Die Sichtweise des Vajrayâna ist extrem schwer zu realisieren.
Da diese unklar (obskur) zu sein scheint, fühlen einige sich sicherer, sich als Anhänger des Hinayana-Pfades zu bezeichnen und sich nicht für den Vajrayâna-Pfad zu interessieren.
Das ist eine legitime Bestrebung.
Genau genommen ist jedoch die Sichtweise des Vajrayâna gar nicht so vernebelt und schwer zu verstehen. Das Vajrayâna erklärt, wie die Dinge wirklich sind.
Stelle Dir zum Beispiel einen umfangreichen Gletscher vor. Jemand, der das Vajrayâna nicht versteht wird denken, "Dies ist ein Berg aus Eis". Jemand der das Vajrayâna versteht wird denken, "Dies erscheint einem wie ein Berg aus Eis; jedoch, die Natur des Eises ist Wasser. Er ist nicht immer ein Eisberg; irgendwann wird er schmelzen und sich in Wasser verwandeln.“ Wenn Du nur dieses Prinzip verstehst, verstehst Du die Sichtweise des Vajrayâna.
Das Vajrayâna sagt auch, dass zwar die sechs Bereiche erscheinen, dies aber eine vorübergehende Erscheinung ist.
In Wahrheit besitzen alle fühlenden Wesen die Buddha-Natur – das Potential die Erleuchtung zu erlangen. Im Geist erscheinen vorübergehend die verschiedensten Gedanken. Sie sind nicht das, was wir wirklich sind; sie kommen und sie gehen und sie verändern sich stetig. Jetzt bist Du wütend und im nächsten Moment liebst Du. All diese Gedanken sind flüchtig. Aber es gibt einen Urgrund des Seins, es gibt da ein bewusstes Gewahrsein das immer da ist. Es kommt und geht niemals; es ist gleichbleibend immer vorhanden. Es stirbt nicht und es ist nicht geboren. Es ist eine zugrunde liegende, ewige, bewusste Wahrnehmung. Du warst niemals von ihr getrennt und wirst es auch nie sein, denn dies ist das, was Du wirklich bist.
Wenn Du diese Natur wahrnimmst, Deine wahre Natur, dann nimmst Du die wahre Bedeutung des Vajrayâna wahr.
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Erinnerungen der Gütigkeit, des Mitgefühls und Deiner eigenen wahren Natur, von Seiner Eminenz Garchen Rinpoche.
Übersetzungs copyright der deutschen Fassung © 2012 Daniela König.