Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Praxis“

    Zitat

    Zu gerne würde ich mich wie Thorsten zurückziehen und Meditieren. Lächeln und im besten Fall ein friedfertiges Gemüse sein. Thorsten sagt es: dieser Knast ist ein Ballast. Ich habe den Schlüssel in der Hand und könnte die Tür aufschließen. Doch, meine Güte, habe ich ein "Bammel" davor...


    Hallo Zuflucht.


    Da muss ich vielleicht etwas korrigieren. Nur zu meditieren, ist für persönlich kein Ziel. Auch die Aussicht, friedfertiges Gemüse zu werden, wäre für mich nicht das Richtige.


    Alan Wallace hat bei seinen Unterweisung einige Male von zwei Sorten des Glücks gesprochen. Das eine, das hedonische Glück, besteht in dem, was mir die Welt als Quellen des Glücks ermöglicht. Das können alle Arten von Genuss sein, aber auch die Dinge, die die Basis unseres Lebens bilden, wie genug zu essen, Bildung, ein Dach über dem Kopf. Das ist ein Glück, das durch äußere Stimuli entsteht, das ich von der Welt bekommen kann.


    Bei der anderen Form von Glück bezieht er sich auf den griechischen Begriff Eudaimonie. Dieses Glück kommt von innen und entsteht zum Beispiel durch eine ethische Ausrichtung des Lebens, durch ein Leben in Gewaltlosigkeit und Wohlwollen allen Wesen gegenüber. Es besteht in dem Glück, das entsteht, wenn ich der Welt etwas geben kann.


    Aber auch durch die echte und klare Erkenntnis dessen, was die Wirklichkeit ist, was ich selbst bin kann diese innere Glückseligkeit entstehen, zum Beispiel in der Meditation. Das eine bedingt das andere. Ich kann erkennen, das allein der Geist schon eine Quelle des unerschöpflichen Glücks sein kann, ohne dass äußere Stimuli dieses Glück erzeugen müssten. Dieser innere Reichtum an Glück, die Erfahrung der Nicht-Bedürftigkeit und Unabhängigkeit, führt allein schon dazu, dass man zufriedener, freundlicher und friedlicher wird. Alan Wallace erklärt das viel besser als ich (das Video ist mit deutschen Untertiteln versehen):


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    Daher besteht für mich der buddhistische Pfad nicht in der resignierten Abkehr von der Welt sondern im Gegenteil in der wohlwollenden, freigebigen, mitfühlenden und helfenden Hinwendung zur Welt. Soweit mir das möglich ist natürlich. Familie und Beruf, Gesellschaft und die Wesen in meiner unmittelbaren Umgebung sind für mich der Ort der Übung.


    Freundlichkeit und Friedlichkeit heißt nicht Indiffenenz oder Schwäche. In einer Führungsposition oder auch als Elternteil kann und muss ich klare Ansagen machen, die aber dennoch von Mitgefühl und Gewaltlosigkeit bestimmt sein können. "Mein" Zen-Meister ist für mich in dieser Sache ein wertvolles Vorbild.


    Jede Tat, jeder Gedanke hinterlässt eine Spur im Geist. Heilsame Handlungen bringen die Tendenz zu weiteren heilsamen Handlungen hervor. Unheilsame Handlungen bringen die Tendenz zu weiteren unheilsamen Handlungen hervor. Ich habe jeden Tag bei all den unzähligen Handlungen und Gedanken unzählige von Möglichkeiten, den einen oder den anderen Weg einzuschlagen. Jedesmal, wenn es mir gelingt einen heilsamen Weg einzuschlagen, bildet diese Entscheidung die Basis, aus der die Tendenz zu weiteren heilsamen Handlungen hervorgehen kann. Und auch wenn mir sehr vieles nicht gelingt, ich an vielen Dingen immer wieder scheitere, kann ich dennoch das Vertrauen in diese heilsame Ausrichtung im Herzen behalten und fördern. Die Forderung nach unbedingter Konsequenz hingegen kann dieses Vertrauen und diese Motivation kaputt machen. Und das wäre ein wirklich großer Schaden – größer als der, den zeitweise Inkonsequenz und Scheitern hervorbringen würde.


