Beiträge von ???

    Nochmals Rilke:


    "Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

    unendlich sanft in seinen Händen hält."


    Wir fallen gemeinsam und sollten nicht darüber streiten, wer langsamer fällt. Ich werde es nicht mehr tun.

    Nochmals Rilke:


    "Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

    unendlich sanft in seinen Händen hält."


    Wir fallen gemeinsam und sollten nicht darüber streiten, wer langsamer fällt. Ich werde es nicht mehr tun.

    Keine Frage - die Verhältnisse sind durchaus nicht ideal und einem "Anything goes" will ich keinesfalls das Wort reden!


    Ich komme aus der Biolgie und habe "evolutionäres Denken" dort aufgesogen. Ich bin es gewohnt, in extrem langen Zeiträumen zu denken - und das lässt mich bezüglich unserer ethisch-moralischen Entwicklung hoffen: Wir sind hier am Weg - nicht am Ende! Vor allem aber sind wir in recht ungleichem Tempo unterwegs: Während manche anscheinend schon ohne stets drohende "Knute" auskommen, scheinen andere sie im Hinblick auf ein erträgliches Miteinander zu brauchen - und wieder andere "funktionieren" selbst unter Androhung schärfster Strafen nicht.


    Kann Werkgerechtigkeit aber tatsächlich erlösen? Es war wohl Shinran, der sagte, er wisse nicht, was gut oder böse sei. Wie soll man unter solchen Prämissen noch gezielt an der eigenen Rettung arbeiten? Bin ich dann nicht ein umhertappender Blinder und geradezu auf Rettung von außen angewiesen?


    Viel Stoff zum Nachdenken!

    Warum hat er nicht einfach gelobt, dass wenn er der Buddha Amida wird, dann automatisch alle Wesen gerettet sind?

    Halten wir fest: Es geht hier um ein religiöses Narrativ, um eine Erzählung (ähnlich einem Märchen) - und nicht um eine historische oder naturwissenschaftliche Aussage! Vergleichbare Narrative im Sinne geschickter Mittel gibt es m. W. in allen (elaborierten) Religionen - und es geht wohl darum, damit Trost zu spenden, Hoffnung zu wecken und letztlich zu befreien. (M. E. die einzige Aufgabe von Religion.)


    Warum findet sich dann die "automatische Erlösung" nicht in diesen Texten? - Nun, betrachtet man die Biografien von Honin und Shinran, dann wird eines deutlich: Die Lehre "Sogar der Gute wird erlöst, um wie viel mehr der Böse" führte auch viele Zeitalter nach Amidas Gelübdebeschluss noch immer zu Aufruhr, Verfolgung, Todesurteilen, Verbannungen, Lehrverboten usw. Die Sprengkraft dieser vergleichsweise einfachen Lehre war auch ohne einen darin enthaltenen "Erlösungsautomatismus" für viele Menschen ganz offensichtlich überfordernd und brandgefährlich: Bösem folgt - zu Lebzeiten oder danach - unweigerlich Bestrafung! Belohnung wiederum folgt nur auf Gutes; sie muss in jedem Fall erst verdient werden! Und nur so ist es gerecht!


    Alles andere stieße vermutlich auch heute noch bei der Mehrzahl der Menschen auf Unverständnis und Ablehnung, und dieses Gerechtigkeitsdenken stellt in der Tat ja eine gewaltige moralische und kulturelle Errungenschaft dar. Ist es aber wirklich das Ende unserer moralischen Evolution? Geht da nicht mehr? Barmherzigkeit? Vielleicht sogar Liebe?


    Wer liebt, schenkt. Wer sich geliebt weiß, kann jedes Geschenk annehmen! Und was wäre ein größeres Geschenk als der oben erwähnte "Automatismus": Erlösung für alle - ohne jede Bedingung! Sind wir moralisch reif dafür?


    Wenn ich einem gläubigen Evangelikalen erzählen würde, dass er von Amida Buddha gerettet wird, dann wird ihn das sehr enttäuschen (hier ungleich "ent-täuschen"!).

    Zählt die Tatsache der Rettung oder ihr "Werkzeug"?


    Deshalb soll nur noch der Rettungsweg durch das Reine Land des Buddha Amida "offen stehen".

    Ein solches "Mappô-Konzept" wird nicht einmal in Japan von allen Buddhisten geteilt, sondern es ist nicht unumstritten.

