Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Unbeständigkeit/Vergänglichkeit (anitya/anicca) akzeptieren...“

    Was gibt es anzustreben, zu behalten, wenn in der Menschenwelt schon alles ist.

    Auf der Höhe des Überflusses wird deutlich, dass alles auf tönernen Füßen steht. Je größer der Wohlstand, desto größer die (meist unbewusste) Angst und auch die Wut, dass nichts bleiben wird. Darum fangen wir auch umso mehr an zu nörgeln, je "besser" es uns geht. Die Stimmung derzeit in Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür. Die Befriedigungen der (Menschen-) Welt sind Schaum. Brauche ich wenig, habe ich nicht viel zu verlieren, bis ich irgendwann nichts mehr zu verlieren habe: Dann habe ich hier nichts mehr verloren.

    Das Bewusstsein der Wandelbarkeit zeigt auch, dass alles, was zurzeit gut und hilfreich ist, auch ganz anders sein könnte. Ich gehe zum Wasserhahn und trinke ein Glas Wasser. Das bedeutet, ich kann gehen und bin nicht schwer krank oder gelähmt. Es gibt einen Wasserhahn, und ich muss nicht weit laufen zu einem Bach oder Brunnen. Das Wasser ist trinkbar, dass ich nicht krank werde, wenn ich es trinke. Ich kann trinken, meine Speiseröhre und mein Mundraum sind funktionsfähig und nicht z.B. von Krebs zersetzt. Das ist alles sehr gut und keinesfalls selbstverständlich, Produkt guten Karmas, Produkt von unzähligen positiven Ursachen und Umständen, basierend auf der Mühe und der schieren Existenz unzähliger Wesen. Das Bewusstsein von Unbeständigkeit kann zu tiefer Dankbarkeit führen, tut es hingegen nur selten, weil all das Gute zu sehr schon das Gewohnte ist, das zumeist Leere und Unzufriedenheit hinterlässt. Wie nutze ich den Reichtum und all die positiven Ursachen und Umstände für mich und andere? Nutze ich all das überhaupt?


    Mir ist aufgefallen, bei mir und anderen, dass es den meisten, die ich kenne, zumindest bezüglich der äußeren Umstände nur wenig besser gehen kann, als es ihnen und mir zurzeit geht. Das wird deutlich, wenn ich mir im Vergleich zu den Möglichkeiten der Verbesserung die potenzielle Masse dessen bewusst mache, was alles deutlich schlechter sein könnte – in meinem privaten Leben, aber auch in unserer Gesellschaft oder in der Welt. Wie mag diese Relation sein? Ein zu Tausend? Eins zu einer Million? Es gibt im Vergleich zu all dem, was an Schlimmem, Schmerzhaftem und Traurigem möglich ist, nicht viel, was noch besser sein könnte. Und dennoch überwiegen bei weitem die negativen Bewertungen unsere Gegenwart. Wenn ich online-Zeitung lese, um mich über das Geschehen in der Welt zu informieren, lese ich so gut wie nie von Dankbarkeit über das Bestehende, denn das würde gute Nachrichten hervorbringen. Stattdessen lese ich nur von Gefahren, Missständen, Bedrohungen, Unzufriedenheiten, etc.. Es gibt keinen verbrieften Anspruch auf Glück, Wohlstand und Gesundheit, für niemanden. Wie nutze ich dieses unglaubliche Potenzial? Wie komme ich dazu, auch nur einen Augenblick zu jammern?