Zur Meisterung der jhana heißt es lapidar, Weisheit und Befreiung seien erreicht.
Mit den Jhana sind weder Weisheit noch Befreiung erreicht. Sie liegen auf dem Weg. Es sind Mittel und Werkzeuge, die zum Erwachen führen können.
du weißt m.E. nicht, wo du stehst (oder sitzt
) , und du weißt immer noch nicht, was "Praxis" ist und wirst es im Rahmen von Dogen-Zen auch nie verstehen, solange du immer wieder glaubst aufs Kissen zurück oder irgendwelche Zustände erlangen zu müssen. Das ist Religion.
Seit ich das erste Jhana erlebt habe, und von mehr kann ich nicht reden, weiß ich, dass ich ziemlich am Anfang der eigentlichen Praxis stehe oder sitze. Vorher dachte ich manchmal, es gäbe für mich nichts mehr zu wissen oder zu tun. Religion? Nenn es, wie Du willst. Ich würde sagen, es ist eine Kernerfahrung, die dann die Grundlage auch von Religion bilden kann. Würde ich auf dem Kissen solche "Zustände" (Zustand ist ein unzureichender Begriff, aber darauf hat Monika ja schon hingewiesen) erlangen wollen, könnte ich das Sitzen sein lassen, da hast Du recht. Das ist nicht der Punkt. Was ich sagen möchte, ist nicht mehr und nicht weniger, als dass es viel weiter geht, als ich mir je hätte vorstellen können. Das kannst Du zur Kenntnis nehmen oder lassen. Ich kann in Deinen Kopf nicht schauen, aber wenn Du Jhana mit einem Alkoholrausch oder mit einem außerordentlichen Orgasmus vergleichst, hat Dich Deine Praxis offenbar noch nicht dorthin geführt. Auch das kannst Du glauben oder lassen.
Das erste Jhana ist für mich kein Grund mich als weise oder gar erwacht zu bezeichnen, das Gegenteil ist der Fall. Es hat mir eher klargemacht, dass jede Hybris völlig unangebracht wäre, und dass ich ein ganz kleines Licht bin. Es ist so, als hätte ich erstmals von unten den Berg gesehen, auf den man überhaupt steigen kann, und auf den andere gestiegen sind. Ich glaube nicht, dass ich je dort ankommen werde. Dafür ist mein Geist zu schwach und mein Alltag zu chaotisch. Neun Jahre vor der Wand, das wäre ein Weg... da hätte ich früher anfangen, und mich all dem mit größerer Hingabe widmen müssen.
Es geht nicht darum, ob man vier oder sechs oder zwei Dekaden praktiziert. Ich denke, es sind Intensität der Praxis und Geduld, die den Ausschlag geben. Beide sind in meinem Leben bisher nicht ausreichend gewesen, auch wenn ich seit vielen Jahren regelmäßig praktiziere. Nach einer Woche, in der man 10 Stunden täglich sitzt, passieren ganz andere Dinge als wenn man jahrelang täglich eine Stunde sitzt. Und was geschieht erst nach drei Monaten, drei Jahren, neun Jahren täglicher intensiver Praxis vor der Wand? Ich kann es nur vermuten. Andere sind diesen intensiven Weg gegangen. Warum sollte ich das, was sie (z.B. im Palikanon) berichten, in Zweifel ziehen, oder sie als Lügner oder Schaumschläger bezeichnen, nur weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es mehr zu erfahren gibt, als mein kleines Leben bisher hervorgebracht hat?
Zen ist in dieser Hinsicht wirklich gefährlich. Es ist vollkommen sinnlos, irgendein Ziel verfolgen zu wollen, darum sollten auch irgendwelche Zustände keine Rolle spielen. Jedes Wollen, jedes Ziel, jede Vorstellung schließt das Tor immer fester. Das bedeutet aber paradoxerweise nicht, dass es dieses Ziel nicht gibt. Zen zerbricht berechtigterweise jede Vorstellung von Erwachen, Buddhismus oder Buddhanatur, und holt all die Verstiegenheiten, Mythen und Rituale wieder auf den Boden der unmittelbaren Erfahrung. Dennoch gibt es den Erfahrungs-Weg des Erwachens. Ganz ähnlich übrigens wie in vielen Sutren des Palikanon. Dieser Weg geht aber sehr viel weiter als ich mir je hätte vorstellen können. Nur habe ich nicht die Fähigkeiten, ihn konsequent zu gehen.
Zwischen "vorher ist es ein Berg, dann ist es kein Berg und dann ist es wieder ein Berg" liegen wortwörtlich Welten. Wenn man aber glaubt, nur weil ein Berg auch jetzt schon ein Berg ist, sei man schon angekommen, hat man den Weg dazwischen unterschlagen.