Beiträge von Helmut im Thema „Leerheit- eigener Zugang ?“

    Gegenseitige Abhängigkeit beschreibt ja eine Beziehung zwischen zwei Phänomenen, die nicht identisch sind. Wenn Phänomen A und Phänomen B in gegenseitiger Abhängigkeit bestehen, dann kann A nur bestehen, wenn B existiert und umgekehrt. A und B bilden deshalb kein Gegensatzpaar.


    Für die Bestehensweise des Apfels ist nicht entscheidend, ob links oder rechts von ihm etwas gegeben ist. Der Apfel ist nicht links oder rechts. Man kann allerdings von der rechten und linken Seite des Apfels sprechen und beide gibt es nur in gegenseitiger Abhängigkeit. Ohne die rechte Seite des Apfels gibt es die linke Seite des Apfels nicht und umgekehrt. Was die rechte bzw. die linke Seite des Apfels ist, hängt von der Perspektive des Beobachters ab aus der heraus er den Apfel betrachtet Zwei unterschiedlich große Äpfel kann man als Beispiel nehmen, um die Relation groß - klein aufzuzeigen, aber an einem einzigen Apfel kann man dies nicht.


    An den drei Abhängigkeiten kann man aber die Relation, die mit der gegenseitigen Abhängigkeit ausgedrückt wird, feststellen. In Bezug auf die kausale Abhängigkeit kann man feststellen, dass Ursache und Wirkung in gegenseitiger Abhängigkeit bestehen , weil das eine nicht ohne das andere existieren kann. Genauso trifft dies auf die Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen zu und auf die Abhängigkeit eines Phänomens von seiner Benennung durch den menschlichen Geist.


    Wo dass alles steht wie mukti fragt: Man würde dies in den überlieferten Lehrreden finden. Dazu muss man sie aber alle kennen. So ist es einfacher, sich auf die Kommentare der indischen Meister zu stützen. Insbesondere die beiden indischen Meister Dignaga und Dharmakirti haben auf der Grundlage der Lehrreden eine buddhistische Logik entwickelt. Auf die auszugsweisen Übersetzungen aus dieser Schriften, die im Rahmen des Buddhismusstudiums am Tibetischen Zentrum Hamburg kennengelernt habe, stütze ich mich.


    Gruß Helmut

    Ich denke man kann am Beispiel eines Apfels die ersten drei genannten Abhängigkeiten gut verdeutlichen:


    1. Kausale Abhängigkeit: der Apfel ist eine Wirkung, die aus einer Ursache entstanden ist. Aus einem Apfelsamen entsteht ein Apfelbaum, der dann Äpfel hervorbringt. Ohne den Apfelsamen entsteht letztlich kein Apfel
    2. Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen: Der durch Ursachen hervorgebrachte Apfel besteht nur, weil er aus verschiedenen Teilen besteht. Da kann man einerseits die fünf Elemente nennen, aber auch Schale, Fruchtfleisch usw.
    3. Abhängigkeit von Benennung: Ein aus Ursachen und Umständen entstandener Apfel besitzt kein aus sich heraus bestehendes Eigenwesen, das ihn zum Apfel macht. Ob eine Frucht ein Apfel ist oder nicht, hängt von konventioneller, gesellschaftlicher Vereinbarung ab; davon dass wir Menschen uns darauf verständigt haben, eine bestimmte Frucht, die durch bestimmte Eigenschaften charakterisiert ist, Apfel zu nennen.


    Bei gegenseitiger Abhängigkeit werden als Beispiele meist links-rechts, oben-unten, hier-dort, klein-groß usw. genannt. Auf das Beispiel mit dem Apfel kann ich dies noch nicht übertragen. Vielleicht können da ja andere User weiter helfen.


    Gruß Helmut

    Helmut Wieviele Formen gibt es, bzw. welche?

    In meinem bisherigen Buddhismus-Studium habe ich vier Formen von pratityasamutpada gelernt:


    1. kausale Abhängigkeit

    2. Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen und Abhängigkeit der Teile des Ganzen vom Ganzen

    3. Abhängigkeit der Phänomene von ihren Benennungen

    4. Gegenseitige Abhängigkeit.


    Weitere Formen von pratityasamutpada sind mir nicht bekannt.


    Gruß Helmut


    Helmut


    Sorry, das verstehe ich nicht. Vielleicht kannst Du den Unterschied anhand eines Beispiels erklären?

