Beiträge von Schmu im Thema „Deshimarus Aussagen - verstehe ich was falsch?“

    Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entstanden ist: Ich persönlich ziehe keinerlei Schlüsse daraus, ob und wie viel Alkohol ein Zenlehrer / eine Zenlehrerin konsumiert oder konsumiert hat, wenn es um das Wirken, das Lehren dieses Menschen geht.


    Die einzige Aussage von mir, die so verstanden werden könnte, ist vermutlich, dass ich noch nichts von Deshimaru gelesen habe und womöglich auch nicht werde. Das hat nichts mit seinem möglichen Alkoholkonsum zu tun, sondern es hat andere Gründe. Es gibt noch so einiges, das ich lesen möchte und Deshimaru ist da einfach in absehbarer Zeit nicht dabei – das ist alles – ein anderer Grund oder gar eine Wertung steckt da nicht drin.

    Wenn ich heutzutage im Supermarkt bin und durch den Gang gehe, wo auch die riesigen Mengen Alkohol meterlang in den Regalen stehen, kann ich an der Art, wie jemand die Flasche Wodka oder Gin aus dem Regal nimmt, sehen, ob das ein Alkoholiker ist oder nicht. Weil ich mich an mich selbst zu der Zeit erinnern kann.

    Die Leute tun mir leid, sie erinnern mich an Hungergeister. Sie sind nicht sie selbst, sie sind wie ferngesteuert.

    Also ich sehe es so, dass der Vorwurf, der vielleicht manchmal kommt, im Zen würden sie "alles etwas lockerer sehen", nicht so richtig ernsthaft die Regeln befolgen, nicht unbedingt stimmt.


    Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht manchmal so, aber für mich persönlich ist das einfach nur eine Art damit umzugehen, dass wir eben fehlerhaft sind, und nicht perfekt.

    Meine Theorie ist: Je verkrampfter und verbissener ich versuche, mich zu disziplinieren, umso schwerer wird es mir fallen. Die andere Seite ist auch nicht gut: wenn ich sage, ach, das ist doch alles halb so schlimm, es gibt wichtigere Aspekte in der Buddhalehre, dann ist das auch Selbstbetrug und ich mache es mir allzu einfach.


    Entsagung ist für mich ein zentraler Punkt, da gibt es für mich nichts dran zu rütteln. Ohne Entsagung kann ich gar nicht bemerken, wie gierig, süchtig, habenwollend ich bin, und dass das definitiv unweigerlich Leid erzeugen muss. Aber ich muss auch bis zu einem gewissen Grad wohlwollend mit meinen Begierden umgehen können, sonst beginne ich, einen Krieg gegen sie zu führen, den ich nicht gewinnen kann.

    Bei der Drogenberatung arbeiten ja auch viele ehemalige Süchtige, die die Sucht in und auswendig kennen und Süchtige können sich in einer Selbsthilfegruppe gegenseitig helfen, oder?

    Ja, jemand der genau versteht, was vor sich geht, ist immer eine gute Hilfeperson. Wobei das Wort "ehemalig" sehr wichtig ist. Das muss klar überwunden sein, ein Lebensabschnitt der vorbei ist. Sonst habe ich ruckzuck keinen Helfer mehr, sondern einen Co-Abhängigen mit Rückfall.


    Was Selbsthilfegruppen angeht, ist das für viele Menschen bestimmt Gold wert. Bei mir war es aber anders, ich bin so einfach nicht. Jeder Süchtige ist eben auch ein Individuum, mit eigner Geschichte und eigenem Charakter. Ich habe nicht ein einziges Mal eine Selbsthilfegruppe besucht. Das ist einfach nicht meine Art, es hätte mir nichts gebracht. Sowas ist für mich einfach ein Entschluss, den ich treffe, und da gibt es dann keinen Zweifel und nichts. Wenn ich da jede Woche wieder drüber geredet hätte, hätte ich Zustände gekriegt.


    Das gilt aber für viele Menschen so nicht. Ich kenne einige, die im Nachhinein gesagt haben, ohne die Gruppe hätte ich das nicht geschafft. Das ist scheinbar typabhängig.

    Er hatte vielleicht eine ausgeprägte Gewohnheit Alkohol zu trinken, die ihn auch irgendwann einmal gestört hat. Das ist aber etwas anderes als eine echte Alkoholsucht.

    Erzähl' mir nicht, ab wann das Wort Alkoholsucht angemessen ist, Phoenix. Du hast hier einen Profi vor dir, der genau weiß, wovon er spricht.


