Beiträge von Tai im Thema „Umgang mit Sexualität“

    Wie ich es verstehe, ist in der Praxis nach Buddha die Befreiung von Anhaftungen zugleich ein Erwachen. Diese Gleichsetzung davon, sich von etwas in der Erleuchtung zu befreien, ist hier der entscheidende Schlüssel. Wenn die Befreiung von Anhaftung kein gleichzeitiges Erwachen ist, dann handelt es sich nach meinem Verständnis dabei auch nicht wirklich um buddhistische Praxis im strengeren Sinne.


    Es sieht für mich ein bisschen so aus, als ob deine Versuche, dich von Anhaftungen an sexuelle Freuden zu befreien, zu vielfältigen anderen Formen der Anhaftungen führten und zwar so schwerwiegenden, dass du dich am Ende "zutiefst schämst und hasst", dich "unwürdig" fühlst und "kaum noch vor den Hausaltar traust".


    Wichtig ist, dass im Buddhismus sexuelle Freuden nicht als etwas Schlechtes oder Sündhaftes verstanden werden. Ebenso wie z.B. die Freude, sich Tagträumen oder anderen Gedankenergüssen hinzugeben, sind auch sexuelle Freuden ganz natürliche menschliche Bedürfnisse; sie sind als solche keineswegs verdammenswürdig. Allerdings stehen sie dem augenblicklichen Erwachen im Weg, denn solange ich mich diesen Genüssen hingebe, bin ich gefangen in Dualität, Vorlieben und Abneigungen, Enstehen und Vergehen, also letztlich vielfältigen Formen des Leidens. Mindestens ebenso gefangen in all dies bin ich aber auch, während ich mich schäme, selbst hasse und unwürdig fühle. Die Ablehnung der Sexualität ist aus buddhistischer Sicht eine mindestens ebenso verhängnisvolle Anhaftung wie die Anhaftung an lustvolle sexuelle Hingabe. Denn beide stehen dem Erwachen im Wege.


    Welchen Raum deine dir angeborene Sexualität in deinem Leben als praktizierender Buddhist letztendlich einnimmt, ist letztlich eine Frage deines persönlichen Weges. Ich würde dir da gar nicht reinreden wollen. Du wirkst auf mich, wie ein Mensch mit großer Entschlossenheit und bringst damit eine für einen Schüler des Buddha ganz wichtige Eigenschaft mit. Wichtig ist aber auch, diese Entschlossenheit in die richtige Richtung zu lenken.


    Als Buddhist möchte ich dir daher raten, einen Weg zu suchen, der sowohl übermäßige Anhaftung an den sexuellen Genuss als auch Anhaftung durch Ablehnung vermeidet. Letztlich geht es nicht darum, wie lange es dir gelingt, auf der körperlichen Ebene sexuell enthaltsam zu bleiben, sondern darum, in deiner geistigen Haltung möglichst frei zu bleiben von dualitären Verstrickungen.


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    Tai