Tashili:
dorakuan: es klingt abgrenzend, wie du interpretierst - z.B. Schüler, die nicht lernen 'wollen', 'falscher' Ort und 'falsche' Zeit...
"Abgrenzend" im Sinne von "mit Absicht oder Anstrengung einen Abstand oder eine Grenze schaffen" hatte ich es nicht gemeint, eher mit "sich verfehlend, sich nicht treffend oder sich nicht begegnend". Der Ort als Ort oder der Schüler als Schüler sind natürlich nicht "falsch", die Schülerin kommt nicht mit der Eigenschaft "falsch" ins Dojo, das Dojo oder der Lehrer/Lehrerin haben (hoffentlich) nichts "falsches" als Eigenschaft. Aber obwohl wir gemeinsam einige Zeit miteinander verbracht haben, hat es einfach nicht gepasst.
Nach meiner Erfahrung ist "Abgrenzung" manchmal in dem Sinne notwendig, dass man sich (war irgendwo weiter oben) nicht die (echten oder erwarteten) Projektionen der Schüler/innen oder Kursteilnehmer/innen zu eigen machen darf.
Und ich habe immer mal wieder Leute erlebt, die kommen zum Kurs oder Sesshin und wollen wirklich nichts lernen. Sie erwarten ein spirituell-emotional-intellektuelles all-inclusive alles-wird-gut Wohlfühlpaket, und sind dann nicht damit einverstanden, dass sie selber und nicht der Lehrer oder die Lehrerin die Arbeit machen muss. Oder sie bringen überhaupt keine Bereitschaft mit, in der Gruppe gemeinsam nach gemeinsamen Regeln zu arbeiten, sie haben Augen, Ohren Herz und Hirn zu und signalisieren "bei mir geht nichts durch, nichts rein und nichts raus, ich bin so wie ich bin, lasst mich alle in Ruhe". Oder sie sind schon ganz voll mit ihrem eigenen Vorwissen und ihrern eigenen Vorstellungen, und was jetzt im Sesshin passiert wird nur noch nach "richtig" und "falsch" sortiert, insofern es den eigenen Vorstellungen entspricht, oder nicht.
Ich versuche dann rauszufinden, ob es das "falscher Ort/falsche Zeit" Problem ist, dann kann ich vielleicht wenigstens ein paar Tipps geben, wo es sich möglicherweise besser als jetzt hier mit mir lernen lässt. Im zweiten Fall geht leider meistens nicht viel, da kann ich nichts machen.
Beides passiert nicht oft, und wenn, dann tut es mir immer sehr leid. Jemand meldet sich an, bezahlt, nimmt Urlaub, fährt vielleicht an paar hundert Kilometer ... und merkt dann, "das hier ist nichts für mich". Anfangs musste ich mich wirklich bemühen, mich in so einem Fall nicht "schuldig" zu fühlen (s.o. "Abgrenzung") ... aber Schüler sind keine Gäste
Tashili:
Ist das Zen typisch, so zu denken?
Das weiß ich nicht. Mein ehemaliger Lehrer hat sich immer sehr viel Gedanken über die einzelnen Kursteilnehmer/innen gemacht, und wir haben uns sehr viel darüber ausgetauscht. Fast immer hat er versucht, auf die Bedürfnisse der Teilnehmer/innen einzugehen, damit sie doch noch irgendwie am Kurs teilnehmen und davon profitieren konnten, er hatte wirklich einen "siebten Sinn", was mit den Leuten in seinem Zendo los ist ... aber manchmal meinte er auch "schade, keine Chance ...". In Japan hatte ich auch einige gute Erfahrungen dieser Art gemacht, allerdings ist da die Ausgangsbasis etwas anders.
Ich glaube aber, dass das kein "Zen-typisches" Problem ist. In der Arbeit an der Uni erlebe ich dasselbe ... ab und zu kommen Studenten oder Studentinnen in meine Vorlesung, die von mir nichts lernen können ... sie wissen es schon, oder es fehlen Vorkenntnisse, oder sie wollten etwas ganz anderes lernen, oder sie können so wie ich unterrichte nicht gut lernen. Und manchmal kommen welche, die wirklich gar nichts lernen wollen ... manchmal sagen sie mir ehrlich, sie brauchen nur ihre "Credits", und bei mir geht das mit der geringsten Arbeit. Manchmal haben sie ein psychisches Problem, und ich empfehle das entsprechende Beratungsangebot ... und manchmal erfahre ich es nie.
Sorry, das war jetzt viel Text für eine Zeile Frage ...