Beiträge von Sudhana im Thema „David Hinton: China Root“

    Die kannst du doch nicht zum Maßstab nehmen

    Mein Maßstab dafür, ob Chan / Zen nun Buddhismus ist oder ein buddhistisch geschminkter Daoismus ist mein persönliches Studium des Buddhismus, dem ich mich seit etwa 25 Jahren intensiv widme. Und das ist in erster Linie ein Studium der Praxis, nur in zweiter Linie und begleitend eines der Theorie, wobei ich mich bei Letzterem nicht nur auf Zen beschränkt habe. Als junger Mann hatte ich mich u.a. auch etwas mit klassischer daoistischer Literatur beschäftigt. Notgedrungen in Übersetzungen (vor allem Legge und Wilhelm), wie bei buddhistischen Quellen auch. Das, was ich in theoretischer Hinsicht studiert habe, stammt also aus zweiter Hand. Da habe ich dann auch kein Problem, Leute, die da kompetenter sind als ich, zum Maßstab zu nehmen. Wobei ich dabei wiederum Spezialisten auf dem Gebiet vergleichender Religionswissenschaft und Religionsphilosophie mit Fachgebiet Ostasien, die die Sprache der Quelltexte beherrschen und im akademischen Bereich Forschung und Lehre betreiben, eine höhere Kompetenz zugestehe als einem freischaffenden Sinologen - auch wenn dieser zweifellos seine Meriten als Übersetzer hat.


    Dass sich jede Theorie letzlich an der Praxis, an der durch sie vermittelten Erfahrung, Einsicht und Verständnis, messen lassen muss, halte ich für selbstverständlich. Aber das ist notwendig ein persönlicher Maßstab ohne Anspruch auf objektive Gültigkeit und taugt daher nicht zur Argumentation.


    _()_

    Mir ging es eigentlich nur darum, auf das Buch hinzuweisen,

    Das ist ja auch völlig in Ordnung und dass ich mich für den Hinweis bedankt habe war durchaus ernst gemeint. Zur Beurteilung des Buchs müsste ich es erst einmal lesen und ob meine Fachkompetenz eine seriöse Beurteilung überhaupt zuließe ist eine ganz andere Frage (z.B. beherrsche ich kein Chinesisch, schon gar kein mittelalterliches). Ich erlaube mir allerdings einige Zweifel an den Thesen, die in dem Interview vorgetragen werden. Kurz gefasst ist mein Eindruck: wenn einer einen Hammer hat, schaut alles wie ein Nagel aus.


    Jedenfalls - um meine Zweifel zu beheben und mich zum Lesen des Buchs zu animieren, bedürfte es wohl einer positiven Rezension in einer einschlägigen Fachzeitschrift. Philosophy East and West, Journal of Chinese Philosophy, Religious Studies Review o.ä. - möglichst von einer Autorität auf dem Gebiet, da gibt's ja einige. Peter N. Gregory, Steven Heine, Hans-Rudolf Kantor, etwas in der Richtung. Wird wohl noch etwas dauern, das Buch ist ja gerade mal ein halbes Jahr auf dem Markt.