    Ich habe alle Stadien durchlaufen, bis ich 2016 noch genau zwei Möglichkeiten hatte: Entweder ein schleichendes Multi-Organversagen, das einen unschönen, qualvollen Tod in absehbarer Zukunft garantiert, oder eine 180°-Wende zurück zum Leben. Ich habe mich damals für die zweite Variante entschieden.


    Die Alkoholsucht begann bereits viele, viele Jahre vorher, als ich noch dachte, einfach nur sehr gerne Bier zu trinken.

    Das war mE ein faules Ei, was Sawaki da gelegt hatte, ohne dass es ihm bewusst war.

    Das habe ich mich schon manchmal gefragt, inwieweit Sawaki den Grundpfeiler gelegt hat für den Umgang mit Alkohol in manchen Ablegern seiner Tradition.


    Ich selber habe von Sawaki bisher nur das von Muho übersetzte "Zen ist die größte Lüge aller Zeiten" gelesen, und hier und da immer mal wieder weitere Zitate. Zumindest bis jetzt habe ich keine besonderen Anhaltspunkte gefunden, die auf einen beachtlichen Alkoholkonsum hindeuten.


    Bei Uchiyama in "Zen für Küche und Leben" findet man schon eher Hinweise. Auf die Frage, ob er ein Laster hätte, antwortet er jemandem, dass er abends beim Einschlafen 2-3 kleine Gläser Whiskey trinke, weil er unter kalten Füßen leide und es sich so für ihn deutlich besser einschlafen lässt.

    Zu Zeiten von Muhos Lehrer, Miyaura Shinyū, war in Antai-ji offenbar der Höhepunkt des freizügigen Umgangs mit Alkohol. Als sein Lehrer verunglückte und er selber zum Abt wurde, hat er das wieder in vernünftigere Bahnen geleitet. Die unter Miyaura in Antai-ji öfter stattfindenden abendlichen Lagerfeuer wurden seltener, und deren Charakter in Bezug auf Alkoholkonsum änderte sich.

    Ich bin im Laufe der Zeit immer mehr zu dem Schluss gekommen, dass weder die Buddhalehre noch Zen gut in Büchern zu finden ist. Ein paar "basics", ok, das war's dann aber auch.

    Es sind immer andere Menschen, die da sprechen, keine Heiligen. Mit ihren Eigenheiten, ihren eigenen blinden Flecken, ihrer ganz individuellen Sicht auf die Dinge.


    Das ist andererseits für mich aber auch der Grund, warum ich ein Hingezogensein zu (Soto-)Zen entwickelt habe. Dass Dogen das Sitzen absolut in den Mittelpunkt gestellt hat, passt sehr gut zu mir. So habe ich das Gefühl, ich kann mir hier und da Impulse, Hinweise, Fingerzeige usw. holen – aber letztendlich muss ich es selber bewerkstelligen.

    Deshimaru wurde von einigen kritisch gesehen, da bist du nicht der Einzige, @Budhnik . Ich erinnere mich an ein Video von Muho Nölke (dem vorherigen Abt von Antaiji), in dem er andeutete, dass es zum Beispiel ordentlich Reibereien zwischen Uchiyama und Deshimaru gab. Uchiyama war der Nachfolger von Sawaki in Antaiji.

    Jetzt las ich „Die Praxis der konzentration“ von Deshimaru und bin einfach sprachlos/enttäuscht, fast schon wütend. Mir ist mehrmals die Kinnlade runter gefallen und ich habe zwischenzeitlich gedacht der Mann lehrt alles nur keinen Buddhismus.

    Ich selber habe von Deshimaru nichts gelesen und werde es vermutlich auch nicht. Aber warum regt dich das denn so auf? Deshimaru wurde 1914 geboren – in der Generation war eine solche Meinung über Homosexualität wie du sie zitiert hast der Normal-Standard, ganz unabhängig von der religiösen / spirituellen Ausrichtung.


    Homosexualität war zunächst eine "Straftat", dann wurde sie zu einer "psychischen Erkrankung". Noch bis in die 1970er Jahre wurde sie ganz selbstverständlich als solche diagnostiziert. Erst 1990 (!) hat die WHO sie von der Liste psychischer Krankheiten gestrichen.


    Die Zeiten ändern sich und die Menschen werden langsam (aber immerhin) etwas reifer und erwachsener.