Beiträge von _溯源_ im Thema „Link zum Herz Sutra?“

    Dorje Sema:

    Eventuell liegt das u.a. auch daran das "Untrennbar" und "(nicht)Verschieden" im [deutschen] Vokabular begrifflich miteinander gleichgesetzt werden :?:


    Ich würde sagen, das Problem liegt darin, dass das skrt "na pṛthak" - 'nicht getrennt von' im Sinne von 'nicht verschieden' oder 'besteht gemeinsam' - plump und platt als Identität verstanden wird. Wenn dann rupaskandha = sunyata und vedanaskandha = sunyata, folgt daraus messerscharf, dass rupaskandha = vedanaskandha - was, wie geschrieben, sinnfreier Blödsinn ist. Zumindest jedenfalls nicht das, was Avalokitesvara im Herzsutra sagt.


    In Sanskrit lautet die Stelle:
    इह शा रि पु त्र रूपं शू न्य ता शू न्य तै व रूपं रूपा न्न पृथक्शू न्य ता शू न्य ता या न पृथग्रूपं
    iha śāriputra rūpaṃ śūnyatā śūnyataiva rūpaṃ rūpān na pṛthak śūnyatā śūnyatāyā na pṛthag rūpaṃ
    Eine Identität oder Äquivalenz scheint es nun allenfalls im ersten Halbvers zu gehen - rūpaṃ śūnyatā śūnyataiva rūpaṃ, Form [ist] Leere, Leere ist Form. Wie die Beziehung zwischen Leere und skandhas – hier exemplarisch rupaskandha – genau zu verstehen ist, wird jedoch im zweiten Halbvers genauer spezifiziert - rūpān na pṛthak śūnyatā śūnyatāyā na pṛthag rūpaṃ. Das "na pṛthak" gibt übrigens auch Kumarajivas chinesische Übersetzung (der Xuanzangs Text bis auf eine kleine Hinzufügung genau folgt) ziemlich treffend wieder, nämlich mit 不異. Die Hauptbedeutung von 異 ist "verschieden[sein], ungleich, anders [werden], [ein]Anderer/s, [sich] unterscheiden", 不 steht als Verneinung davor. Exakt wäre hier die deutsche Übersetzung mit "nicht verschieden", was zumindest sehr nahe am "nicht getrennt" (das für na pṛthak mE um Nuancen adäquater wäre) ist. Deutsch wäre evt. noch "nicht geschieden" möglich. Jedenfalls - "nicht getrennt von", "nicht geschieden von", nicht verschieden von" ist alles etwas Anderes als "ist dasselbe wie" ...


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    Bakram:


    "JU SO GYO SHIKI YAKU BU NYO ZE" mit "und Form sind auch die Empfindung, das Denken, der Wille und das Bewusstsein" zu übersetzen ist sinnfreier Blödsinn; dem Übersetzer fehlen offensichtlich selbst rudimentäre Grundkenntnisse sinojapanischer buddhistischer Terminologie. Unmittelbar vorher wird die Beziehung zwischen sunyata (空, ku, Leerheit) und rupaskandha (色, 'shiki', Form) erklärt, darauf folgt natürlich die Aussage, dass das Gleiche (如是, 'nyo ze' - also die gleiche Beziehung) ebenfalls (亦復, 'yaku bu') für vedanaskandha (受, ju, Empfindung), samjnaskandha (想, 'so', Wahrnehmung), samskaraskandha (行, 'gyo', Wollen) und vijnanaskandha (識, 'shiki', unterscheidendes Denken) gilt.


    "Und Leere sind auch die Empfindung, das Denken, der Wille und das Bewusstsein" wäre ja zur Not noch angegangen, auch wenn das da gar nicht steht. Den rupaskandha jedoch mit den anderen skandhas gleichzusetzen ist schlicht gaga.


    Zusätzlich eine Anmerkung - das Herzsutra ist ein extremes Kondensat des Mahaprajnaparamitasutra. Als Einstieg in mahayanisches Denken völlig ungeeignet; da sollte man sich besser vorher ein wenig mit einem ausführlicheren Text beschäftigen, z.B. dem Astasahasrika Prajnaparamita Sutra und am besten auch mit Nagarjuna. Sonst versteht man nämlich nur Bahnhof wie der oben zitierte Übersetzer. Wenn schon gleich das Herzsutra als Einstieg, dann wenigstens eine gute kommentierte Übersetzung - z.B. die von Edward Conze.


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    Benkei:

    Da die Frage nun hier im "tibetischen Forum" eingestellt wurde wollte ich noch die folgenden Posts ergänzen:


    Tibetische Teilübersetzung von "Zen-Splitter"


    Zur Klarstellung: es handelt sich nicht um eine "tibetische Teilübersetzung" des Herzsutra, sondern um die Übersetzung eines Abschnitts des Mahaprajnaparamitasutra aus dem Sanskrit - und zwar des Abschnittes, der später zur Vorlage des Herzsutra wurde.


    Auf Zensplitter findet sich außerdem eine Interlinearübersetzung der chinesischen Übersetzung Xuanzangs - die Fassung, die im ostasiatischen Buddhismus am häufigsten als Rezitationstext verwendet wird. Außerdem eine Übersetzung der längeren Version des Herzsutra, die wiederum auf dem Sanskrittext basiert: http://www.zensplitter.de/Herzsutra.pdf


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