Zitat Ellviral: "Zu viel Angst ... davor das hier anonym ein Meister ist und man sich bis auf das Mark seiner Knochen blamiert."
Zitat Sili: "ich hab gerade gemerkt das ich das blöde ding nur lösen wolte für das gefühl"
In uns allen steckt wohl so ein verkappter Sherlock Holmes, der das Koan-Rätsel lösen und den anderen zeigen will, dass wir es konnten. Das ist nur menschlich und normal. Viele Menschen, besonders Anfänger in der Koanpraxis neigen dazu, erst über das Koan nachzudenken und - da das nicht zum Erfolg führen kann - in einer Art intuitivem Assozieren quasi 'out of the box 'nach ener Antwort zu suchen. Löst eine dieser Fantasien dann ein starkes Gefühl in ihnen aus, glauben sie die Lösung gefunden zu haben. Doch darum geht es gar nicht in der Koan-Praxis - im Gegenteil: genau damit werden wir dem Koan nicht mehr gerecht und verstellen uns seiner Wirksamkeit.
Mumon sagt: "Passt auf: Wollt ihr wissen, ob etwas reines Gold ist oder nicht, müsst ihr es mitten im Feuer verstehen."
Was glaubst du, wo dieser Ort ist, an dem das Gold im Feuer ist? Und wann findet wohl ein solches Ereignis statt? Das "Passt auf" ist keine bloße Redewendung.
Wenn du dich in deiner Praxis nun an diesen Ort begibst und dir die Frage stellst "Warum hebt ein Mann von großer Kraft sein Bein nicht hoch?" und du dann keine Ahnung hast - dann kann sich das Koan (das nicht verschieden ist von dir, denn du bist es ja der/die sich die Koanfrage stellt) dann kann sich dieses Koan zu offener Weite ausdehnen und zu blühen beginnen und leuchten wie ein junger Stern. Das hält aber nur genauso lange an bis du mit deiner nächsten genialen Koan-Antwort um die Ecke kommst, inklusive Aufregung, Begeisterung und Stolz, es geschafft zu haben. Spätestens dann brauchst du ganz dringend ein Dokusan beim Meister, damit sein Stock den Unsinn wieder zerschlägt, den du dir so schön zurecht gelegt hast. (@ Ellviral: Mit "Beschützen von Heiligtümern, nicht für Menschen, nur für vor Heiligtümern Kniende" hat dieses Zerschlagen nichts zu tun. Nicht umsonst sagte Bodhidarma im ersten Koan des BI-Yän-Lu: "Offene Weite - nichts von Heilig.")
Man liest ja immer wieder, dass wir im Zazen unsere Gedanken loslassen oder sie nur beobachten und weiterziehen lassen sollen. Das ist sicher ein toller Ratschlag, aber er ist auch fast unmöglich zu verwirklichen. Dieser Moment aber, in dem du dir die Koanfrage stellst und sie nicht beantworten kannst, öffnet eine große Tür. Wir stellen uns die Frage und unsere hausbackenen Antworten lauern von allen Seiten, im Begriff uns jeden Augenblick anzuspringen, um sich in unserem Geist festzubeißen. Wie kannst du sie im Zaun halten? Indem du dir weiter die Frage stellst, die Frage als Frage bestehen lässt und sie nicht ein Sprungbrett sein lässt ins nächste Fettnäpfchen einer hahnebüchenen Erklärung.
Hast du dir die Frage in deiner Praxis (Grundlage dieser Praxis ist natürlich immer das Zazen) lange genug vorgelegt, wirst du irgendwann in der Lage sein, den Inhalt der Frage auch nonverbal wachzuhalten ohne das du es jedes Mal im Kopf formulieren musst. Mein Tipp: Versuche diesen Zustand zu erreichen, in dem du dir die Frage nonverbal vergegenwärtigen kannst ohne sie dabei zu verlieren; dann öffnet sich die Tür recht schnell. Irgendwann hast du die Frage und das, worauf sie zielt, so ganz und gar durchdrungen, dass die Antwort ganz von selber da ist. Diese Antwort ist dann aber auch zugleich ein Zustand. Das wird der Meister im Dokusan bestätigen.