Ich bin "sehr dicht am Wasser gebaut". Sicherlich ist das in stressigen Zeiten, in den die Psyche nicht stabil ist, schlimmer als in Zeiten der emotionalen Ausgeglichenheit. Zur Beerdigung meines 17-jährigen Bruders 1968 (da war ich 13) wurde der "Gefangenenchor" aus "Nabucco" gespielt. Das hat mein Bruder so gern in seinem Chor gesungen, Egal, wann, wo ich dieses höre, bin ich nicht in der Lage, meine Tränen zurück zu halten. Dabei weiß ich nicht, ob es der Tod meines Bruders oder die Gedanken an das damit verbundene Leid meiner Eltern sind, was mich selbst nach diesen vielen Jahren emotional berührt.
Es passiert auch beim Hören schlimmer Nachrichten, die für andere mir vollkommen unbekannte Menschen viel Leid bedeuten, dass mir die Tränen laufen, z.B. als ich von dem Attentat in Würzburg gehört habe.
Denke ich an Tränen, so denke ich an eine Tante von mir. Bei einem Gespräch vor 25 Jahren, in dem es um den Tod meiner damals schon lange verstorbenen Mutter ging und mir wieder einmal die Tränen rollten sagte sie zu mir: "Sei froh, dass du weinen kannst, ich kann es nicht und das ist ganz schlimm, du lässt es raus" Es stimmte, ich hatte sie noch nie weinen sehen. Sie hat sehr jung ihren Mann im Krieg verloren, musste dann den Bauernhof mit vier Kindern irgendwie allein führen, nie wieder geheiratet.
Ist es positiv oder negativ , so dicht am Wasser gebaut zu sein. Es gibt sicherlich ganz viele Meinungen von "da ist was nicht verarbeitet ect.,", aber manches muss man einfach annehmen und akzeptieren.