Beiträge von Tarik im Thema „Der Umgang mit Ärger“

    Matthias65:

    Geduld wird, nach Shantideva, als Gegenmittel gegen Ärger angesehen. Das klingt für mich allerdings auch sehr theoretisch, denn ich kann noch so viel Geduld entwickeln, der Ärger kommt aus irgendwelchen Verstecken plötzlich und unerwartet wieder. Was nützt es da, Geduld zu entwickeln ?


    Ich finde Geduld mindestens auf zwei Arten sehr wichtig. Zum einen sich selbst gegenüber. Wenn man sich geärgert hat, dann ist das halt so passiert, es bringt nichts sich zusätzlich gleich noch darüber zu ärgern, dass man sich geärgert oder im Ärger gehandelt hat. Einfach das Beste daraus machen und versuchen es das nächste Mal besser hinzukriegen. Dann noch die Geduld mit anderen. Wer selbst die Erfahrung gemacht hat wie schwer es sein kann mit negativen Emotionen umzugehen, sollte auch verstehen dass es anderen genauso schwer fällt. Vielleicht haben andere zudem auch noch weniger Wege um mit den Emotionen umzugehen als im Buddhismus vermittelt werden. Einfühlungsvermögen und Geduld helfen auch einmal (oder mehrmals) über eine unüberlegte Handlung hinwegzusehen und die Situation zu deeskalieren statt sich vom Ärger anderer mit reißen zu lassen oder sich über andere Personen zu ärgern.


    Meine Erfahrung ist auch, dass (Vorsicht Binsenwahrheit) Menschen unterschiedlich sind. Das heißt manche kennen aus eigener Erfahrung vielleicht Ärger, Trauer oder Ängste, aber vielleicht weniger Schuldgefühle, Selbstüberschätzung oder Trägheit (nur als Beispiel). Geduld kann helfen zu akzeptieren, dass der Umgang mit etwas was man selbst als einfach empfindet für andere schwer sein kann und es vielleicht länger dauert bis es im Griff ist (falls das denjenigen überhaupt gelingt).

    @Aiko Das stimmt. Leider weiß man immer erst im Nachhinein ob man darüber hinwegkommt. Das in die Realität zurückholen habe ich auch nicht auf deine Aussage bezogen.
    Ich habe mich nur noch etwas über die Aussage (welche nicht von dir war) "geärgert", dass wenn man "sich offen ausspricht, dann taucht Ärger gar nicht erst auf" und dass Ärger entsteht weil man "zuvor zu feige oder unaufrichtig" war. Das hat auf mich auf der einen Seite sehr naiv und auf der anderen Seite auch arrogant gewirkt. Vermutlich war das nicht wirklich so gemeint, aber es ist für mich so rübergekommen.


    Übungsobjekt in dem Sinn, dass es eine Gelegenheit bietet zu lernen. Ruhig und gelassen bleiben ist einfach, solange alles (oder das Meiste) glatt läuft im Leben.

    MonikaMarie1:

    Bin ich von vornherein klar und wahrheitsgemäß und spreche mich offen aus, dann taucht Ärger gar nicht erst auf. Zumindest seitdem ich weiß, woher er kommt, womit er verknüpft ist und woran ich anhafte, und sei es "nur" meine Art, die Dinge zu sehen. Das meiste in meinem Leben, das mir Verdruss bereitete, war unwichtig und Ärger völlig unnötig. Aber aufgrund von Verblendung war es unmöglich, das zu erkennen.
    _()_ Monika


    Darf ich fragen ob du schon mal in einer großen Firma (z.B. ein paar tausend Angestellte) gearbeitet hast und dort "Ärger" hattest? Wenn du nicht grad im Verwaltungsrat bist dürfte es schwer sein jeden Ärger zu vermeiden indem du einfach ehrlich bist... In der Theorie hört sich das gut an, aber nach meiner Erfahrung entsteht das Gefühl jede Art von Ärger überwunden zu haben und sich von Leid befreit zu haben eher daraus, dass zurzeit das Leben grad etwas einfacher ist. Falls das bei dir nicht der Fall ist verbeuge ich mich ehrfürchtig vor dir ;)


    Aiko:

    die Hindernisse sind der Weg.


    Auf jeden Fall weiß man ohne Hindernisse nicht ob man in der Lage ist sie zu überwinden. Sie sind dadurch nicht nur Übungsobjekt, sondern können auch helfen einen von Zeit zu Zeit in die Realität zurück zu holen.

    Jikjisa:

    Nicht ins Bewusstsein eindringen lassen. Alles ok.


    Ich gehe davon aus, dass du das im Sinn von "ohne Widerstand durchgleiten lassen" meinst und nicht als Versuch es zu ignorieren, verdrängen oder abblocken. Nach meiner Erfahrung geht das nur solange man noch nicht im Ärger "drin Steckt" und je schwieriger die Situation (für einen selbst) ist, desto schwieriger ist es auch das zu vermeiden.


    Um auf die Dauer derartige Situationen einfacher zu machen, scheint es mir das beste die Emotionen heraus zu nehmen, indem ein Verständnis für sich selbst und für andere entwickelt und der geistige Wiederstand dagegen entfernt wird. Das geht vermutlich nicht ohne sich auf die Situation einzulassen.

    Das kommt bei mir darauf an, zu welchem Zeitpunkt ich den Ärger bewusst bemerke:


    1. Wenn der Ärger droht aufzusteigen aber noch nicht da ist (z.B. wenn der Chef einen ins Büro ruft oder in einer kritischen Situation ein Report geliefert werden muss).
    -> Zu dem Zeitpunkt versuche ich meine Achtsamkeit zu stärken und überlegt und ruhig zu diskutieren, so dass die Situation eben nicht eskaliert. Außerdem merke ich dann leichter, wenn Ärger aufsteigt (oder andere negative Emotionen).


    2. Wenn der Ärger schon da ist aber noch nicht die Kontrolle übernommen hat und "noch nichts passiert ist". Das ist wohl der Zeitpunkt den du erwischt hast.
    -> Da versuche ich mich auch oft kurz zurückzuziehen wenn das möglich ist. Manchmal reicht da ja auch schon ein kurzer Zeitraum (ein paar Atemzüge) um sich nicht vom Ärger erfassen zu lassen. z.B. in Gruppen versuche ich manchmal die Zeit in der jemand anderes Spricht zu nutzen um nochmals runter zu kommen. Wenn auch das nicht geht bleibt wohl nur der Versuch soweit es geht ruhig zu bleiben und die Situation nicht eskalieren zu lassen.


    3. Wenn der Ärger da ist und ich mich schon vom Ärger habe erfassen lassen.
    -> Nochmals aus dem Ärger raus zu kommen ist da üblicherweise schwer. Für mich funktioniert dann am besten das Gespräch etwas in eine andere Richtung zu lenken oder das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt vorzusetzen.


    4. Wenn die Konfliktsituation schon durch ist.
    -> Da gehe ich die Situation Gedanklich nochmals durch. Dabei versuche ich die Situation aus Sicht eines Beobachters (also ohne zu Werten und indem ich beide Seiten gleichermaßen sehe) in der Position des "Ärger-Verursachers" und aus eigener Position durchzugehen. Immer ohne die Gefühle zu werten und ohne mich oder andere dafür "niederzumachen" (sozusagen in Nächstenliebe und Mitgefühl zu mir selbst und zu anderen) und die Entwicklung der Gefühle und das Verhalten beider Seiten nachzuvollziehen und zu verstehen.