Beiträge von Merkur-Uranus im Thema „sozial engagierter buddhismus“

    1) Die "Eintrittspreise" bei TNH sind ja sehr fair und klar ausgerichtet. Der Tagessatz von 50,- Euro bei einem Retreat ist meines Erachtens sehr angemessen. Zudem gibt es immer die Möglichkeit der Ermäßigung.


    2) Die Grundfrage ändert sich nicht, wohl aber die Herangehensweise. Die Form bestimmt den Inhalt.


    3) Da muss ich sagen, ist das deine persönliche Konditionierung wenn du achtsames Arbeiten mit liebevollem Gesäusel gleichsetzt ;)


    HG, merkur

    Hallo Jinen,


    zu deinen Punkten:


    1) ein wichtiger Punkt. Thich Nhat Hanh legt den Unterschied so fest: Wenn du soziales Engagement nicht achtsam ausführst, ist es kein "engagierter Buddhismus", sondern "einfach" nur soziales Engagement.
    Zu den hohen Veranstaltungsgebühren habe ich keine Infos: Weißt du da konkreteres?


    2) Hier lohnt es vielleicht zu schauen: Was ist die buddhistische Praxis für Ordinierte und was für Laien? Da gibt es Unterschiede. Ich denke, wenn Laien sich zu stark mit der monastischen Praxis definieren, wird es schwierig, da sich ja eben doch im weltlichen Leben stecken. Und gerade Buddha hat ja auch klare Anregungen gegeben, wie eine gesunde, soziale Gesellschaft aussieht und wie sie manifestiert werden kann. Buddha hat also unterschieden zwischen der Mönchs-Praxis und der Laien-Praxis (ich glaube, dass fällt zu oft unter den Tisch)


    3) Vielleicht ist es ja auch ein Lernprozess. Karitative EInrichtungen können ein perfektes Übungsfeld sein für angewandtes Mitgefühl und Weisheit. Und auch hier gilt: Solange man kein Mönch ist, trägt man Verantwortung für das weltliche Leben...


    HG, merkur

    Es lohnt sich vielleicht, den Ansatz "engagierter Buddhismus" unter individuellen und kollektiven Aspekten zu durchleuchten:


    A) Der individuelle Ansatz
    Als buddhistisch praktizierender Mensch entwickle ich geistige Stabilität und Klarheit auf meinem Weg. Daraus resultiert Mitgefühl und Weisheit. Das heißt, es erwächst unter Umständen in mir das Bedürfnis mir konkrete "Übungsfelder"zu suchen, in denen ich Mitgefühl und Weisheit konkret anwenden kann, z.B. Hospize, Schulen, Krankenhäuser... usw.
    Eigentlich kann aber einem gewissen "Reifegrad" (der natürlich erst nach und nach entsteht, durch kontinuierliche Praxis) alles was ich mache als "engagierter Buddhismus" betrachtet werden, da ich alle Tätigkeiten und Handlungen mit Mitgefühl und Weisheit ausführe...


    B) Der kollektive Ansatz
    Gleichzeitig lebe ich als Individuum aber auch in einer Gesellschaft, die mich - ob ich es will oder nicht - massiv beeinflusst. Momentan lebe ich in einer Gesellschaft, die dabei ist, die menschliche Zivilisation an den Rande der Existenz zu bringen. Klimawandel, Atommüll, Umweltzerstörung usw. sprechen eine deutliche Sprache.
    Doch in diesem Bereich ist es unter Umständen nicht so leicht, sich zu engagieren. Viele Praktizierende fragen sich "was kann ich als Einzelner da schon tun?" Natürlich - ich kann Vorbild sein "und die Veränderung, die ich in der Welt sehen möchte." Doch darüber hinaus fehlen zuweilen die rechten Ansätze, wie man der kollektiven Verantwortung gerecht werden könnte.
    In den USA nehmen deshalb viele Praktizierende an der Occupy Bewegung teil. Die Buddhist Peace Fellowship (http://www.bpf.org/) beispielsweise engagieren sich schon seit den 70er Jahren politisch!
    Doch diese Partizipation ist in Deutschland noch nicht angekommen. Und ich glaube, dass sie auch nicht so schnell entstehen wird, wenn "nur darauf gewartet wird", dass etwas passiert. Darum bin ich der Ansicht, dass gerade buddhistische Zentren hier auf die KOLLEKTIVE SEITE unseres Lebens weisen sollten und ggf. Strategien und Ansätze entwickeln, wie die Sangha daran teilhaben kann.


    Okay. Soweit ein erster Input...


    Liebe Grüße, merkur

    Liebe Foris,


    ein Thema, das für mich hohe Relevanz besitzt, betrifft das soziale Engagement von buddhistisch Praktizierenden.


    Auch hier gibt es - verständlicherweise - verschiedene Ansichten. In allen buddhistischen Linien habe ich jetzt schon Kommentare vernommen, die sich gegen ein soziales Engagement aussprechen. Ein Argument, das ich im tibetischen Buddhismus schon öfters vernommen ist, bezieht sich auf den Umstand der Wiedergeburt: Da wir alle schon unzählige Male wiedergeboren sind (und wir alle zum Beispiel auch schon die Rolle eines Weltretter, oder Revolutionärs oder was auch immer schon eingenommen haben), wir jedoch immer noch im Daseinskreislauf gefangen sind, lohnt es sich nicht, in der Welt der Phänomene aktiv zu werden. Vielmehr sollte man durch ein monastisches Leben sein Bestes geben, eben diesen Kreislauf zu durchbrechen.


    Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch viele (tibetische) Stimmen, die sich für ein Engagement in der Welt aussprechen. Der Dalai Lama oder auch der Karmapa sprechen in dieser Hinsicht deutliche Worte. Der Zustand dieser Welt erfordert es, sich entschieden für einen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel einzusetzen.


    Da wir nun in einem sehr wohlhabenden Land leben und selbst die Ärmeren von uns nicht in Gefahr laufen müssen zu verhungern, kommt es mir so vor, als ob die Dringlichkeit eines sozialen Engagements nicht so richtig ankommen kann. Der Zustand der Welt wird einfach nicht wirklich wahrgenommen, da er "zu weit weg ist". Das ist jetzt nicht vorwurfsvoll gemeint, sondern eher eine psychologische Tatsache: Wenn ein Mensch nicht emotional von etwas betroffen ist, ist es fast unmöglich für ihn, entsprechend zu handeln. (Es gibt da mittlerweile sehr viele und gute wissenschaftliche Erkenntnisse darüber...)


    In den USA beispielsweise gibt es eine recht starke Verbindung zwischen der Occupy-Bewegung und buddhistischen Institutionen. Hierzulande ist davon nur sehr wenig zu spüren.


    Meine Frage: Wie seht ihr das? Beziehungsweise, welche Bedingungen braucht es, damit sich ein sozial engagierter Buddhismus auch hier manifestieren kann (mal abgesehen von Tibet-Initiativen)?


    Liebe Grüße
    merkur