    Wie Losang Lhamo in Beitrag 62 schreibt, ist pratityasamudpada ein Oberbegriff und kausale Abhängigkeit, die Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen, die gegenseitige Abhängigkeit der Phänomene und die Abhängigkeit der Phänomene von ihrer jeweiligen Benennung sind Einzelfälle von pratityasamudpada. Im Deutschunterricht in den 1950ziger und 1960ziger Jahren mussten wir uns in Wortfeldern üben. Es gab einen Oberbegriff wie zum Beispiel Obst und was waren Einzelfälle dieser Kategorie. So kann man sich auch das Verhältnis von pratityasamudpada und den Einzelfällen des abhängigen Bestehens vorstellen. In der Logik ist es das Verhältnis von Allgemeinem zum Besonderen.


    Die kausale Abhängigkeit, also die Abhängigkeit einer Wirkung von seiner Ursache, ist durch eine zeitliche Abfolge charakterisiert. Erst gibt es die Ursache, dann die Wirkung. Eine bestimmte Blume entsteht aus einem bestimmten Samen. Zunächst haben wir nur diesen Samen. Daraus entsteht dann unter dem Einfluss mitwirkender Bedingungen eine bestimmte Blume. Zur Zeit des Samens gibt es die Wirkung, die Blume, noch nicht. Zur Zeit der Wirkung, wenn die Blume entstanden ist, gibt es den zugrunde liegenden Samen nicht mehr.


    Bei der Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen, der gegenseitigen Abhängigkeit und der Abhängigkeit von Benennung besteht eine andere Form der Abhängigkeit. Hier gibt es die zeitliche Abfolge nicht wie bei der kausalen Abhängigkeit.


    Nehmen wir die Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen: Dies ist eine Abhängigkeit bei der das Ganze und die Teile, die dieses Ganze ausmachen, gleichzeitig existieren. Es existieren nicht zuerst die Teile und diese bringen dann das Ganze hervor. Es ist also kein kausaler Zusammenhang, sondern eine wesensgleiche Verbindung, wie es in der Logik heißt, weil das Ganze nicht ohne seine Teile und die Teile des Ganzen nicht ohne das Ganze existieren kann.


    Also: pratityasamudpada bedeutet, dass alle Phänomene in Abhängigkeit bestehen; es gibt kein Phänomen, das unabhängig existiert. Es gibt aber unterschiedliche Formen des abhängigen Bestehens, die jeweils Spezialfälle von pratityasamudpada sind.


    Gruß Helmut

    Was hast du den anders gelernt und was empfindest du denn anders? Dein Kommentar erschließt sich mir nicht.


    Gruß Helmut

    Was ist denn der Unterschied zwischen "abhängigem Entstehen" und "kausaler Abhängigkeit"?

    Abhängiges Entstehen ist umfassender als kausale Abhängigkeit. Kausale Abhängigkeit ist ein besonderer Fall des abhängigen Entstehens (pratityasamudpada). Weiter Fälle von abhängigem Entstehen sind die Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen und die Abhängigkeit der Objekte von der Benennung. Als weitere Form von pratityasamudpada findet man auf allen drei Ebenen das Bestehen in gegenseitiger Abhängigkeit.


    Auf der Ebene der kausalen Abhängigkeit bedeutet dies, dass Ursache und Wirkung in gegenseitiger Abhängigkeit bestehen. Ohne Ursache kann man nicht von Wirkung sprechen und umgekehrt. Auf der Ebene der Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen bedeutet dies, dass das Ganze nur in Abhängigkeit von seinen Teilen existiert. Aber die Teile des Ganzen gibt es ohne das Ganze auch nicht.


    Gruß Helmut

    Erkennen und Erkanntes sind nicht nur zugleich anwesend, sie sind auch nicht voneinander zu trennen ...

    Aufgrund unserer Unwissenheit, nämlich dass wir glauben die Objekte existieren so wie sie uns erscheinen, erkennen wir eben nicht automatisch, dass dies so ist wie du es schreibst. In den philosophischen Systemen des Nicht-Mahayana gibt Positionen, die besagen, dass das wahrgenommene Objekt und das wahrnehmende Bewusstsein unabhängig voneinander existieren und damit werden sie voneinander getrennt. Diesen Fehler muss man erst einmal erkennen und das ist nicht ganz leicht, wenn man abhängiges Entstehen (pratityasamudpada) mit kausaler Abhängigkeit gleichsetzt was auch viele Buddhisten tun.


    Ich selber kann deiner Aussage problemlos zustimmen.


    Gruß Helmut

    Hallo Rolf,


    mein Zugang zur Leerheit (Sunyata) hat sich eher durch die buddhistische Philosophie ergeben. Eine wesentliche Rolle hat dabei das Systematische Studium des Buddhismus am Tibetischen Zentrum Hamburg gespielt. Wichtig war für mich dabei, ein gutes Verständnis des abhängige Bestehen der Person und der anderen Phänomene zu entwickeln und die Auffassung der Prasangika-Madhyamikas, dass die Leerheit eine Eigenschaft jedes Phänomens ist.


    Gruß Helmut