    Honens und Shinrans Ansichten führen auch in eine Prädestinatonslehre, wie sie so im christlichen Umfeld kaum noch vertreten wird. Ein "Erlösungsautomatismus" würde auch diesen Problemen ein Ende setzen. (Natürlich kein Grund, dass es so ist; immerhin aber eine erfreuliche Nebenerscheinung.)

    "dass ich dagegen ankämpfen sollte."


    Vielleicht, vielleicht auch nicht - wenn man nur wüßte, was objektiv richtig ist! Da man das aber nicht weiß, bleibt einem immer noch das Vertrauen in den unendlichen Erlösungswillen der Anderkraft (Tariki): Niemand fällt da heraus! Und ich glaube ganz fest daran: Auch dann nicht, wenn man nicht auf sie vertraut...


    Ein Gedicht aus dem christlichen Bereich (Rilke), das mich in diesem Zusammenhang immer wieder sehr berührt:


    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
    als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
    sie fallen mit verneinender Gebärde.

    Und in den Nächten fällt die schwere Erde
    aus allen Sternen in die Einsamkeit.

    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
    Und sieh dir andre an: es ist in allen.

    Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
    unendlich sanft in seinen Händen hält.


    Niemand geht verloren! Niemand!

    Darum hüte ich mich auch davor, "Erlösung" näher zu definieren. Ich sehe sie lediglich als etwas extrem Wünschenswertes - und lasse mich im Übrigen überraschen!


    Mir genügt das vollauf!

    So lange man das naiv als idealtypische "ideale Dharaumgebung" ansieht benutzt man es nach Beispackzettel aber wenn man zu viele Teile seines Hirns einschalten kann man sich Gedanken über Teichökologie und Lotusbiologie machen und total im Nebel landen.

    M. E. geht es um die Zeiten und Paradigmenwechsel überdauernde, ganz einfache Grundaussage von Religionen. Für mich:


    1. Es gibt "Erlösung".

    2. Erlösung wird allen geschenkt; sie muss (braucht, kann) nicht "verdient" werden.

    3. Der "Rest" ist Beiwerk.

    Wenn ich es richtig sehe (und da bin ich mir nicht sicher), glaubt z. B. Shinran nicht daran, dass man mittels Eigenkraft in der Praxis überhaupt noch Erlösung erreichen kann. Er vertraut vielmehr zur Gänze auf die Anderkraft und geht davon aus, dass sogar dieses Vertrauen nicht seine Eigenleistung, sondern ein Geschenk ist.


    Menschen, denen dieses Vertrauen nicht geschenkt wurde, blieben demnach unerlöst außen vor. Das widerstrebt meinem Denken!

    @ Benkei:


    Dass die alten Meister und bestimmte Sutren meinen Gedankengängen nicht zustimmen, ist mir bewusst. Ich stimme ihnen umgekehrt ja auch nicht zu.


    Warum sollte Tariki in seinem Erlösungswirken von meinem Glauben daran (Bedingung!) abhängig sein? Ist Erlösung ein Kuhhandel oder ein unbegreiflich-wunderbares und völlig voraussetzungsloses Geschenk? Ich sehe es jedenfalls so, komme bestens damit zurecht und bin unendlich dankbar dafür. Und ich freue mich, weil es auch die "mitnimmt", die vom Reinen Land nie etwas gehört haben...

    Meine ganz persönliche Sicht:


    Ich trenne Ethik ganz strikt von Religion: Es ist immer die Ethik, die fordert. Religion hat nicht zu fordern, sondern zu erlösen. Wo sie dennoch fordert, überschreitet sie ihre Grenzen und hört auf, Religion zu sein.


    Der nächste Schritt: "Namu Amida Butsu" / Shinjin sind nicht nötig - Tariki ist auch so erlösend am Werk!

    Meinem Verständnis nach fordern Religionen nicht. Ethische Forderungen zu stellen und deren Erfüllung zur Bedingung für Erlösung zu machen, ist nicht Sache der Religionen. Religionen sind vielmehr ausschließlich zum Helfen, Befreien, Erlösen da - und das für alle fühlenden Wesen und absolut bedingungslos.


    Dies geht nochmals über den ohnehin schon radikalen Buddhismus des Reinen Landes hinaus und entspricht meiner ganz persönliche Sicht der "Dinge"...