Beiträge von Sudhana im Thema „Jesus? Aus der buddhistischen Sicht?“

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    Ich fand Deinen Beitrag erheiternd, provokant und etwas .....taktlos als Antwort an jemanden der sehr an Jesus hängt.

    Muss ich dann voraussetzen, dass er in gleicher Weise an Paulus hängt? Davon mal abgesehen, dass es in einem buddhistischen Forum gewiss erlaubt sein muss, diese
    Gottessohnschaft schlicht als eine theistische Verirrung zu bezeichnen. Wenn man als Jesus- oder Gottesgläubiger an einem buddhistischen Forum teilnimmt, muss man das in Kauf nehmen können, sonst ist man hier fehl am Platz. Hier ist Jeder willkommen - aber das heisst nicht 'hier hat jeder recht'.

    Ich habe den Eindruck Buddha und Jesu waren Arhats.

    Ich weiss zwar nicht, worauf sich dieser Eindruck stützt, aber meinetwegen. Bleibt die Frage: hat das irgendeine Relevanz für Deine buddhistische Praxis?


    Man braucht lange Beine, um zwei Wege wenigstens ein Stück weit gleichzeitig zu gehen. Es wird zunehmend unbequemer, da noch die Grätsche zu machen und irgendwann fällt man. Hoffentlich wenigstens auf den Arsch und nicht auf die Nase. Auf dem sollte man erst mal ein Weilchen sitzen bleiben und vor allem diesen ganzen Arhat-Bodhisattva-Messias-Firlefanz vergessen. Es geht um Dich, was juckt Dich Jesus?

    ich will nicht wissen wie ein Psychiater reagiert, wenn Du zu ihm sagst. Das Ich ist eine Illusion.

    Nicht, dass ich die Notwendigkeit sähe, einen wegen professionellen Rates aufzusuchen. Ich hatte mal eine Weile einen sehr netten Kontakt mit einem klinischen Psychologen und denke, ich hätte auch kein Problem, mich mit einem Psychiater über das Thema auszutauschen. Wenn er kein Idiot und wissenschaftlich einigermaßen auf dem Laufernden ist (z.B. Thomas Metzingers Arbeiten kennt) dürfte das für ihn auch kein Problem sein. Ein Psychiater, der einzig auf Grund einer solchen Aussage die (Verdachts-)Diagnose Depersonalisation bzw. dissoziative Störung stellt, sollte sein Studiengeld zurückgeben und es besser als Gesundbeter versuchen. In der Regel sind solche Leute jedoch für ihren Job besser qualifiziert, als Manche zu glauben scheinen.


    Aus Penibilitätsgründen noch eine Anmerkung dazu:

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    Jesus wurde aber als Gefahr gesehen von den Pharisäern. Und damit hatten sie ja auch recht.

    Der Hohe Rat, also die Jerusalemer Priesteraristokratie, die mit den Römern kollaborierte, waren Sadduzäer. Da wäre die Erzählung auch plausibel, dass die den Unruhestifter, der die wichtige Funktion des Tempels als internationales Finanzzentrum bedrohte, beim römischen Präfekten anschwärzten. Dass der den Unruhestifter erst nach Bedenken und auf Druck des Rates und des jüdischen Pöbels verurteilt haben soll, ist ziemlich unwahrscheinlich; eher eine spätere 'Schönung', die aus Missionierungsgründen darauf abzielte, die römischen Besatzer von aller Schuld für die Hinrichtung freizusprechen und diese der jüdischen Konkurrenz in die Schuhe zu schieben. Was dann zu einem hartnäckigen Ansatzpunkt für christliche Judenfeindschaft mit wiederkehrenden mörderischen Episoden wurde. Selbst dran schuld. "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder" - mit dieser Offerte sollen sie laut Matthäus Pilatus rumgekriegt haben. Na bitte, das können sie haben.


    Aber solche Leute ohne viel Federlesen zu liquidieren, gehörte zur Stellenbeschreibung eines römischen Präfekten. Diese ganze Kargeschichte, wie sie von den Evangelien überliefert wurde, strotzt nur so von historischen Ungereimtheiten.