    _()_

    Ich habe den Eindruck, dass es da schlicht an einem soliden Grundwissen über den Buddhismus Chinas fehlt; über die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge, also den Kontext, aus dem sich Chan entwickelte. Sanlun, Faxiang, Huayan ... Richtig ist, dass der chinesische Buddhismus auch Ideen des klassischen Daoismus aufgriff - vor anderem auch, um die schwierige Aufgabe zu bewältigen, Sutren und Shastras und die darin erörterten philosophischen Konzepte aus indoeuropäischen Sprachen in das völlig anders strukturierte Chinesisch zu übersetzen. Ähnliches lässt sich ja auch bei Übersetzungen buddhistischer Texte ins Englische oder Deutsche feststellen. Wobei letzteres eher noch problematischer ist, da da z.T. mit Begriffen gearbeitet wird, die begriffsgeschichtlich zum einen durch den Monotheismus und zum anderen durch den auf Platon zurückgehenden Idealismus konnotiert sind. Die darin angelegten Inkongruenzen zum anātaman / śunyatā - Paradigma halte ich für deutlich problematischer als die beim Rückgriff auf daoistische Terminologie auftretenden, weil die Differenz der Grundkonzepte deutlich geringer ist. Auch der (klassische philosophische) Daoismus ist eine nicht-theistische Philosophie bei der es darüber hinaus Parallelen zu den Konzepten anitya und pratītyasamutpāda gibt (der in dem Interview gegebene Verweis auf das Yijing und dessen exegetische Tradition - die sog. '10 Flügel' - die allerdings stark konfuzianisch geprägt ist). Insbesondere ist das śunyatā-Konzept durchaus verwandt mit dem neo-daoistischen xuanxue (mit 'wu' unter Rückgriff auf das Daode Jing als einem der zentralen Begriffe). Wenn man nun speziell die Yulu-Literatur des Chan (aus der die klassischen Gongan-Sammlungen schöpften) einzig vor dem Hintergrund der klassischen daoistischen und der neo-daoistischen Literatur betrachtet, klammert man deren buddhistischen Hintergrund schlicht aus. Da liegt der schon geäußerte Verdacht nahe, dass man den einfach nicht kennt.


    Vollends haarsträubend Hintons Äußerungen zu Wumenguan Fall 1. Wobei es nicht der Ironie entbehrt, dass Hinton einerseits Chan eine anti-metaphysische Grundhaltung bescheinigt (was es nicht 'unbuddhistisch' macht, wobei Metaphysik von seiner Begriffsgeschichte her grundsätzlich einer der oben erwähnten inkongruenten Begriffe ist) und andererseits das Gongan als 'metaphysische' Aussage interpretiert, wenn er Zhaozhous 'wu' als Verweis auf die daoistische xuanxue-Philosophie liest. Misser kann man dieses Gongan gar nicht verstehen. Vielleicht hätte es Hinton vor diesem Missverständnis bewahrt, wenn er sich wenigstens die etwas ausführlichere Präsentation dieser Geschichte in Fall 18 des Congronglu (jap. Shōyōroku) mal angeschaut hätte - die im Übrigen auch deutlich näher an der Quelle beider Gongan-Sammlungen ist, dem Zhaozhou Chanshi Yulu, die man, wenn man so argumentiert, wie es Hinton tut, sinnvollerweise auch beiziehen sollte. Das weckt bei mir einen weiteren Verdacht - dass Hintons Kenntnisse selbst des im Rahmen chinesischer buddhistischer Literatur relativ kleinen Bereichs der Chan-Literatur ausgesprochen lückenhaft sind. Dass sich die 'vollständige' Version dieses Gongan auch bei Dōgen findet (sogar zwei mal, in Shōbōgenzō Busshō und Sambyakuzoku) sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

    Zitat

    Ein Mönch fragte Zhaozhou: "Hat auch ein Hund die Buddhanatur oder nicht?" Zhaozhou sagte: "Er hat!" ....

    Dieser Anwort (kurz: "u") folgt eine Nachfrage und kurze Belehrung, darauf als zweites wenda (Jap. mondo) dieselbe Frage eines anderen Mönchs, die dann mit dem bekannten "wu" beantwortet wird - ebenfalls gefolgt von einer Nachfrage und Antwort. Bei Dōgen ist die Reihenfolge der beiden mondo vertauscht.


    _()_

    Geisterfahrer-Syndrom*. Dietrich Roloff ist auch so ein Fall ... Aber Danke für den Hinweis.


    _()_


    *"Achtung! Auf der A61 kommt ihnen ein Geisterfahrer entgegen. Bitte fahren sie ..."

    "Einer??? Hunderte!!!!"