    Ich schreibe das nicht, weil ich all diese Dinge schon glaube, verwirklicht zu haben, sondern weil ich gemerkt habe und merke, wie sehr diese Sichtweisen mir helfen, mich nach und nach zu verändern, mir einige Ängste, Druck, und Wut genommen und mir mehr Zufriedenheit und Glück und Freiheit gegeben haben. Das ist zwar ein langer, mitunter mühevoller aber schöner Weg: Die Lehre des Buddha ist eine aber eine, "deren Anfang heilsam ist, deren Mitte heilsam ist, deren Ende heilsam ist." Ich glaube, das stimmt.


    Zitat

    Und so wie der große Ozean nur einen Geschmack hat, nämlich den von Salz, ebenso hat auch diese Lehre und Verhaltensethik nur einen Geschmack, nämlich den der Befreiung

    -> Quelle


    Viele Grüße


    Thorsten

    Ich liebe E.T.A. Hoffmann. Serpentina hat mir in meiner Jugend den Weg gewiesen. Das Gewisper und Gerascheln des Windes im Holunderbusch, das Glitzern des Wassers am Fluss war und ist auch heute noch manchmal mein Tor zum Zen. Ich habe ihm viel zu verdanken. ^^


    Liebe Grüße


    Thorsten

    Gerade gefunden. Passt irgendwie zum Thema:


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    Zitat

    Das hört sich bei Dir aber nicht nach Einsicht an, sondern nach Euphorie aufgrund eines Klosteraufenthalts mit aufregenden Erfahrungen. Solche Erfahrungen kenne ich, sind nicht von Dauer, aber natürlich sehr be-lebend, also das ICH bekommt Auf-Wind.


    Hallo Monika.


    Ja, danke für diesen Hinweis. Euphorie kann zu einem Höhenflug werden, das stimmt. Aber eine gute und wohltuende Erfahrung ist eine gute und wohltuende Erfahrung. Und was wäre die Lehre des Buddha wert, wenn sie nicht auch in Form solcher Erfahrungen wirken würde? Die längeren Sesshins haben bei mir auch tiefere Erfahrungen und Veränderungen hinterlassen, die nicht mehr verblasst sind. Aufregend ist ein Sesshin nicht unbedingt. Die tägliche Meditation halte ich aber für genauso wichtig, damit sich all diese Dinge setzen können.


    Viele Grüße


    Thorsten

    Hallo Stevie.


    Da Du eine intensivere Meditation-Phase "Hardcore-Meditation" nennst, nehme ich an, dass Du noch keine Erfahrung damit hast. Probier es einmal aus. Es ist wirklich gut und heilsam! "Hardcore" ist der völlig falsche Begriff dafür.


    Alles Gute Dir


    Thorsten

    Zitat

    Meine Umgebung, Freude und meine Beziehungspartnerin, können diese konsequente "Haltung" und die nach außen hin wirkende "ich-Bezogenheit" nicht verstehen und wollen da nicht "mitgehen". Da habe ich schiss... Wie gehst du damit um, Thorsten?


    Schauen wir mal die Praxis genauer an:


    Nicht Töten.

    Damit werden die meisten Menschen einverstanden sein, selbst wenn Du Veganer wirst. Musst andere ja nicht zwingen ebenso zu handeln.


    Nicht Stehlen, (Nichts nehmen, was nicht freiwillig gegeben wurde)

    Das kann zu einem Thema werden, vor allem, wenn man kapitalistische Produktionsbedingungen genau betrachtet. Ich versuche hier persönlich nach und nach immer mehr darauf zu achten, was ich kaufe und wie es hergestellt wurde. Auch hier: Es ist ja Deine Entscheidung. Die anderen sind frei, anders zu handeln, müssen also auch gar nicht "mitgehen".


    Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens

    Ich denke, in der Familie und unter Freunden wird geschätzt, wenn man nicht dauernd fremdgeht oder andere sexuell für die persönliche Befriedigung ausnutzt.


    Lügen.

    Das ist ein schwieriger Punkt. Vor allem im Beruf und vielleicht auch in der Partnerschaft. Allerdings verändert jede nicht geäußerte Lüge das Leben und die Beziehungen zu anderen Menschen zum Besseren, weil die Kontakte tiefer und wahrhaftiger werden. Das geht nicht immer ohne Konflikte einher. Solange die Motivation aber von Ahimsa, Geduld und freundlicher Güte geleitet ist, ist es meiner Erfahrung nach auf allen Ebenen ein heilsamer Prozess. Es heißt ja nicht, von heute auf morgen nie wieder lügen und jedem die "ungeschminkte Wahrheit" vor die Birne knallen. Innere Aufrichtigkeit wächst langsam und überträgt sich dann mehr und mehr dann nach außen.


    Zwietracht sähen

    Über andere nicht schlecht reden, Menschen nicht gegeneinander ausspielen oder aufwiegeln. Das harmonisiert die Verhältnisse zu den anderen Menschen mit der Zeit immer mehr.


    Verletzende Rede

    Die Tochter nicht anbrüllen. Andere nicht fertig machen. Die Wut nicht an ihnen auslassen. Ich glaube nicht, dass das auf besonders viel Widerstand stößt.


    Sinnlose Rede

    Endloser Smalltalk, Leute zutexten, ohne zuzuhören. Wenn man das etwas zurückschraubt... Wer sollte etwas dagegen haben?


    Habgier

    Der Motor des Kapitalismus. Weniger "Habgier", weniger Angst vor Jobverlust. :|

    Was man alles zu brauchen glaubt! Dieser endlose Balast. Dieser Knast aus Privilegien, Sicherheiten, Statussymbolen, Prestige, sozialen Standards... Du glaubst gar nicht, wie mich das bei mir selbst ankotzt!


    Übelwollen

    Wenn man seine Feindschaften beendet, schläft man besser und leidet weniger unter Magengeschwüren. Gilt auch für Neid und Missgunst. Auch daran sollten nur wenig Menschen etwas auszusetzen haben.


    Verkehrte Ansicht

    Das muss jeder mit sich selbst abmachen, denke ich. Im Laufe der Praxis klären sich diese Dinge aber wahrscheinlich von alleine. Andere müssen dabei auch nicht "mitgehen".


    Solange ich niemandem meine Weltsicht oder meine ethischen Entscheidungen aufdränge, oder ihn oder sie verurteile, wenn er oder sie sich anders verhält, werden durch die Vermeidung dieser zehn unheilsamen Handlungen sich die Beziehungen zu anderen Menschen deutlich verbessern. Die "konsequente Haltung" soll ja kein Angriff auf Menschen sein, die anders leben wollen. Im Gegenteil!


    Viele Grüße


    Thorsten

    Moin.


    Nee, ich war mit meiner Tochter ein paar Tage auf einem Familiensesshin. Aber diesem Kloster wird z.B. auch eine Woche angeboten in komplettem Schweigen, während derer man täglich etwa 12 Stunden meditiert. Das habe ich schon einige Male gemacht. Ist ziemlich günstig. Im Vipassana werden 10 Tage angeboten. Das tibetische Zentrum in Hamburg hat Retreathütten für Leute, die sich noch länger zurückziehen wollen. Das halbe Jahr bezog sich auf den Alkohol. Ohne Alkohol lebe ich persönlich seit etwa zehn Jahren. Bei mir gehen tägliche Meditation und Alkohol nicht zusammen – entweder, oder... Aber mir gefälllt auch das Leben ohne benebelten Kopf.


