Beiträge von void im Thema „Shugendo“

    Bettler:

    Ich finde es gut, Berge zu verehren einfach, weil sie da sind. Nicht als Symbol der Wirklichkeit sondern als Wirklichkeit.


    Nach dieser Logik hätte auch die Verehrung von Bananenschalen eine Berechtigung.


    In westlichen Denken unterscheidet man ja sehr zwischen handelnden Aktoren ( Menschen/Tiere ) und der übrigen Welt, die man als blosse, tote Materie auffasst, die nicht aus sich heraus handelt. In Naturreligionen wie dem Shinto erscheint die Welt degegen nicht als tot, sondern selbst als handelnd. Dieser tiefe Respekt gegenüber der Erhabenheit der Natur gefällt mir sehr, besonders wenn man ihn mit unserem achtlosen Umgang vergleicht.


    Japan ist eine der wenigen industrialisierten Länder, in denen sich mit dem Shinto eine Naturreligion erhalten hat. Ich kann mir vorstellen, dass dieser hohe Respekt der Natur gegenüber daher kommt, dass die Natur in Japan mit ihren Vulkanen, Tsunamis, Erdbeben und Taifunen nicht in der Form gezähmt ist, sondern immer noch eine gewisse Bedrohung ausübt. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass sich in Europa nur noch in Island Reste der germanischen Naturverehrung gehalten haben. Auch dieses ist ja vulkanisch sehr aktiv.


    Vielleicht verehrt man mit den Bergen deren Launenhaftigkeit und Eigengesetzlichkeit, vor der die Menschen abhängig sind und deswegen Angst haben müssen? So wie man früher ja auch dem Meer Opfer brachte, um die Fischer wieder heil zurückzubringen. Eine Banenenschale hat dagegen wenig Eigengesetzlichkeit. Man muss schon drauftreten, so dass sie einem gefährlich werden kann. Oder ist diese These zu platt? Viele heilige Berge in Japan sind ja auch gar keine Vulkane. Und auch der Shinto ist kein naiver Aberglaube.


    Mir kommt es so vor, als wäre der Unterscheid zwischen Achtsamkeit und Verehrung oft nicht so gross. Bei beidem steckt so ein demütiger Respekt drin. Wobei bei der Verehrung von Gottheiten wohl oft dazu kommt, dass man etwas besonders darin sieht, von dem man sich etwas erhofft.

    Benkei:

    Die Traditionslinien des Shugendô beziehen sich meist auf einen größeren Tempel.


    Ich war mal auf dem Ontake und habe da in eher radebrechenden Englisch mit einem der Pilger gesprochen. Der sagte, dass er zu keinem Tempel gehört, sondern dass er einem Pilger-Verein angehört, in dem man jährlich einmal zur Pilgerfahrt aufbricht. Auf der Seite Ontake Shinkō werden diese als kō (confraternities) bezeichnet, von denen sich einige wohl als shintoistisch, andere als shugendo sehen. Aber alle Pilger die ich dort sah, trugen diese weissen Pilgergewänder, die man mit dem Yamabushi assoziiert. Und alle hatten da wohl die gleiche Praxis, nämlich die Verehrung der Göttheiter des Ontake, auch wenn sie diese vielllicht unterschiedlich interpretieren.


    Unter Shinto and Shugendō heisst es, dass Shugendo ursprünglich davon ausgeht, dass die Praxis selbst ( "transmission beyond words / furiyūmonji) auch ohne Interpretation wirksam ist, auch wenn sich später solche Interpretationen gebildet haben.


    Ich finde es gut, Berge zu verehren einfach, weil sie da sind. Nicht als Symbol der Wirklichkeit sondern als Wirklichkeit.


    Der Trailer von "Shugendô Now" hat mir sehr gefallen.

    Jizo:

    Hallo!


    Ich habe gestern eine Doku im Fernsehen über Shugendo Buddhismus gesehen. Hat mich ziemlich fasziniert und jetzt wollte ich nachfragen ob jemand von Euch hier Erfahrung damit hat. Wißt ihr eventuell welche Lehren da verfolgt werden? In dem Video konnte man einen Österreicher sehen der unter einem Eiswasserfall meditiert. Besteht das Shugendo nur aus Askese?
    Vielen Dank für Eure Hilfe!
    Jizo


    Shugendo ist synkretisch und nimmt sowohl Elemente aus dem Shintiosmus als auch aus dem japanischen tantrischen Buddhismus (Shingon) auf.


    Im japanischen tantrischen Buddhismus werden ja, wie auch im tibetischen Buddhismus - verschiedene Buddha-aspekte als "Gottheiten" verehrt. So ist z.B das allumfassende Mitgefühl aller Buddhas in Avalokiteshvara symbolisiert. In Tibet wie auch in Japan gab es Tendenz, den Buddhismus mit der einheimischen Religion zu verbinden und dessen Gottheiten mit diesen Buddhaspekten zu assoziieren. In diesem Bereich zwischen Buddhismus und Shintoismus bewegt sich Shugendo.


    Der Österreicher aus dem Video könnte Christian Grübl gewesen sein, der auf seiner Internetseite "shugendo-austria: Praktik" einen Überblick über die Praxis gibt. Soweit ich weiss ist Shugendo in Japen nichts einheitliches sondern eher ein Sammelbegriff für unterschiedliche Traditionslinien.