Ich gehe so detailliert darauf ein, weil Thorsten Hallscheidt schrieb, dass ein Mensch simuliert er habe alle Schwächen hinter sich gelassen und dies zu nur neuer Anhaftung führen wird. - Selbstverständlich möchte ich damit nicht sagen, dass ich all meine Schwächen hinter mir gelassen habe, das wäre vermessen und gelogen. Dennoch ist das Aufgeben einiger Schwächen, doch ein guter Schritt, oder?
Ja, klar ist das Aufgeben von Abhängigkeiten ein guter Schritt. Das habe ich auch nicht in Zweifel gezogen. Das macht mich aber nicht automatisch zu einem besseren Menschen. Wenn das Aufgeben einer Abhängigkeit dazu führt, dass ich auf andere herabblicke, oder mich für etwas Besonderes halte, oder beginne, ungnädiger auf andere zu schauen, die das nicht geschafft haben, oder ich mich damit zu einer moralischen Instanz für andere machen möchte, wird es problematisch. Sobald ich etwas tue, um mein Ego zu stützen und zu stärken (und sei es auch als Eremit in einer Höhle zu leben), ist das ein gefährlicher Irrweg. Das meinte ich damit. Ich rede aus eigener Erfahrung – und möchte keinesfalls über Dich urteilen. Ich kenne Dich ja auch gar nicht.
Es gab und gibt für mich eine schöne Übung für die buddhistische Praxis im Alltag, mit der ich gut überprüfen kann, ob sich wieder so eine Hybris aufbaut: Sich nicht über andere stellen, sich nicht unter andere stellen, sich nicht auf die gleiche Ebene mit anderen stellen. Das kann ich von den großen Lebensthemen ausgehend bis selbst auf die kleinsten gedanklichen Herabwürdigungen anderer oder Selbsterniedrigungen anwenden, die zum Beispiel im Supermarkt oder in der Straßenbahn quasi im Autopilot vor mich hin denke.
Ich werde immer wieder fündig.