    Die Pharisäer hatten übrigens ihre eigenen Probleme mit den Sadduzäern und mit den Römern sowieso. Trotz aller jesuanischen Polemik waren die essenische und (später sog.) johanneschristliche Strömung im Grunde radikale Ableger des Pharisäertums. Die Übergange waren da wohl auch fließend - der verräterische (angeblich wegen Enttäuschung über Jesus mangelnden Eifer, das davidische Königreich wieder zu errichten) Apostel Judas Ischarioth war Zelot - in römischen Augen ein Terrorist.

    Den Prophetischen und Wahrheitsverkündenwollenden Typ Mensch gibt es aber auch hier in Europa viel

    Ja, da hat dieser Kult nach seinem Bündnis mit den Machthabern tiefe Wurzeln geschlagen. Auch, wenn man heute als Verkünder göttlicher Eingebungen eher als Fall für die Psychiatrie eingestuft wird. Was ich gar nicht so verkehrt finde; die historische Erfahrung hat gezeigt, dass in den Köpfen solcher Leute die theoretische Liebe Gottes nur allzu oft mit seinem praktischen Zorn einhergeht.

    Mit der Vorherrschaft von Gott geht es mit Jesus und seinen Lehren den Bach runter. Das Christentum wird zu einem Gottesglaube und nicht ein Glaube an Jesus. Im Islam ist es mit Mohammed sehr ähnlich. Ich vermute, dass der Gotteskram einee Eigendynamik entwickelt, weil die Kleriker so sehr viel besser die Leute kontrollieren können.

    Das kann ich nur teilweise nachvollziehen. Es ist ja doch so, dass Jeschua (so weit sich da aus der literarischen Gestalt der Evangelien eine historische erschließen lässt) wie auch Mohammed sich ausdrücklich auf den "Gotteskram" zu ihrer Legitimation bzw. der ihrer Lehren bezogen. Wobei beide ja nur die heute prominentesten Vertreter eines Typus sind, der für den syrisch - koilesyrischen und angrenzenden arabischen und iranischen Kulturraum charakteristisch war: der Prophet. Vox prophetae vox dei. Jeschua war ja kein Einzelfall, nicht nur hinsichtlich der im Tanach überlieferten Vorgänger. Politisch - religiöse Spinner zur prophylaktischen Terrorismusbekämpfung ans Kreuz zu nageln, war Tagesgeschäft für die Besatzungsmacht. Was gerade Jeschua besonders machte, war vor allem sein Propagandist Scha'ul / Paulus. Dem er praktischerweise nicht mehr widersprechen konnte. Paulus "kannte" Jeschua nur aus Visionen - prosaischer ausgedrückt, handelte es sich wohl eher (wie auch bei Mohammed oder der notorischen Hildegard von Bingen) um epileptische Anfälle. Gerade Paulus folgte dem 'Prophetentypus' (auf den mW Toynbee als erster hinwies), wenn auch nicht so extrem wie später der Apokalyptiker Johannes.


    Das praktische an der so begründeten göttlichen Autorität eines Lehrers als Stimme Gottes, wenn sie denn erst einmal durch das Charisma dieses Lehrers hinreichend Akzeptanz gefunden hat, ist natürlich, dass sich diese Autorität übertragen und sogar verkaufen lässt - an und von weniger charismatischen Personen. Das funktioniert, weil das (konkret: das magische Brimborium mit den Sakramenten) eine reine Luftnummer ist, die einzig auf Glaube und Hoffnung beruht. Auf frommem Selbstbetrug. Okay, etwas Liebe ist auch dabei; ohne die wär' alles nix, wie Paulus meinte - wo er recht hat, hat er recht.


