Beiträge von Doris im Thema „Wut“

    wertschätzung und dankbarkeit sind in meinen augen die zauberwörter.

    Ja, in der Regel sehe ich das auch so. Ich sprach ja von Ausnahmen!

    Mein Bruder war kürzlich mit seiner Familie (seine Frau und 2 Kindern) im Flughafen London gestrandet, weil sie

    einen Anschlussflug verpasst hatten. Die Dame am Schalter sah sich von einer Traube von Menschen umgeben, die weiter fliegen wollten. Passiert ist zunächst: Nichts. Erst als mein Bruder lauter wurde, hat sie reagiert und einen Flug nach Amsterdam "gefunden". Mit dem Bus sind sie dann von Amsterdam weiter nach Hamburg.

    Die Reise von New York nach Hamburg hat fast 30 Stunden gedauert.

    war für deinen bruder und seine familie (damit wollte er seiner rolle als beschützer seiner familie nachkommen) gerade nützlich.

    wir wissen weder, ob dies der einzige weg war, noch was mit der frau los war.


    die angestellte erlebt sicher täglich solche situationen. es ist nicht ihre schuld, dass der anschlussflug verpasst wurde. dennoch muss sie die wogen glätten und für die leute sorge tragen, und vielleicht ist sie gerade überfordert, hat kummer, hat ärger mit der firma …. und immer ist einer darunter, der lautstark wird. der will auch nur zu seinem recht kommen, will seine familie versorgt wissen, muss in ein dringendes meeting, fährt zu einem sterbenden elternteil, ist von der reise erschöpft …

    kommt darauf an, was man unter "nützlich" versteht.

    meine vermutung:

    das kann kurzfristig erfolge einfahren. aber auf dauer wird der andere auf den druck mit gegendruck oder noch mehr verweigerung reagieren.


    wenn eine servicekraft keinen bock auf service hat, dann ist sie am falschen ort und/oder hat die falsche einstellung.

    ich vermute, dass es leute gibt, die "service" mit "unterdrückung" und "versklavung" gleichsetzen. da ist dann verweigerung, also der akt der passiven aggression, das einzig mögliche mittel, um der gefühlten ohnmacht was entgegenzusetzen. (wir haben ja oft die diskussion über demut und wie schlecht das angesehen wird.)

    eine servicekraft mit dieser einstellung, erkennt die reale wichtigkeit ihrer arbeit nicht. das hat aber auch damit zu tun, dass ihre arbeit nicht wertgeschätzt wird.


    daher: bei den putzkräften anfangen: sie mit namen kennenlernen, sie grüßen, einen plausch führen, sie fragen, wie man seinen arbeitsplatz am besten zurücklassen soll, ihre arbeit achten und sich bedanken … und letztlich gute löhne.
    dasselbe gilt für die bedienung in der gastronomie, den leuten im handwerk, den busfahreInnen, den pflegekräften, den leuten bei der müllabfuhr, den leuten am amt, den lehrern usw.

    wertschätzung und dankbarkeit sind in meinen augen die zauberwörter.

    Wenn man die Nutzlosigkeit von Wut erkennt, dann macht es auch keinen Sinn mehr, wütend zu sein und dann gibt es auch so etwas wie "Unterdrücken" nicht mehr.

    ganz nutzlos scheint mir wut nicht zu sein.

    zuerst ist das ja ein teil unseres primatendaseins. wut soll uns schnell und kräftig schützen: vor feinden von außen und vor dem herabsinken in der hierarchie der eigenen gruppe. je niedriger wir verortet werden, desto geringer unsere überlebenschancen. (das machen wir immer noch so, wenn wir andere verbal reduzieren und entmenschlichen: "flüchtlinge"). wut kann dabei helfen, in der hierarchie aufzusteigen oder andere absteigen zu lassen.

    deshalb scheint mir das so derart tief zu sitzen und eine so große macht über uns zu haben.


    kinder brauchen wut noch sehr, weil sie sich ihr überleben sichern müssen. außerdem müssen sie erst lernen damit umzugehen.

    ich vermute, dass menschen mit viel wut im bauch, choleriker, in diesem kindlichen ich gefangen sind. wut überdeckt und kompensiert ja die hilflosigkeit. je ohnmächtiger sich ein kind fühlen musste, desto eher wird es später probleme mit wut haben. und manche haben dazu weniger resilienz als andere. der sinn ihrer wut ergibt sich aus dieser vergangenheit. wird das unterdrückt, kann es zu depressionen kommen. wird es ausgelebt, wird man eher aggressiv und cholerisch. und das bekommt alles eine eigendynamik, weil man sich daran gewöhnt, weil sich offensichtlich das gehirn so formt.


    man kann das versuchen aufzulösen, indem man solche auflösungsübungen macht und indem man ganz bewusst damit arbeitet. beides halte ich für wichtig. das erkennen der nutzlosigkeit ist ein element der bewussten auflösung.


    die einsicht in die nutzlosigkeit halte ich aber für einen sekundären schritt. denn der wütende ist erst mal so getrieben, dass man ihm "mit so was" gar nicht kommen muss. er sieht oft sein recht auf die wut infrage gestellt. ja, solche argumentationen können die wut verstärken. ich vermute, dass das kindliche ich erst einmal getröstet werden muss, der hunger muss erst gestillt werden.

