Lieber, wunderbarer Kilaya,
viele Westler meinen, mit großem Vertrauen, dass der Buddhismus insgesamt eine sehr ausdehnbare Religion ist, nicht wahr? Nette lachende Mönche, lächelnder Buddha, tolle Lamas, charismatische Nonnen. Der Pali-Kanon zwischen den vergilbten Fingern, denn der Buddhismus hat nichts gegen Nikotinsüchtigkeit, und sogar der Penis wird so oft eingesetzt, wie man möchte - oder kann, denn Buddhismus ist doch sexualfreundlich. Mit diesem Weltbild, dass sich die Regeln an meinem eigenen Weg zur Erleuchtung ausrichten, damit gehen viele Buddhisten durch ihr Leben. Das zieht die Menschen seit Jahrzehnten an. Man meint, dass der Buddhismus nicht so "trocken" sei, wie die hiesige Kirche, sondern in manchen Bereichen, nunja, sogar ein wenig feuchter.
Die Regeln stelle ich mir, wenn, dann schon selber auf. Das ist provokant ausgedrückt, aber hierin liegt schon ein dickes Korn Wahrheit. Westliche "Buddhisten" kultivieren, so habe ich den Eindruck, recht häufig ihre Unreinheit und mögen nicht erkennen, dass der Hauptakt, die Herausforderung, nicht im Lesen irgendwelcher alter Schriften besteht, sondern im fordernden und andauernden Umstellen des Gehirns, oder auch des Geistes wie manche sagen, indem man unheilsame Taten langsam mit heilsamen Taten austauscht. In dem man anstatt "Verdammte Scheiße, Fuck!" zu brüllen plötzlich sanft "Oh, das war daneben" sagt, wenn man sich mit einem Hammer auf den Fingern haut ("wessen das Herz voll ist, dessen geht der Mund über") indem der Kettenrauch mit einer Gebetskette ersetzt wird, indem mein überaktiver Sexualtrieb, angefacht von Werbung und Film, besänftigt wird. Sodass ich nicht auch noch in einem Retreat darüber sinnen muss, wie ich mir Befriedigung schaffen kann. In toto: dass die unendlichen und leidvollen Prozesse des zyklischen Existierens langsam erkannt und gestoppt werden. Das ist mein Ziel.
Zitat
„Von allem Bösen abzustehen,
das Heilsame zu mehren,
auf Läuterung des Geistes zu sehn:
Das ist's was Buddhas lehren.“ (Dhp 183)
Wenn der Buddha einmal ein Verhalten unmittelbar einfordert, und das tut er durchaus, dann wird das als unangenehm erkannt - das will man nicht haben - und sofort aufgeweicht, wegverhandelt oder als "kulturell oder ethisch zu speziell auf Tibet gerichtet" empfunden, weil wir sind ja hier nicht in Tibet. Da poppen selbst die Götter auf dem Altar. In Tibet. Da geht alles. In Tibet. Anscheinend. Aber so ist das nicht. Wie ist es? Ein Lehrer, der sich 500 seiner Schülerinnen mit auf sein Zimmer nimmt und die Hosen herunterlässt, der kann hier wohl nicht als Maßstab dienen und mich lehren, nicht wahr? Also schaue ich mir an, was die Wissenschaft sagt und der Buddhismus kommt da plötzlich ziemlich kleinteilig her:
Zitat
José Ignazico Cabezón schreibt:
Was die klassischen Texte sagen
Das erste Ziel meines Projekts musste also sein zu informieren, zu erklären, die vorhandene Literatur zu erfassen und Lernprozesse anzuschieben. Während einige meiner Freunde die Aussagen der Texte einfach ablehnten, zeigten andere eine Reaktion, die mich genauso verwirrte: „widerwillige Resignation“. Diese Gruppe war, wenn auch widerstrebend, bereit, eine restriktive sexuelle Ethik zu befolgen und ein Leben entsprechend der wörtlichen Botschaft der scholastischen Texte zu führen – wohl ohne wirklich zu verstehen, was das bedeutet. Zum besseren Verständnis hier die indischen und tibetischen Quellen im Wortlaut, sie besagen:
- dass männliche Homosexualität verboten ist, aber weibliche nicht,
- dass nichts anderes erlaubt ist als Penis-Vagina-Koitus, und dieser nur nachts,
- dass es für verheiratete Männer in Ordnung ist, Prostituierte anzuheuern,
- dass Polygamie erlaubt ist,
- dass Männer jederzeit das Recht über den Körper ihrer Frauen haben – außer wenn die Ehefrau das Ein-Tages-Gelübde genommen hat. Doch selbst dann verliert die Frau ihr Recht, ihren Ehemann abzuweisen, wenn sie nicht vorher die Erlaubnis erhalten hatte, das Gelübde zu nehmen,
- und schließlich, dass einer Reihe von Personen aufgrund ihrer sexuellen bzw. oder geschlechtlichen Identität oder ihrer anatomischen Eigenschaften die Ordination verweigert werden muss – Männern hauptsächlich wegen anomaler sexueller Begierden und Frauen überwiegend wegen anomaler sexueller Anatomien.
Wer bereit ist, die sexuellen Lehren der Tradition buchstabengetreu zu akzeptieren, legt sich fest, nach diesen Richtlinien zu leben.
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Das einzig Positive: Mann darf fünf Orgasmen in der Nacht haben. (Wobei ich hier schon wieder kläglich scheitern werde. Ich kann es mit den kleinen, leichten Hochleistungstibetern, die sich aber auch im Höhentraining sowas von fit gemacht haben, einfach nicht aufnehmen. Ich hatte mal drei, und das war echt harte, harte Arbeit...).