Beiträge von Mabli im Thema „Dalai Lama entschuldigt sich…“

    Auch wenn jetzt schon mehrfach der Wunsch geäußert wurde, der Thread möge doch geschlossen werden, da so langsam doch alles zu dem Thema gesagt sei, möchte ich auch meine Gedanken dazu formulieren.


    In dem Fall kommt so einiges zusammen. Es stößt ein universalistischer Anspruch, die Grenzen eines jeden Menschen im Allgemeinen - und die eines Kindes als einem kleinen Menschen mit noch nicht voll entwickelter Autonomie im Besonderen - seien zu respektieren und zu wahren, auf einen Kulturrelativismus, der die Empfindung von Grenzen und Grenzverletzungen als ein kulturell bedingtes Phänomen ansieht. Dieses produktive Spannungsfeld des Universalen und des Partikularen wird nie gänzlich aufzulösen sein.


    Daneben spielt der Buddhismus und hier insbesondere der tibetische Buddhismus und Tibet als fernes Land auf dem Hochplateau des Himalaya als eine Projektionsfläche für westliche Gesellschaften in der ganzen Debatte eine große Rolle. Einerseits wurde Tibet verklärt zu einem Paradies auf dem Dach der Welt und die Tibeter zu einem vergeistigten und ganz der Religion hingegeben Volk. So schreibt der Tibetologe Thurmann noch 1996 in "Weisheit und Mitgefühl: Das Herz der tibetischen Kultur":


    Zitat

    Die Darstellung der persönlichen Energie, der selbstlosen Hingabe und der totalen Erfüllung enthüllt und formuliert das Wesen des tibetischen Lebensgefühls... Aus diesem Grund hält die tibetische Kultur die Transzendente Weisheit als ihr höchstes und bedeutendstes Ideal hoch. Alle kulturellen Formen erstrahlen

    in ihrem Innersten durch den lebendigen Gedanken an die karmische Verwandtschaft und Verbundenheit mit allen lebenden Wesen. Mitgefühl ist überall spürbar - in dem offenen Lächeln der Tibeter, in dem vertrauten, freundlichen Blick, der auch auf Fremde fällt, in der Liebenswürdigkeit gegenüber Kindern, alten

    Leuten und Tieren, in der Freundlichkeit von Mönchen und Nonnen, Heiligen und Bettlern. Die lebendige Einheit von Weisheit und Mitgefühl zeigt sich in der bemerkenswerten tibetischen Neigung, sich mit der farbenfreudigsten und energetischsten Erdverbundenheit auf die allerüberweltlichsten Angelegenheiten zu konzentriegen.


    Andererseits wird ein negatives Bild auf Tibet projiziert, das auf eine Entzauberung des Mythos abzielt. Aus der Zerstörung des positiven Mythos entsteht jedoch ein negativer Mythos.


    Kollmar-Paulenz: Die Entzauberung Asiens: Tibet und die Mongolei in der abendländischen Imagination:

    Die tibetische Geistlichkeit unter ihrem "Anführer", dem Dalai Lama, wird als eine finstere Macht dargestellt, die sich die Erlangung der Weltherrschaft zum Ziel gesetzt hat. Dieser Vorwurf des Strebens nach Weltherrschaft greift auf einen weiteren Rezeptionsstrang des "mystischen Asien" zurück und ist. keineswegs neu: Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Buddhismus von NS-Ideologen als "Zerfallserscheinung nordischen Rassengeistes” angesehen. Ihnen zufolge bedrohe der "Lamaismus" zusammen mit den jüdischen Freimaurern und dem römischen Papsttum die Völker Europas. General Ludendorff verfasste zusammen mit seiner Frau 1941 ein diesen Thesen gewidmetes Werk mit dem bezeichnenden Titel "Europa den Asiatenpriesiern?" Der Topos des tibetischen Buddhismus als "Zerfallserscheinung" hat eine lange Geschichte. Das erste Mal taucht er in den Berichten der Kapuzinermönche aus Lhasa zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf, Sie betrachteten den tibetischen Buddhismus als ein Werk des Satans, da er dem Katholizismus, der "wahren . Religion", so täuschend ähnlich sei.


    Diese beiden Spannungsfelder, zwischen Partikularität und Universalität und zwischen den positiven und negativen Projektionen auf das orientalisch-fremde Tibet, sind meines Erachtens in der ganzen Debatte um das grenzverletzende oder - überschreitende Verhalten des Dalai Lama sehr virulent und präsent.

    Gonzi


    Ja, das Verhalten des Dalai Lama ist aus meiner Sicht unangemessen und sehr strange. Ich würde ihm meine Kinder nach dieser Begebenheit nicht anvertrauen.

    Es ging mir oben nur um eine Richtigstellung bezüglich der rechtlichen Einordnung, nicht um eine ethische Bewertung des Verhaltens.

    Kleinreden kann man es nicht, da es nach unserem Rechtsverstaendnis - das ich hier nur wiedergebe, ohne es zu werten -, so aussieht: „Durch den Kuss auf den Mund des Kindes Olaf … hat der Angeklagte sich ferner des schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § § 176,176 a Abs. 1 und 6 StGB schuldig gemacht." (https://dost-rechtsanwalt.de/d…-missbrauch-eines-kindes/)


    Mit anderen Worten, nach dt. Strafrecht wäre der DL in Schwierigkeiten. Die Empörung einer offensichtlichen Mehrheit reflektiert dies m. E.

    Wenn man den Text auf der Seite zu Ende liest, sieht man, dass es eine Revision des BGH zu dem Urteil gibt.


    Zitat

    Der Kuss in der Revision zum BGH

    Das Urteil ist nun (auch) insoweit mit der Revision zum BGH angegriffen worden. Nach hiesiger Auffassung ist ein kurzer flüchtiger Kuss nicht unter § 176 StGB zu subsumieren.