    Zitat

    Hitze, Kälte, Regen und Wind,

    Krankheiten, Gefangenschaft, Schläge und anderes -

    ich sollte darüber nicht wütend sein,

    da sich sonst mein Leid vermehren wird


    das ist dein von dir zitierter vers.


    ich schreibe, dass das unterdrücken von wut nicht hilfreich ist.

    sie entsteht spontan. nichts, was wir kontrollieren können. wir können lediglich kontrollieren, wie wir damit umgehen.

    sie ist wie wolken am himmel. eine unwillkürliche geistesregung.


    aber das bedeutet nicht, dass wut nicht auch reduziert werden kann, also dass weniger wolken am himmel aufziehen.

    weniger wolken ziehen auf, wenn wir mitgefühl entfalten und wenn wir weniger ichbezogen werden. da wut ja immer eine form der selbstverteidigung ist.

    solange wir aber diese ichbezogenheit nicht völlig aufgelöst haben (geht das überhaupt?), müssen wir uns darin üben, mit der wut angemessen umzugehen. also sie zügeln lernen, sie analysieren und zu durchschauen.

    ein teil der analyse besteht darin zu untersuchen, ob es überhaupt sinnvoll ist wütend zu werden? soll ich wütend werden, weil das wetter so ist wie es ist? würde wut was daran ändern können? würde ich gesund werden, wenn ich auf eine krankheit wütend wäre? würden die schläge aufhören (zugegeben, die schwerste übung)?

    die wut anzunehmen, sie auszuhalten und zu analysieren, hilft dabei, sie nicht mehr entstehen zu lassen. wenn wut z.b. aus einer alten verletzung heraus immer wieder auftaucht und ich das betrachte und in den kontext setze, kann diese verletzung heilen und damit verschwindet die quelle dieser wut.

    Wut ist weder heilsam noch nicht heilsam. Genauso wie andere Emotionen, die Frage bleibt, was wir damit tun und was wir daraus schließen.

    Emotionen sind "Geistgestalter" … das sollte man immer beachten …

    das meine ich auch.

    selbst wenn man sich wieder beruhigt, muss man sehr aufpassen, dass durch die emotion nicht die gedanken gefärbt wurden. man denkt dann, dass man cool und gelassen und gaaanz neutral ist, dabei hat die wut bereits ihre wirkung getan und hat z.B. die meinung über etwas in eine bestimmte richtung geformt. das ist dann das phänomen der rationalisierung.

    von so was dann abzulassen ist ganz schwer. mara in feinstem tarnanzug.



    trotzdem, wut ist ein wichtiger motor und sensor. sie setzt energie frei, die unter umständen in bestimmten situationen wichtig ist.

    wut unterdrücken ist nicht hilfreich. ich bin eher dafür, sie zu analysieren und die ursachen zu finden. dann kann man eine situation aktiv verändern oder erkennen, dass diese wut eine altlast ist und man gerade projiziert. so genutzt kann wut dabei helfen, etwas aufzulösen.

    wann wut hilfreich ist und wann nicht, das zu erkennen erfordert genaues hinsehen und ehrliche analyse. dazu muss man die wut auch aushalten können ohne sie auszuagieren. oft stelle ich dann fest, dass sie sich von selbst auflöst.


    je mehr ich wut analysiere, desto seltener kommt sie. dinge, die mich früher wütend gemacht haben, lassen mich heute kalt. das zeigt, das wut nicht per se eine berechtigung hat, sondern was mit erfahrungen und vorstellungen zu tun hat. und mit mitgefühl. je weniger ich die dinge und ereignisse auf mich beziehe, umso seltener werde ich wütend.

    ein beispiel, das vielleicht jeder kennt:

    man hat es eilig und geht in einer menschenmenge. vor einem geht jemand so langsam, man kommt nicht einfach an ihm vorbei, und wird so aufgehalten. das kann wut erzeugen. nachdem ich mir aber bewusst geworden bin, dass dieser mensch keine augen auf dem rücken hat und einfach sein tempo hat, auf das er ein recht hat, vielleicht gar nicht schneller gehen kann, ist diese wut nie mehr aufgetaucht. mehr verständnis für die anderen, weniger ichbezogenheit, hat meine wut aufgelöst.


    wut ist also ein ego-ding. hat immer was mit mir selbst zu tun. das ist wohl ein überlebenswichtiger mechanismus. aber wut führt einen allzuoft in die irre. diesen mechanismus sollte man sehr gründlich studieren. es heißt nicht umsonst, dass ein moment der wut ein ganzes leben in kontemplation zunichte machen kann (so ähnlich jedenfalls).

    PS: Oder sollte ich wütend sein, weil durch Dummheit einer Klinik und meiner Kasse die OP so verzögert wurde, das man nun wohl meinen ganzen Vorderfuss amputieren muss ?

    :(

    nimm dir was zu lesen mit.

    schreibe weihnachtskarten.

    lies was zur fortbildung, was du sonst am abend lesen müsstes oder vor dich herschiebst.

    nutze die zeit für einen plausch mit den kollegen.

    übe zeichnen und scribbeln.

    meditiere.

    wiederhole dein englisch.

    mache ordnung im büro.

    gestalte einen kalender.

    schreib deiner frau einen liebesbrief.

    sitze einfach herum und genieße die zeit, die du zum träumen hast.

    wenn man nichts ändern kann, dann ist es doch am besten, man macht was aus der situation.



    :rose: