Onda:Alles anzeigenIm Christentum gibt es den Lobpreis der Schöpfung. Die Schöpfung - als Gottes Werk - ist verehrungswürdig und bejahenswert. Im Buddhismus scheint mir eine vergleichbare Wertschätzung des Lebens zu fehlen.
Gibt es im Buddhismus eine wirkliche Wertschätzung des Daseins? Wenn ja, wo und wie gelangt sie zum Ausdruck? Wenn nein, ist es lebenspraktisch betrachtet sinnvoll, eine Lehre auf dem Fundament der Daseins-Ablehnung zu errichten? Manchmal hat es den Anschein, als würde die menschliche Existenz im Buddhismus nur deshalb wertgeschätzt, weil sie als einzige die Möglichkeit bietet, dem Kreislauf der Wiedergeburten zu entrinnen und damit dem Elend, ein weiteres Mal als Mensch wiedergeboren zu werden.
Zitat(XVI,3. 13-14)
Gleichwie, ihr Mönche, selbst schon ein wenig Kot, Urin (muttam),
Schleim, Eiter oder Blut übel riecht (duggandho),
so auch preise ich nicht einmal ein kurzes (appa-matta= klein, gering;appamattaka = ein bißchen ) Dasein, auch nicht für einen Augenblick.
Wertschätzung des Lebens klingt irgendwie anders.
(Irgendein kluger Kopf wird sich vielleicht mal des Themas annehmen: "Kot-Metaphern im Buddhismus"). Ich versuche, diese düstere Lesart des Buddhismus einmal - im Bilde bleibend - zu paraphrasieren:
Das Leben ist Scheiße. Es ist am Anfang Scheiße, in der Mitte Scheiße und am Ende Scheiße. Geburt ist Scheiße, Krankheit ist Scheiße, Sterben ist Scheiße. Ziel der buddhistischen Praxis ist es, diese Scheiße ein für alle mal zu beenden. Höchstes und letztes Ziel ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Scheiße nie wieder von vorne losgeht. Solange wir daher dieser Scheisse auch nur irgendetwas abgewinnen können und uns der sinnlichen Fülle der Existenz erfreuen sind wir in fataler Anhaftung verstrickt - die endgültige Überwindung der Scheiße (das Nicht-Mehr-Dasein-Müssen) rückt damit in weite Ferne.
Richtig paraphrasiert?
aus christlicher Sicht die Wertschätzung des Daseins
Ich, die höchste und feurige Kraft,
habe jedweden Funken von Leben entzündet
und nichts Tödliches sprühe ich aus.
Ich entscheide über alle Wirklichkeit.
Mit meinen höheren Flügeln
unfliege ich den Erdkreis.
Mit Weisheit habe ich das All geordnet.
Ich, das feurige Leben göttlicher Wesenheit,
zünde hin über die Schönheiten der Flure,
ich leuchte in den Gewässern,
und brenne in der Sonne, Mond und Sterne.
Mit jedem Lufthauch,
wie mit unsichtbarem Leben,
das alles erhellt,
erwecke ich alles zum Leben . . .
So ruhe ich in aller Wirklichkeit
verborgen als feurige Kraft
Alles brennt so durch mich.,
wie der Atem den Menschen unablässig bewegt,
gleich der windbewegten Flamme im Feuer.
Dies alles lebt in seiner Wesenheit
und ist kein Tod darin.
Denn ich bin das Leben.
Ich bin auch Vernunft,
die den Hauch des tönenden Wortes in sich trägt,
durch das die ganze Schöpfung gemacht ist.
Allem hauche ich Leben ein,
so daß nichts davon in seiner Art sterblich ist.
Denn ich bin das Leben. -
Hildegard von Bingen