    Buddha hat sich nie auf irgendwelche Götter, Dämonen oder sonstigen Popanze als Quelle verlassen. Er war kein Prophet. Er hat gelehrt, was er selbst eingesehen hat - nicht, was ihm irgendwelche 'Visionen' eingeflüstert haben. Und wenn er mal ein Schwätzchen mit Brahma hielt, hat er dem gezeigt, wo's lang geht und wo er falsch liegt, nicht umgekehrt. Vor allem hat er eines gelehrt: wenn du aus der Scheiße raus willst, hilft kein hoffen, glauben, fasten und beten; auch nicht an einen gütigen transzendenten Vater (Freud hat dazu ein paar passende Bemerkungen gemacht). Du musst vielmehr etwas tun - vor allem aufpassen, wo du hintrittst. Natürlich musst du da auch erst einmal glauben - besser: hoffen - dass dieser Weg zur Freiheit führt. Aber diese Hoffnung / dieser Glaube (Śrāddha) ist nicht absolut oder bedingungslos, wie der von den Theisten geforderte - er steht unter dem Vorbehalt, sich verifizieren zu lassen. Hier und Jetzt - nicht in einem nebulösen Jenseits. Den Leuten verkünden: "im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen, und ich gehe jetzt hin, um dort einen Platz für euch bereit zu machen" ist ja zweifellos nett und die gute Absicht anerkennenswert. Aber dafür jetzt schon Miete zu zahlen - das ist was für Gimpel.


    So viel zur Erläuterung meiner ersten, kürzer gefassten Antwort, was Jesus aus buddhistischer Sicht ist: Irrelevant.

    Ein weiterer Punkt dürfte sein, dass er sich in seiner Botschaft nicht auf traditionelle Juden beschränkte sondern auch griechisch/römisch beinflusste Juden ansprach, was dann später bei Paulus zu einer Erweiterung über das Judentum hinaus führen sollte.

    Halte ich für ziemlich unwahrscheinlich, wenn man sich sein durch die Synoptiker überliefertes Itinerar anschaut. Die hellenistischen Städte der Dekapolis, östlich und südöstlich Galiläas - null Präsenz. Nicht einmal das in Sichtweite Kafernaums gelegene Hippos. Ganz zu schweigen von der zu seinen Lebzeiten neuerbauten hellenistisch-römischen Residenzstadt seines Landesherrn Herodes Antipas - Tiberias, keine 20 km von Kafarnaum entfernt, wo es für einen Zimmermann gewiss gut bezahlte Arbeit gab. Das johanneische Itinerar ist eher literarisch als dokumentarisch gestaltet, lässt aber auch keinen anderen Schluss zu, als dass der Wanderprediger Jeschua sich weitgehend unter jüdischen Fundamentalisten bewegte. Wenn es da mal eine Ausnahme gab, dann war das so bemerkenswert, dass es eine solche Ausnahme in ein Evangelium schaffte - in diesem Fall das des Matthäus, Kap. 15.

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    21 Und Jesus ging weg von dort [vom See Genezareth] und zog sich zurück in die Gegend von Tyrus und Sidon.

    22 Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt.

    23 Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach.

    24 Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.

    25 Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir!

    26 Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.

    27 Sie sprach: Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. [welch vorbildliche Demut!]

    28 Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.

    Proselyten unter 'Heiden' zu rekrutieren - also eine Weltreligion, keine ethnische - das war erst das Projekt des Zeltmachers (und römischen Bürgers) Scha'ul aka Paulus aus der kleinasiatischen Diaspora; der hellenistischen Hafenstadt Tarsus, wo seit dem Seleukiden Antiochos IV. zweihundert Jahre lang Juden, Syrer, Griechen und Lateiner zusammenlebten. Das war genau das Umfeld, das Jeschua bei seinen Reisen mied.


    Die sog. "Zöllner" waren einheimische Subunternehmer römischer Finanzkonsortien (bzw. der herodianischen Dynasten), die die Steuereinnahmen der Region gepachtet hatten. Ihre Aufgabe war deren Eintreibung - ggf. mit Unterstützung bewaffneter 'Gerichtsvollzieher', die schon mal nötig wurde, wenn säumige Steuerschuldner zur Begleichung kurzerhand versklavt und verkauft wurden. "Einheimisch" heisst, dass das (wie der notorische Zachäus) idR ebenso Juden waren wie die von ihnen Geschröpften. Dass die zwar recht wohlhabend, aber trotzdem bei ihren Mitbürgern wenig beliebt waren, sollte nicht überraschen. Nun ja - wenn man einen ganzen Trupp Apostel zu verköstigen und keine Fischbrötchen zum vermehren hat, kehrt man besser bei einem reichen Mann ein ...