void Ist es nicht so, dass die minimalistische Ästhetik des Zen darauf zurückzuführen ist, dass man auf alles, von der Praxis Ablenkende verzichten wollte?
Ja, ich denke es war wichtig, eine möglichst "banale" Umgebung zu haben, die nicht ablenkt. Von daher wäre man dem vielleicht näher, wenn man in der
Jogginghose in einer Schulturnhalle meditiert, als wenn man sich da um exotischer Ästhetik bemüht.
Aber der Kult um die Zen-Ästhetik kam ja nicht erst mit dem Westen. Ich denke dass es umgekehrt der Versuch war, Zen in ganz alltägliche Vorrichtungen einfließen zu lassen, dass diese verändert hat. Wenn es nicht nur "Einfach nur Sitzen" gibt sondern Befreiung auch auch im Holztragen, Fegen, Tee Eingießen ausdrücken kann, dann kann dies das Alltägliche mit Bedeutung aufladen.
Es gab ja schon früh einen Kult der "Schlichtheit". So wie Thoureau in seinem Buch Walden sein einfaches Leben als Aussteiger in der Hütte am See vorstellt
war in Japan das Hōjōki ein Kultbuch, dessen Autor Krieg und Chaos aber auch Rang, Namen und Bequemlichkeit hinter sich ließ und ein schlichtes aber ehrliches Leben in einer kleinen Hütte führte. Dagegen ist ja an sich nichts zu sagen, weil sich darin vielen buddhistischen Idealen ausdrückt
Aber es blieb ja nicht da stehen sondern der "Kult des Schlichten" würde zur Mode und zum Statussymbol. Die Klöster drückten darin ihr Prestige aus, tolle Garten zu haben und die Adeligen sprangen auf. Einzelne besonders pittoresk geformte Steine wurden für das Jahresgehalt eines normalen Arbeiters gehandelt. Von daher drückt die Zen Ästhetik Kyotos die in obigen Film so unkritisch rezipiert wird ja so eine gewisse perverse Zen Dekadenz aus.
Am extremsten drückt sich die Diskrepanz in der Geschichte des
Ginkakuji aus: Der Shogun Ashikaga Yoshimasa hatte die Idee sich von seinem politischen Wirken zurückzuziehen und sich so ne beschauliche Hütte - dem Vorbild des Hōkōji - zu bauen. Aber natürlich auf ästhetschen Hochniveau. Er widmete sich ganz der Ästhetik und feilte daran, dass sein Garten den Konzepten von wabi und yūgen genügten.
Und während er Zeit und Geld auf seine Bauvorhaben verwendete, schlitterte Kyoto - befeuert durch seine widerstrebende Nachfolgeregelungen, der Konkurrenz seiner Frauen, eine Günstlingswirtschaft in den Ōnin-Krieg. Von der Stadtbevölkerung Kyotos gab es laufend Petitionen, sich um ihre Sicherheit zu kümmern aber der Ex-Shogun beachtete sie nicht und widmete sich den schönen Dingen: Zen-Gärten, Ikebana, Gedichten, Teezeremonie und schönen Hütten.
Er schuf sich also eine luxuriöse "Filterblasen" wo ihn das Leid draußen nicht anficht. Mit Yoshimasa kam der Ōnin Krieg, der Kyoto nahezu zerstörte und ein Zeitalter des Chaos einleitete.
Wenn man den wunderschönen Garten des Ginkakuji besucht, dann muß man doch das Chaos mitdenken.