Ähnliche Entwicklung bei mir. Früher konnte ich Gefühle nicht zeigen. Nur wenn ich sehr viel Alkohol getrunken hatte, habe ich auf einmal meinem Umfeld sehr vieles an den Kopf geworfen, was mir aber am nächsten Tag total leid tat. Ich habe es dann wieder von mir gewiesen, anstatt mir das anzuschauen und mich mit dem Gesagten auseinanderzusetzen.
Das empfinde ich überhaupt nicht als ähnliche Entwicklung, denn weder war ich zuvor wirklich wütend und habs nur ignoriert, noch brauchte ich Alkohol, um mich zu artikulieren. Ich war ganz im Gegenteil sehr impulsiv und spontan (aber auch naiv), aber ich wurde nicht wütend.
Als ich dann endlich zu meiner Verzweiflung durchbrach und mich nicht mehr vor "Ausbrüchen" fürchtete (ich hatte zuvor gar nicht gewusst, wie verzweifelt und überfordert ich war, und auch nicht, dass ich mich vor Ausbrüchen möglicherweise fürchtete), erlebte ich mich als neuer Mensch. Und damals bis in die letzten Jahre tat mir nichts leid, was ich von mir gegeben habe, weil ich mich immer im Recht fühlte.
Wenn es mir heute leid tut, dann deshalb, weil sich meine Perspektive geändert hat und ich Mit-Gefühl mit den Menschen habe, denen ich aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus durch Ablehnung, Ausgrenzung und böse Worte Leid zugefügt habe. Heute halte ich jegliche Aggression und Gewalt (auch sprachlich) für Un-Recht, selbst wenn ich mich im Recht fühle.