Beiträge von Benkei im Thema „Kalte Atmosphäre im Zen?“

    Namaste!

    Taishan:
    nagare:


    aber sie stehen doch auch nicht unabhängig voneinander dar? für mich sind sie untrennbar und ich dachte immer dass das tao zum zen gehört !?


    Lass dich nicht von Benkei verwirren. Selbstverständlich ist Chan/Zen mit dem Daoismus eine Verbindung eingegangen. Aber das bedeutet im Chan nichts. Mit mir ist es ja auch eine Verbindung eingegangen - und was bedeutet das? Nichts.


    Es ist schon ein Unterschied, ob man sagt, "Zen sei eine Mischung aus Buddhismus und Taoismus" oder ob man sagt "Zen ist mit Taoismus eine Verbindung eingegangen".


    Die erste Aussage sehe ich als unrichtig an, die zweite als zu verallgemeinert.


    Der Taoismus hat vom Buddhismus wahrscheinlich die klösterlichen Strukturen übernommen, sowie die konzeptuelle Lehre von der Wiedergeburt.
    Der Buddhismus hat in China viele Begriffe und ideelle Vorstellungen aus dem Taoismus übernommen, sowie viele kulturelle Aspekte.


    Trotzdem sind beide immer noch unterschiedliche Lehren die zusammengefasst keinesfalls Zen ergeben.


    Basistexte des Zen sind u. a.
    die Prajna-Paramita-Sutren (mit Herz-Sutra und Diamant-Sutra),
    das Shurangama-Sutra,
    das Lankavatara-Sutra,
    das Vimalakirti-Sutra,
    das Lotos-Sutra,
    (alles buddhistische Sutren die die Zen-Schulen mit anderen Mahayana-Schulen teilen)
    sowie verschiedene Texte der Patriarchen (je nach Zen-Schule).


    Mit Basistexten des Taoismus kenne ich mich kaum aus, ich würde hier vielleicht
    das I-Ging,
    Lao Tse's "Tao Te King" und
    Dschuang Dsi's "Das wahre Buch vom südlichen Blütenland"
    anführen, aber kein buddhistisches Sutra.


    Ein Zen-/Chan-Mönch ist ein Buddhist, kein Taoist.
    Ein taoistischer Mönch wird wohl kaum nach den Pratimoksha-Gelübden oder den Brahmajalasutra-Gelübden ordiniert (auch wenn der Taoismus sich wahrscheinlich in vielen Punkten daran orientiert).


    Es ist zweifellos möglich, als Zen-Praktizierender Inspiration aus taoistischen Schriften zu ziehen, da man sie ja quasi "mit der Zen-Brille" liest.
    Es ist wahrscheinlich auch umgekehrt möglich, als Taoist Inspiration aus buddhistischen Schriften zu ziehen, wenn man daraus seine taoistischen Schlüsse zieht.


    Es gibt mit Sicherheit auch Millionen von Menschen (ich denke vor allem an China, Taiwan und Vietnam), die sowohl Buddhismus als auch Taoismus praktizieren, aber das macht sie alle nicht automatisch zu Zen-Menschen ;)


    < Gasshô >


    Benkei

    Namaste!

    BastiMe:

    Was sagt ihr zu der Aussage, dass im Zen Buddhismus eine eher "kalte Atmosphäre" bzw. "düstere Sichtweise" vorherrscht?


    Solche Aussagen tue ich als Vorurteile ab.


    Ich habe festgestellt, dass es zumeist die Meinungen von solchen Zeitgenossen sind, die selbst nicht den Zen-Weg praktizieren; sie kommen aus anderen Traditionen (oder folgen überhaupt keinem spirituellen Weg), sehen die schmucklose Einrichtung und die dunklen Altagsroben der Zenmöche und vergleichen diese dann mit ihren eigenen (oder ihnen vertrauteren) Tempel-/Kircheneinrichtungen und Mönchs-/Priesterkleidungen. Manch einem drängt sich da vielleicht das Vorurteil auf, dass es im Zen-Dojo kalt und düster zugehen muss. Das ist aber völliger Unsinn.


    Während der Übung geht es ruhig, diszipliniert und nüchtern zu. Außerhalb der Übung (wenn man es denn so benennen will) kann durchaus eine locke, heitere und zwanglose Atmosphäre herrschen.


    BastiMe:

    Bisher half mir gute Lektüre weiter ein paar Begrifflichkeiten zu klären wie z.B. "Leere", "Niemand", "Nirgens wohnen" oder "Tod". Dies sind ein paar Kapitel des Buches "Philosophie des Zen-Buddhismus" von Byung-Chul Han.


    Das genannte Buch kenne ich nicht.


    Zen ist ein Praxisweg.
    Philosophie ist in diesem Zusammenhang der Versuch, etwas theoretisch erklären zu wollen.


    Wenn der Zen-Weg "Bergsteigen" ist, dann ist buddhistische Philosophie ein "Buch über Bergsteigen". Der Zen-Weg kann "auf den Gipfel" führen und ermöglicht die direkte Erfahrung vom "Bergsteigen". Buddhistische Philosophien sind Erfahrungsberichte aus erster, zweiter oder noch weiterer Hand, Bilder und Geschichten zum "Bergsteigen". Durch das Lesen dieser Texte kommt man weder zum Gipfel, noch erhält man einen wirklichen "Geschmack" vom "Bergsteigen".
    (Trotzdem muss man natürlich etwas vom "Bergsteigen" gehört haben um überhaupt wissen zu können, dass man "einen Berg besteigen kann".)


    Mit Hakuin's Worten könnte man den Zen-Weg wie folgt umschreiben:
    "Geben, die Regeln beachten, die Vollkommenheiten, Buddhas Namen singen, Reue, ständiges Üben, und viele andere Arten heilsamen Tuns wurzeln im Sitzen des Zen."


    Buddhistische Philosophie füllt die Bücherregale ganzer Bibliotheken; es gibt etliche verschiedene buddhistische Lehrrichtungen, ganz zu schweigen von den verschiedenen Sichtweisen buddhistischer Philosophen. Auch wenn die ein oder andere dieser Sichtweisen gern dem Zen-Weg zugeschrieben wird, mit dem Zen-Weg selbst hat das alles kaum etwas zu tun.


    Als anschauliche Lektüre empfehle ich "Zazen - Die Praxis des Zen" von Taisen Deshimaru Roshi. Der Besuch eines Dojo und die Teilnahme am gemeinschaftlichen Zazen ist aber in jedem Fall der beste Erklärungsversuch ;)


    BastiMe:

    Und auch ich frage mich ehrlich gestanden wie unter all der Leerheit und Selbstlosigkeit wahrhaft Freude empfunden werden kann, wie es in anderen Richtungen des Buddhismus wohl möglich eher der Fall sein kann.


    Was ist denn "Wahrheit", was ist "wahrhafte Freude"?


    Freude ist ein Gegenstück zu Leid.
    Leid ist vorübergehend.
    Freude ist vorübergehend.
    Beide sind verursacht, unbeständig und letztlich ohne eigenständige, unabhängige Existenz.
    Freude als Gegenstück zu Leid kann deshalb nicht wahrhafte Freude sein.


    Das, was bei den Praktiken dieser anderen Richtungen empfunden werden kann, wird in den meisten Fällen wohl "Freude als Gegenstück zu Leid" sein. Ggf. kann man das auch im Zen erfahren (bei mir sind eingeschlafene Beine, Muskelkater im Rücken, etc. häufiger anzutreffen), es ist aber nicht Zweck der Übung, weder im Zen, noch in einem anderen ernsthaften spirituellen Wegen, sondern höchstens ein angenehmer Nebeneffekt.


    nagare:

    lies dir das tao te king von laotse durch.


    Als authentisches Werk über Zen würde ich nicht das "Tao Te King" anführen.
    Das Tao Te King wird dem Taoismus zugerechnet und dieser kann kaum mit Zen gleichgesetzt werden. Es mag zwar stimmen, dass sich in China Taoismus und Buddhismus gegenseitig beeinflusst/inspiriert haben, aber es entspricht kaum den Tatsachen, das Zen eine Verbindung von Taoismus und Buddhismus ist.


    Einen angenehmen Tag,
    < Gasshô >


    Benkei