Beiträge von Doris im Thema „Primärliteratur - Sekundärliteratur“

    Zitat

    Entweder Buddhawort oder erfunden, das ist mir zu radikal gedacht. Vielleicht etwas verändert, aber das Wesentliche scheint mir erhalten zu sein.


    Und nur darum geht es die ganze Zeit.
    Das Wesentliche scheint im Sinn zu liegen, der unter diversen Schichten liegt. Den Kanon daher als literarischen Text zu betrachten und so zu behandeln hilft, diese Schichten freizulegen.
    Eine ganz offensichtliche Schicht, die wirklich jedem auffallen muss, sind all die Mittel, die memotechnischen Zweck erfüllen. Oder will jemand sagen, Herr Gautama hat in Versmaßen gesprochen und Wiederholungen, wie die Rapper heute, nur noch viel elaborierter?


    Desweiteren gibt es diejenigen Leute, die selber schon durch Erfahrungen so weit sind, dass sich ihnen die Sutren erschlossen haben und die deshalb auch den Sinn erfasst haben und ihn vermitteln können.
    Es ist nämlich gar nicht notwendig den Kanon zu studieren, um zu Ergebnissen zu kommen. Auch Analphabeten können Erleuchtung erfahren. Vielleicht haben sie es sogar leichter, weil sie sich nicht mit Texproblemen abgeben müssen? :D

    Zitat

    Wenn man mündliche Überlieferung auch als Literatur bezeichnet, dann ist die im Falle des Palikanon nicht mehr bekannt, jedenfalls nicht als authentisch nachweisbar.


    Andauernd sagen Leute hier, der Palikanon sei exakt das, was der Buddha mal gesagt habe und dies sei jahrhundertelang aufs genaueste überliefert worden. Und plötzlich soll das nicht mehr authentisch nachweisbar sein! Daraus muss man folgern, dass der Kanon im Moment seiner Niederschrift erfunden wurde. :oops:

    mukti:
    Doris Rasevic-Benz:

    Du kannst mir glauben, dass ich weiß, von was ich schreibe. :D


    Meinetwegen, ich komme mit der Standardsprache aus. Jeder Hinz und Kunz definiert Literatur als geschriebenes Wort. Aber darum ging es ja nicht im Thema, sondern dass angeblich jemand über Ondas Literatur die Nase gerümpft hat.


    Genau das ist das Problem. Damit implizierst Du, dass alle indigenen Völker keine Literatur haben, nur weil diese nicht in Schriftform niedergelegt wurde und dass sie erst dann Literatur hatten als eine schriftliche Fixierung der jahrhundertelang mündlich tradierten Texte stattfand. Also, der "weiße Mann" hat ihnen die Literatur beigebracht, im Klartext.
    Dann musst Du aber konsequent sein und den Kanon auch als nicht-literarisch einordnen, da er vierhundert Jahre mündlich überliefert wurde. Das spielt dann keine Rolle mehr, wie genau die Überlieferung war.


    Hinz und Kunz können auch die Texte nicht als Literatur erkennen, wenn sie sie lesen …

    nibbuti:
    mukti:

    Also der gesprochene Text des Buddha ist nicht Literatur, das wurde er erst mit der Niederschrift. Damit ist der Kanon Primärliteratur.


    Damit ist der Sutta Pitaka Teil des Pali Kanons Primärliteratur (wie von allen buddh. Schulen zumindest offiziell anerkannt).



    Das sagt immer noch nichts über die Autorenschaft aus.
    Die Autoren, das ist das Kollektiv der Niederschreiber und all der Generationen vorher, die die Literatur als gesprochene Sprache rezipiert und tradiert haben.

    nibbuti:

    Wenn die liebe Doris sich annähernd so sorgfältig mit dem praktischen Dhamma des Buddha beschäftigen würde, wie mit den Autoren, Editoren & Übersetzern, wäre sie schon vollkommen erwacht.


    :D


    Ich gebe es gerne zu: Meine Praxis ist voller Mängel. :D

    In der Literatur wäre "Anna Karenina" Primärliteratur, wenn sich ein Text "Die Rolle der Eisenbahn in Tolstois Anna Karenina" mit der Rolle der Eisenbahn in diesem Text beschäftigen würde.
    "Anna Karenina" = Primärliteratur
    "Die Rolle der Eisenbahn …" = Sekundärliteratur


    Untersuche ich die Sekundärliteratur zu "Anna Karenina", wird die Sekundärliteratur zur Primärliteratur.


    Im Kanon ist das ein wenig anders.
    Die Primärliteratur ist der gesprochene Text des historischen Gautama.
    Die Niederschriften aus der Erinnerung haben bereits einen Prozess der Rezeption hinter sich, der ein paar Jahrhunderte gedauert hat.
    Deshalb kann man nicht generell von einer "Primärliteratur" sprechen. Und dennoch sind sie es.
    Untersuche ich die Texte des Kanon, dann wird er zur Primärliteratur. Das ist jedoch zu unterscheiden von der Autorenschaft.
    Nicht der Herr Gautama ist Autor der Texte.
    Das ist ganz wichtig.
    Deshalb sollte man vielleicht einen Unterschied machen: Die Texte sind eigenständige Werke im Bezug zum gesprochenen Ursprung. Beide sind nicht identisch, sondern stehen für sich selbst. Der gesprochene Text ist uns jedoch nicht erhalten. Das ist aber ein ganz wichtiger Punkt und sollte stets im Blickfeld bleiben.


    Jeder Kommentar zu den Kanontexten ist aber in diesem Hinblick Primärtext. Es gibt einen direkten Autor. Da dieser in den meisten Fällen aus seiner eigenen Erfahrung (das ist vielleicht bei der spirituellen Literatur mehr der Fall) berichtet, beinhaltet diese direkte Erfahrung, nicht nur Kommentar im Sinne von Sekundärliteratur.
    Des weiteren ist jede Literatur, die sich nicht mit dem Kanon beschäftig, sondern ausschließlich die eigene Erfahrung wiedergibt Primärliteratur, ein originäres Werk.


    Das ist alles nicht so einfach und die Grenzen sind fließend. :D