Hallo Shankara und willkommen hier,
wie Du ja schon gesehen hast, sind die Wege, die sich zum 'achtfachen Weg' wandeln können, sehr unterschiedlich. Ich glaube, meine Bedingungen waren Deinen zumindest teilweise ähnlich. Ich merkte recht früh, dass mit dieser Welt etwas nicht stimmte. Als Jugendlicher und junger Mann sah ich den Grund dafür in den ökonomischen und sozialen Bedingungen; entsprechend radikalisierte ich mich politisch. Was mich dann schließlich von meinen Gesinnungsgenossen Abstand nehmen ließ, war letztlich die Gewaltfrage. Zwar hielt ich Gewalt lange Zeit nicht nur für ein legitimes, sondern sogar notwendiges Mittel einer Veränderung des Zustandes der Gesellschaft - aber wenn ich mir meine Genossen (insbesondere die 'Häuptlinge' und Wortführer) so näher anschaute, dann konnte ich das Unbehagen, solchen Leuten die Anwendung physischer Gewalt zur Erreichung politischer Ziele zuzugestehen, nicht allzu lange unterdrücken. Zwischenzeitlich hatte ich Freud entdeckt und der lehrte mich, Motivationen (meine und die Anderer) gründlich zu hinterfragen.
Mit dieser Enttäuschung (die glücklicherweise schon recht früh eintrat) begann dann eine Suche. Historische Spurensuche war etwas, was mich schon an Marx fasziniert (und zu eigenen Untersuchungen inspiriert) hatte, aber mein Interesse richtete sich dann zunehmend auf geistesgeschichtliche Zusammenhänge. Dazu gehörte auch die Beschäftigung mit den wichtigsten Religionen bzw. ihren Schriftzeugnissen. Ich las nicht nur Bibel und Q'ran, auch die vedischen Sanhitas und Upanischaden, Zendavesta, Yi Jing, Laozi, Zhuangzi - und auch eine Auswahl von Sutten des Palikanon sowie Herzsutra und Diamantsutra (die ich damals für total wirres, unausgegorenes Zeug hielt). Das alles als beinharter säkularer Atheist und nicht aus religiösem, sondern aus historischem und soziologischem Interesse. Für Sinnsuche war bei mir eher die westliche Philosophie zuständig. Der entscheidende Wendepunkt für mich war dann das Studium Schopenhauers. Unbefriedigt ließ mich da allerdings die Frage, wie eine solche Philosophie ganz konkret zu leben wäre. Anders gesagt: wie das Konzept der Verneinung des Willens in reiner ästhetischer Betrachtung ganz praktisch umzusetzen wäre (womit ich mittlerweile kein mehr Problem habe ... ). Es war also die Suche nach einer leidüberwindenden Praxis, die mich nun erneut nach dem Band mit den Sutten greifen ließ (das war ja der Anspruch, den speziell der Buddhismus erhob) - die ich nun, vor dem geistigen Hintergrund von Schopenhauers 'Leidensphilosophie', mit tieferem Verständnis las. Nicht nur das - es veranlasste mich auch, mit 'Meditation' zu beginnen. Ānāpānasati - das entsprechende Sutta gehörte praktischerweise mit zu "meiner" Sammlung.
Bis ich dann Zuflucht nahm, sollten noch einige Jahre vergehen, in denen ich viele Entdeckungen machte, die meinen Weg dauerhaft prägen sollten. Nicht nur geschichtlich überlieferte Ideen, wobei die für mich wohl wichtigsten 'Weichensteller' der Tradition Nagārjuna, das Biyan Lu und Dōgen Zenji waren. Aber noch wichtiger war die Entdeckung, auf diesem Weg nicht alleine zu sein. Also das Finden von Weggefährten und -gefährtinnen und - last not least - meiner Lehrerin. Anders gesagt: das 'dritte Juwel', über das ich dann irgendwann stolperte; Saṃgha.