schon sehr viel weiter als die Ebene logischer Beweisbarkeit.