    Nach dem ersten Rohatsu-Sesshin (das ist diese Woche durchgehende Meditation im Zen-Kloster) habe ich tatsächlich etwas mehr als ein Jahr keine Philosophie mehr angefasst. Grund: Ich hatte irgendwann mal völlig unbegründet (fürs Brüllen gibt es eh keine Begründung, nie...) unsere kleine Tochter angebrüllt, weil sie Quatsch gemacht hat, und ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Da habe ich gemerkt: die Philosophie bringt mich nicht weiter, bläht nur meine Arroganz und Überheblichkeit auf. Das eigentlich Problem ist nicht gelöst, nichtmal im Ansatz. Jetzt, dachte ich damals, und denke es noch, ist Praxis gefragt. Am Boden, ganz unten, im Alltag anfangen, bei den völlig banalen Sachen, bei den für mich wirklich schwierigen Sachen: Die kleine Tochter nicht anbrüllen, sich nicht über andere stellen, sich nicht unter andere stellen, das Heilsame fördern, das Unheilsame unterlassen, etc... Ich habe langsam begriffen, warum die Ethik im Buddhismus ganz am Anfang steht. Die Vermeidung der zehn unheilsamen Handlungen verändert das Leben gewaltig.


    Nichts von dem, was ich oben geschrieben habe, ist mit Beruf oder Familie nicht vereinbar. Zuflucht Viele meiner Freunde haben reguläre Jobs, nutzen aber zum Beispiel einen Teil ihres Jahresurlaubs, um sich in einem Schweigeretreat zurückzuziehen. Es gibt sehr viele Angebote dazu. Buddhistische Ethik kann man im Alltag ohnehin am besten üben. Eine Stunde Meditation am Tag lässt sich bestimmt irgendwie einrichten. Immerhin bringt die Meditation mehr Kraft als sie nimmt, macht auf Dauer das Leben leichter, die Arbeit effizienter, die persönlichen Beziehungen harmonischer. Das hat nichts (!) mit Egoismus zu tun. Im Gegenteil. Man wird nach und nach durch die tägliche Praxis zu einem erträglicheren Zeitgenossen. Davon profitieren alle!


    Liebe Grüße


    Thorsten

    Moin zusammen.


    Ein absurdes Experiment:

    Übt euch, die 10 unheilsamen Handlungen zu unterlassen!

    Keine Drogen, kein Alkohol, zumindest mal ein halbes Jahr!

    Für die, die sich angesprochen fühlen: Ein Jahr lang keine (keine!) exotischen Bücher von alten Indern, Japanern oder Tibeten lesen: totaler Entzug!!!

    Vor allem: Meditiert! Meditiert! Meditiert! Jeden Tag, mindestens ein bis zwei Stunden – oder auch lange hintereinander und am Stück. Auf den Atem, auf das Kommen und Gehen von Gefühlen und Gedanken... das reicht ein paar Jahre. 10 Stunden oder mehr am Tag meditieren, sieben Tage, zehn Tage, einen Monat oder mehr hintereinander, am besten ohne zu sprechen, ohne zu debattieren (Auch im Kopf nicht!). Und ganz wichtig: macht ein Loch in die ostasiatische Luftschlösser-Ballons im Kopf, die euch sagen, wie alles ist, wann, wo, warum oder warum nicht!


    Das wichtigste: Macht das, was ihr macht, mit voller Aufmerksamkeit und Hingabe, egal was ihr macht.


    Ergebnis:

    a) Dieses Forum hier kann dicht machen! Warum? Weil es keine Diskussionen mehr gibt!

    b) Säkularer Buddhismus wird zu einer Worthülse.

    c) Die meisten anderen Begriffe auch. :|


    :badgrin:


    Es grüßt gerade aus dem Kloster zurückgekehrt und darum bekloppt im Kopf


    Thorsten